Faktencheck zu "maischberger"
Sendung vom 15.07.2025
Faktencheck

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.
Und das schauen wir uns an:
- Was wird Frauke Brosius-Gersdorf im Zusammenhang mit ihrer Doktorarbeit vorgeworfen?
Was wird Frauke Brosius-Gersdorf im Zusammenhang mit ihrer Doktorarbeit vorgeworfen?
Unsere Kommentatoren diskutierten in der Sendung u.a. über die vorerst gescheiterte Wahl der Potsdamer Juristin Frauke Brosius-Gersdorf zur Richterin am Bundesverfassungsgericht. Nena Brockhaus wies in diesem Zusammenhang auf die Plagiatsvorwürfe hin, die gegen Brosius-Gersdorf erhoben wurden und schließlich zur Vertagung der Richterwahl führten. Was Brosius-Gersdorf konkret vorgeworfen wird, schauen wir uns hier genauer an.
Brockhaus: "Es gab, ja, man weiß jetzt nicht, hat sie vom Ehegatten abgeschrieben oder der Ehegatte von ihr, wahrscheinlich eher der Ehegatte von ihr, weil ihre Doktorarbeit ist ja vorher erschienen. Aber dass die Presse sagt, hier gibt es vielleicht Ungereimtheiten bei einem möglichen Plagiat, oder auch sagt, wie steht sie zum Kopftuch bei Richtern, wie steht sie dazu, wie steht sie zur Abtreibung – ist doch völlig in Ordnung, dass die Presse das aufbereitet. Also, ich finde eher schwierig, dass jetzt eine Verfassungsrichterin sagt, die Presse geht zu weit. Und sie hat ja eigentlich damit auch gesagt, die Abgeordneten hätten sich von der Presse lenken lassen."
Maischberger: "Ich glaube, das mit dem 'abgeschrieben' müssen wir in den Faktencheck tun, weil es gab etwas, was sie gemeinsam verfasst haben, schon in den Neunzigerjahren. Insofern ist das mit –"
Brockhaus: "Also das ist der Vorwurf. Ich sage nicht, dass das so war. Ich sage nur, das war der Vorwurf, der da war."
Maischberger: "Wir stellen das in den Faktencheck, einfach nur damit das aufgeklärt wird, weil das wirklich wichtig ist an der Stelle."
Brockhaus: "Ja."
Hintergrund: Was wird Frauke Brosius-Gersdorf im Zusammenhang mit ihrer Doktorarbeit vorgeworfen?
Eigentlich hätte der Bundestag am 11.7.2025 drei neue Richter in das Bundesverfassungsgericht wählen sollen – doch daraus wurde nichts. Stattdessen kam es zum Eklat, alle drei Wahlen wurden kurzfristig abgesagt. Auslöser war die Forderung der Unionsfraktion, die Wahl der von der SPD vorgeschlagenen Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf von der Tagesordnung abzusetzen. Andernfalls würde sich die Union beim Wahlgang von Brosius-Gersdorf enthalten, hieß es. Begründet wurde diese Drohung mit einem Plagiatsverdacht gegen die Kandidatin. Dieser ziehe die fachliche Expertise von Brosius-Gersdorf in Zweifel, erklärte die Unionsfraktion.
Gutachter sieht "Textparallelen" – aber keinen Plagiatsvorwurf
Am Vorabend der geplanten Wahl hatte der österreichische Plagiatsgutachter Stefan Weber auf seinem Blog über Auffälligkeiten in der Dissertation von Brosius-Gersdorf berichtet. Konkret geht es um textliche Parallelen zwischen ihrer Doktorarbeit und der Habilitationsschrift ihres Ehemanns Hubertus Gersdorf. Gutachter Stefan Weber, der die Prüfung nach eigenen Angaben ohne Auftraggeber vorgenommen habe, erklärte nach der geplatzten Richterwahl, dass er die Auffälligkeiten in den Arbeiten zwar aufgezeigt, Brosius-Gersdorf aber kein Plagiat vorgeworfen habe. Auf der Plattform X schrieb Weber: "Die Sichtweise der #CDU, dass Plagiatsvorwürfe gegen Frau #FraukeGersdorf erhoben wurden, ist falsch." Weiter erklärte er, dass eine genauere Textanalyse "in Arbeit" sei.
Tatsächlich behauptet Weber in seinem Blogbeitrag nirgendwo explizit, dass Frauke Brosius-Gersdorf von ihrem Mann abgeschrieben habe. Er legt lediglich die entsprechenden Stellen aus den beiden Arbeiten nebeneinander und markiert die Ähnlichkeiten.
Ein wichtiges Detail ist das Erscheinungsjahr der Dissertation. Frauke Brosius-Gersdorf veröffentlichte ihre Doktorarbeit im Sommersemester 1997 – ein Jahr bevor ihr Ehemann seine Habilitationsschrift vorlegte. Im Falle eines Plagiats wäre also unklar, wer von wem abgeschrieben hat. Darauf verwies auch der Plagiatsforscher Jochen Zenthöfer im Interview mit tagesschau24: "Normalerweise ist es in der Plagiatsforschung so: Die Arbeit, die zuerst vorliegt, ist die, aus der sich bedient wird. Die Arbeit, die zeitlich später erschienen ist, ist dann die Arbeit, die sich bedient hat. Und wenn das so wäre, das müsste man alles noch prüfen, dann wäre Frau Brosius-Gersdorf ja hier das Opfer und nicht die Täterin", erklärte Zenthöfer.
