Faktencheck zu "maischberger"
Sendung vom 17.09.2025
Faktencheck

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.
Und das schauen wir uns an:
- Wie wirken sich die verschiedenen Energieformen auf den Strompreis aus?
Wie wirken sich die verschiedenen Energieformen auf den Strompreis aus?
Gitta Connemann (CDU), parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, und Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge diskutierten in der Sendung über den energiepolitischen Kurs der Bundesregierung. Einige Aussagen aus dem Gespräch, die sich vor allem auf die Entwicklung der Strompreise beziehen, nehmen wir im Faktencheck noch einmal genauer unter die Lupe.
Dröge: "Der Ausbau der erneuerbaren Energien senkt die Strompreise. Es ist gerade noch einmal berechnet worden, wenn wir die erneuerbaren Energien ausbauen, dann kann der Strompreis um ein Viertel sinken. Und das, was Frau Reiche jetzt macht, ist: Sie setzt auf teures Gas. Das wird dazu führen, dass die Strompreise am Ende steigen, wenn sie so viel Gas in den Strommix mit reinpacken will. Das muss subventioniert werden, das sagt die CDU immer nicht. Sie bremst den Ausbau der erneuerbaren Energien. Für Menschen, die eine eigene Solaranlage auf dem Dach haben, soll es in Zukunft keine Förderung mehr geben. Das heißt, für die Leute im Land macht sie jetzt die Energiewende unattraktiv. Das, was das Beste an der Energiewende war, dass die Leute mitmachen konnten…"
Connemann: "Auf Kosten Anderer."
Dröge: "…das will Frau Reiche bremsen. Und bei Peter Altmaier gab es damals – Vorgänger von Frau Reiche – einen Begriff in der Windenergiebranche, das war die 'Altmaier-Delle', weil die Windausbauzahlen eingebrochen sind in der Zeit. Frau Reiche geht jetzt denselben Weg. Und damit gefährdet sie die Versorgungssicherheit Deutschlands. Damit wird sie für höhere Energiepreise sorgen. Und das schadet am Ende dem Klimaschutz. Und deswegen ist es – all in all – Unsinn, was Sie gerade machen."
(…)
Connemann: "Wir haben aktuell schon ein Versorgungssicherheitsproblem. Es gibt eine Delle, und das sagt nicht Katherina Reiche, sondern die Bundesnetzagentur, die vor zwei Wochen ihren Bericht vorgestellt hat und gesagt hat, wir laufen erkennbaren Auges in eine Versorgungslücke. Das Zweite ist: Natürlich hat der Ausstieg aus der Atomkraft dazu geführt, dass Strom teurer geworden ist."
Dröge: "Nein, kann man nachprüfen. Da können wir einen Faktencheck machen."
Connemann: "Wir hatten an dieser Stelle zehn Millionen Haushalte, die durch Kernenergie versorgt worden sind."
Dröge: "Wir können einen Faktencheck nach der Sendung machen."
Connemann: "Der Bedarf ist höher geworden. Das Dritte ist –"
Maischberger: "Es geht um den Preis."
Connemann: "Es geht um den Preis."
Maischberger: "Wir checken das im Faktencheck."
Connemann: "Genau."
Hintergrund: Wie wirken sich die verschiedenen Energieformen auf den Strompreis aus?
Am vergangenen Montag (15.9.25) stellte Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) ihren Plan für die Energiepolitik vor. Damit will sie die Energiewende effizienter und günstiger machen. Bisher, so Reiche, habe der Fokus auf Klimaschutz und dem schnellen Ausbau erneuerbarer Energien gelegen, jetzt solle es vor allem um günstige Preise und die Versorgungssicherheit gehen. Dafür soll u.a. der Ausbau der Erneuerbaren zurückgefahren werden, gleichzeitig will man neue Gaskraftwerke bauen.
Reiches Staatssekretärin Gitta Connemann (CDU) und die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge diskutierten diesen Kurswechsel kontrovers. Einige Aussagen aus der Sendung wollen wir an dieser Stelle noch einmal überprüfen.
