Faktencheck zu "maischberger"
Sendung vom 18.06.2025
Faktencheck

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.
Und das schauen wir uns an:
- Wie äußerte sich die US-Geheimdienstchefin zur Gefahr einer iranischen Atombombe?
Wie äußerte sich die US-Geheimdienstchefin zur Gefahr einer iranischen Atombombe?
ARD-Hauptstadtkorrespondentin Iris Sayram äußerte sich in der Sendung zu den israelischen Luftangriffen gegen den Iran. Sie ordnete dabei die Begründung der israelischen Regierung ein, dass es sich um einen Präventivschlag gehandelt habe, um sich vor iranischen Nuklearwaffen zu schützen. Sayram sagte, es sei unklar, wie weit das Atomprogramm des Mullah-Regimes tatsächlich vorangeschritten war. Konkret verwies sie dabei auf eine Einschätzung der US-Geheimdienstchefin Tulsi Gabbard, wonach vorerst nicht mit einer iranischen Atombombe zu rechnen sei.
Sayram: "Natürlich ist es nicht besonders beruhigend, wenn man wüsste, dass die wirklich eine Atombombe haben. Aber auch da gehen die Nachrichten ja etwas auseinander. Also die Geheimdienstchefin Tulsi Gabbard hat ja noch im März ganz anders gesprochen, also hat eine ganz andere Einschätzung gegeben, dass die Geheimdienste in den USA eigentlich nicht sagen, dass jetzt wirklich die Bombe gebaut wird."
Hintergrund: Wie äußerte sich die US-Geheimdienstchefin zur Gefahr einer iranischen Atombombe?
Als die israelische Luftwaffe in der Nacht zum 13.6.2025 Atomanlagen und andere militärische Ziele im Iran angriff, begründete die israelische Regierung dieses Vorgehen mit dem fortgeschrittenen Atomprogramm Teherans. Neue Geheimdienstinformationen hätten gezeigt, dass der Iran bei der Entwicklung einer Atombombe kurz vor einem "point of no return" gestanden habe. Die Luftangriffe seien deshalb als Selbstverteidigung zu betrachten. Belege für den Fortschritt des iranischen Atomprogramms lieferte das israelische Militär aber nicht.
US-Geheimdienstchefin: Iran baut keine Atombombe
Tatsächlich gehen die Einschätzungen in der Sache teils stark auseinander. Wie Iris Sayram in der Sendung richtig sagte, hatte sich die US-Geheimdienstkoordinatorin Tulsi Gabbard im März 2025 zur Gefahr einer iranischen Atombombe geäußert. Im Geheimdienstausschuss des US-Senats erklärte Gabbard, nach Einschätzung der US-Geheimdienste baue der Iran derzeit keine Atombombe, gleichwohl die iranischen Vorräte an angereichertem Uran ihren bisherigen Höchststand erreicht hätten. Zu einer ähnlichen Einschätzung war auch die vorherige US-Regierung unter Präsident Biden gekommen. Wie CNN kürzlich unter Berufung auf informierte Kreise berichtete, halten die Geheimdienste auch weiterhin an dem Befund fest. Selbst wenn Teheran eine Bombe bauen würde, so heißt es in dem Bericht, würde die Fertigstellung noch bis zu drei Jahre in Anspruch nehmen.
Trump teilt Einschätzung nicht: "Es ist mir egal, was sie gesagt hat"
Doch innerhalb des Weißen Hauses scheint hier aktuell keine Einigkeit zu bestehen. US-Präsident Donald Trump, der die israelischen Angriffe ausdrücklich lobte, distanziert sich von den Aussagen seiner Geheimdienstchefin. Auf eine entsprechende Nachfrage einer Journalistin entgegnete der Republikaner: "Es ist mir egal, was sie gesagt hat." Er selbst sei der Ansicht, der Iran habe "sehr nah dran" gestanden, eine Atombombe zu entwickeln.