Manche Beobachter halten es auch für denkbar, dass die beiden Rechtswissenschaftler bei der Erstellung ihrer Publikationen zusammengearbeitet haben, wie bereits bei ihrer gemeinsamen Veröffentlichung "Rechtsfragen des Teilnehmerentgeltsystems nach bayerischem Rundfunkrecht" aus dem Jahr 1997. Darin sind beide als Co-Autoren ausgewiesen. Im Fall der Dissertation bzw. Habilitation hätte eine solche Zusammenarbeit jedoch ebenfalls kenntlich gemacht werden müssen.
Universität Hamburg will den Fall vorerst nicht prüfen
Ob es sich um ein Plagiat handelt, muss im Verdachtsfall die jeweilige Hochschule prüfen. Doch ob die in diesem Fall zuständige Universität Hamburg überhaupt ein Verfahren einleiten wird, ist noch offen. Wie die Hochschule auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mitteilte, sehe man aktuell keinen Anlass, die Doktorarbeit der Verfassungsrichter-Kandidatin zu überprüfen. Eine Veröffentlichung von Hinweisen auf einer externen Website, wie dem Blog von Stefan Weber, stelle keine Meldung im Sinne der Satzung dar und stehe nicht im Einklang mit der satzungsgemäßen Vertraulichkeit. Erste Anlaufstelle für etwaige Hinweise sei die Ombudsstelle der Hochschule. Erst wenn dort hinreichend belegte Indizien für einen möglichen Verstoß gegen die Regeln der wissenschaftlichen Praxis eingehen, werde man tätig, teilte die Universität mit.
Kurzgutachten entlastet Brosius-Gersdorf
Am heutigen Mittwoch (16.7.25) wurde ein von Brosius-Gersdorf selbst in Auftrag gegebenes Kurzgutachten öffentlich, wonach "die Vorwürfe unbegründet sind und keine Substanz haben." Die Autoren des Gutachtens hätten demnach eine Reihe ähnlicher oder nahezu gleichlautender Fußnoten, ähnlich oder gleichlautende Textstellen sowie Ähnlichkeiten in Überschriften überprüft. Ihr vorläufiges Fazit: "Selbst wenn man annimmt, dass sämtliche aufgezeigten Übereinstimmungen sich nicht erklären lassen, begründen diese weder einen Plagiatsvorwurf noch stellen sie die Wissenschaftlichkeit der Arbeiten sowohl von Prof. Dr. Frauke Brosius-Gersdorf als auch von Herrn Prof. Dr. Hubertus Gersdorf in Frage." Die Schwelle dafür sei bei Weitem nicht erreicht. Zudem unterstreichen die Gutachter: "Aufgrund des zeitlichen Ablaufs und der deutlich früher veröffentlichten Dissertation von Frau Prof. Dr. Frauke Brosius-Gersdorf spricht der erste Anschein dafür, dass diese – sofern es überhaupt der Fall sein sollte – keine Textstellen aus der Habilitation ihres Ehemannes übernommen hat." Eine ausführlichere rechtliche Bewertung solle ggf. zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen, heißt es abschließend.
Während die SPD an ihrer Kandidatin für das Verfassungsgericht festhält, gibt es in der Union weiter erhebliche Widerstände. Wie es mit der Wahl nun weitergeht, ist deshalb unklar. Bundeskanzler Friedrich Merz hatte angekündigt, dass er das weitere Vorgehen in den kommenden Wochen innerhalb der schwarz-roten Koalition besprechen will. Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann macht indes Druck und fordert eine Sondersitzung des Bundestags, damit die Richterwahl nicht erst nach der Sommerpause im September stattfindet. "Wir halten es für unverantwortlich, diese wichtige Entscheidung des Bundestags über Wochen offenzulassen", heißt es in einem Brief der Grünen-Fraktion an die Regierungskoalition.
Schafft es der Bundestag nicht innerhalb von drei Monaten nach Bekanntgabe der Vorschlagsliste des Gerichts, einen Nachfolger zu wählen, kann der Bundesrat die Wahl übernehmen. So steht es im Bundesverfassungsgerichtsgesetz. Diese drei Monate laufen Ende August ab, also mitten in der parlamentarischen Sommerpause. Allerdings wäre der Bundesrat nicht dazu verpflichtet. Beobachter halten es für unwahrscheinlich, dass der Bundesrat die Richterwahl an sich reißen würde, wenn der Bundestag zuvor eine Einigung signalisiert.
Fazit: Ihre Blockade der Verfassungsrichterwahl am vergangenen Freitag begründete die Unionsfraktion mit Plagiatsvorwürfen gegen die Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf. Konkret bezog man sich auf einen Blogbeitrag des Plagiatsgutachters Stefan Weber, der textliche Parallelen zwischen der Doktorarbeit von Brosius-Gersdorf und der Habilitationsschrift ihres Ehemanns entdeckt hatte. Einen expliziten Plagiatsvorwurf äußerte Weber in seinem Beitrag aber nicht, wie er später selber betonte. Vielmehr müssten genauere Analysen folgen. Die zuständige Universität Hamburg sieht jedoch vorerst keinen Anlass, ein Prüfungsverfahren einzuleiten. Ein von Brosius-Gersdorf selbst in Auftrag gegebenes Kurzgutachten entlastet die Kandidatin unterdessen. Doch ob die Richterwahl noch vor der parlamentarischen Sommerpause nachgeholt werden kann, ist aktuell unklar.
Stand: 16.07.2025
Autor: Tim Berressem