Sorgt der Ausbau erneuerbarer Energien für niedrigere Strompreise?
Katharina Dröge sagte in der Sendung: "Der Ausbau der erneuerbaren Energien senkt die Strompreise. Es ist gerade noch einmal berechnet worden, wenn wir die erneuerbaren Energien ausbauen, dann kann der Strompreis um ein Viertel sinken."
In der Herstellung sind die erneuerbaren Energien von allen verfügbaren Energieformen tatsächlich am günstigsten. Bei Photovoltaik (Solaranlagen) und Windkraft liegen die sogenannten Stromgestehungskosten zwischen vier und elf Cent pro Kilowattstunde, wie das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) im Juli 2024 ermittelte. Zum Vergleich: Eine Kilowattstunde Strom, die in einem konventionellen Kraftwerk (betrieben z.B. durch Gas, Kohle, Öl) produziert wird, kostet zwischen 15 und 33 Cent.
Experten wie die Wirtschaftsweise Veronika Grimm betonen jedoch, dass die bloßen Herstellungskosten keinen direkten Rückschluss auf die Preisentwicklung zulassen. Zusätzlich müsse z.B. berücksichtigt werden, dass sich in vielen Stunden des Jahres Versorgungslücken ergeben, die durch komplementäre Technologien geschlossen werden müssen. Dafür werden etwa Batteriespeicher oder Gaskraftwerke benötigt. Deren Investitionskosten müssen ebenfalls in die Rechnung eingehen, wenn man zu einer realistischen Kosteneinschätzung gelangen will, so Grimm in einer Studie aus dem April 2024.
Dennoch ist davon auszugehen, dass die Strompreise mit zunehmendem Ausbau der Erneuerbaren insgesamt sinken werden. Wie Katharina Dröge in der Sendung bereits andeutete, kommt die Denkfabrik Agora Energiewende in einer aktuellen Analyse zu dem Ergebnis, dass sich mit dem bislang geplanten Ausbau erneuerbarer Energien der Börsenstrompreis – also der Preis, zu dem die Versorger den Strom an der Börse einkaufen – bis 2030 um bis zu 23 Prozent senken ließe. Allerdings nicht gegenüber dem aktuellen Preis, sondern im Vergleich zu einem Szenario, in dem von einem gedrosselten Ausbautempo ausgegangen wird. Bei letzterem ergibt sich laut Studie ein Börsenstrompreis von rund 85 Euro pro Megawattstunde. Würde man das bisherige Ausbautempo hingegen beibehalten, so die Forscher, würde der Preis lediglich 65 Euro pro Megawattstunde betragen. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Börsenstrompreis für das laufende Jahr 2025 liegt laut Energy-Charts bei 90,19 Euro pro Megawattstunde (Stand: 18.9.25). Der Börsenpreis schwankt jedoch teils stark. Im Jahr 2024 betrug er lediglich 78,51 Euro.
Die berechneten Preisvorteile ergeben sich laut Studie in erster Linie aus dem sogenannten Merit-Order-Effekt: Da der Strompreis an der Börse vom teuersten noch benötigten Kraftwerk bestimmt wird, drängt die vermehrte Einspeisung von günstigem Ökostrom teure Gas- und Kohlekraftwerke aus dem Markt. Das dämpfe den durchschnittlichen Börsenstrompreis, heißt es in der Analyse.
Fazit: Katharina Dröges Aussage ist zutreffend. Auch wenn die geringen Herstellungskosten der erneuerbaren Energien keinen direkten Rückschluss auf die Preisentwicklung zulassen, deuten aktuelle Analysen darauf hin, dass ein Festhalten an den bisherigen Ausbauzielen niedrigere Einkaufspreise für die Versorger nach sich ziehen würde, als es bei einem gedrosselten Ausbautempo der Fall wäre.
Steigen die Strompreise durch den Einsatz von Gaskraftwerken?