In seinem Standpunkt unterstützt wird Trump u.a. vom Kommandeur der US-Armee im Nahen Osten, General Michael Erik Kurilla. Vor dem Kongress erklärte er unlängst, der Iran könne innerhalb von drei Wochen genug waffenfähiges Uran produzieren, um zehn Sprengköpfe herzustellen. Zwei weitere hochrangige Beamte, die anonym bleiben möchten, bestätigten Donald Trumps Einschätzung gegenüber Associated Press.
Auch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) hält die Bedrohung für realistisch. Der Behörde nach verfügt der Iran inzwischen über 408 Kilogramm angereichertes Uran. Diese Menge könne Teheran innerhalb von drei Wochen in waffenfähiges Material umwandeln. Bis das Material jedoch in einen einsatzfähigen Sprengkopf integriert wäre, dürften nochmals mehrere Monate vergehen. Unterm Strich hält die IAEA die Menge des angereicherten Urans für "sehr besorgniserregend".
Völkerrecht: Selbstverteidigung nur bei unmittelbarer Bedrohung zulässig
Wie nah der Iran an der Fertigstellung einer Atombombe war, ist für die völkerrechtliche Bewertung der israelischen Luftschläge von zentraler Bedeutung. Denn die Regierung von Benjamin Netanjahu beruft sich auf das Selbstverteidigungsrecht, das in Artikel 51 der UN-Charta geregelt ist. Demnach darf ein Staat militärische Mittel anwenden, wenn er sich seinerseits mit einem Angriff konfrontiert sieht. Auch gegen einen unmittelbar bevorstehenden Angriff darf man sich wehren, sofern keine anderen Mittel zur Verfügung stehen. Völkerrechtler sprechen hierbei von "präemptiver Selbstverteidigung". Ein rein präventiver Schlag gegen einen nur möglichen zukünftigen Angriff, der noch nicht unmittelbar bevorsteht, ist laut Völkerrecht unzulässig.
Inwieweit sich Israel auf sein Selbstverteidigungsrecht berufen kann, ist unter Experten umstritten. Pierre Thielbörger vom Bochumer Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht erklärte gegenüber der ARD-Rechtsredaktion: "Wir bewegen uns bei Israels Angriffen noch im Bereich der präventiven Selbstverteidigung, die das Völkerrecht aber gerade nicht anerkennt, um das eigentlich geltende Gewaltverbot zwischen Staaten nicht zu untergraben." Kai Ambos, Professor für Völkerrecht an der Universität Göttingen, argumentiert ähnlich. Er warnt davor, "die Schwelle für Selbstverteidigung immer weiter nach vorne" zu verlagern. Dadurch drohe "das Gewaltverbot – eine Fundamentalnorm des Völkerrechts – praktisch bedeutungslos" zu werden, sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Matthias Herdegen, Völkerrechtler von der Uni Bonn, schrieb auf X von einer "völkerrechtlich tiefgrauen Zone", in der sich die israelische Regierung bewege.
Fazit: Im März 2025 schätzte die US-Geheimdienstkoordinatorin Tulsi Gabbard die Gefahr einer iranischen Atombombe als eher gering ein. Der Iran baue derzeit keine Atombombe, gleichwohl die iranischen Vorräte an angereichertem Uran einen Höchststand erreicht hätten, sagte Gabbard. Im Weißen Haus scheint es in der Frage aber aktuell keine Einigkeit zu geben. Präsident Trump distanzierte sich kürzlich von der Einschätzung seiner Geheimdienstchefin und erklärte, der Iran habe "sehr nah dran" gestanden, eine Atombombe zu entwickeln. Auch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) hält die Bedrohung für realistisch. Wie nah der Iran an der Fertigstellung einer Atombombe zum Zeitpunkt der israelischen Luftschläge war, ist für die völkerrechtliche Bewertung des Angriffs von zentraler Bedeutung. Laut UN-Charta nämlich darf sich ein Staat nur dann im Voraus verteidigen, wenn ein Angriff der Gegenseite unmittelbar bevorsteht. Inwieweit das in diesem Fall zutrifft, ist unter Experten umstritten.
Stand: 19.06.2025
Autor: Tim Berressem