Katharina Dröge sagte in der Sendung: "Und das, was Frau Reiche jetzt macht, ist: Sie setzt auf teures Gas. Das wird dazu führen, dass die Strompreise am Ende steigen, wenn sie so viel Gas in den Strommix mit reinpacken will."
Richtig ist, dass Strom aus flexibel steuerbaren Gaskraftwerken deutlich teurer ist als die Erzeugung erneuerbarer Energien. Je nach Gaspreis schlagen laut Fraunhofer-Institut 15 bis 33 Cent pro Kilowattstunde zu Buche. Zum Vergleich: Solar- und Windkraft kommen mit vier bis elf Cent pro Kilowattstunde aus.
Inwieweit der Einsatz von Gaskraftwerken den Strompreis in die Höhe treibt, ist jedoch von verschiedenen Faktoren abhängig. Wenn die Gaskraftwerke z.B. nur selten laufen, weil sie lediglich als Ergänzung der erneuerbaren Energien dienen, ist der Einfluss auf den Preis eher gering. Wenn sie hingegen sehr oft und lange laufen, weil Erneuerbare nicht ausreichend verfügbar sind, wächst durch das Merit-Order-System (siehe oben) die Wahrscheinlichkeit, dass das Gas den Strompreis bestimmt. In Phasen niedriger Gaspreise können sich die Kraftwerke sogar positiv auf den Strompreis auswirken, weil sie teurere Kohle- oder Ölkraftwerke vom Markt verdrängen.
Fazit: Katharina Dröges Aussage muss genauer eingeordnet werden. Strom aus Gaskraftwerken ist tatsächlich deutlich teurer als die Erzeugung erneuerbarer Energien. Damit hat sie Recht. Ob sich der Einsatz von Gaskraftwerken aber negativ auf den Strompreis auswirkt, ist abhängig von zahlreichen Einflussfaktoren, wie dem Gaspreis und der jeweiligen Betriebsdauer.
Hat die Bundesnetzagentur ein Problem bei der Versorgungssicherheit festgestellt?
Gitta Connemann sagte in der Sendung: "Wir haben aktuell schon ein Versorgungssicherheitsproblem. Es gibt eine Delle, und das sagt nicht Katherina Reiche, sondern die Bundesnetzagentur, die vor zwei Wochen ihren Bericht vorgestellt hat und gesagt hat, wir laufen erkennbaren Auges in eine Versorgungslücke."
In ihrem aktuellen Bericht zur Versorgungssicherheit im Bereich Elektrizität, der Anfang September 2025 veröffentlicht wurde, zeigt die Bundesnetzagentur tatsächlich das Risiko einer Versorgungslücke im Jahr 2030 auf. Dieses Szenario sei aber abzuwenden, wenn der Ausbau von Windenergie- und Photovoltaikanlagen ebenso planmäßig voranschreite wie der Zubau neuer Gaskraftwerke sowie der allgemeine Netzausbau. Auch eine zunehmende Flexibilisierung der Stromnachfrage sei ein zentraler Faktor. Konkret bedeutet das: Verbraucher sollen ihren Stromverbrauch an die jeweilige Netzsituation anpassen und z.B. ein Elektro-Auto nicht dann laden, wenn ohnehin viel Strom verbraucht wird. Als Anreiz können dabei flexible Stromtarife dienen, die je nach Angebot und Nachfrage variieren, heißt es in dem Bericht. Auch dem Zuwachs von Speicherkapazitäten kommt in dem Bericht zentrale Bedeutung zu, um die Versorgungssicherheit in Zukunft sicherzustellen.
Im Begleitschreiben von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche heißt es, die Versorgungssicherheit in Deutschland sei bis 2035 gewährleistet. Das gelte aber nur, wenn die energiepolitischen Ziele erreicht und zusätzliche steuerbare Kapazitäten wie beispielsweise Gaskraftwerke errichtet würden.
Fazit: Gitta Connemanns Aussage ist zutreffend. In einem aktuellen Bericht warnt die Bundesnetzagentur vor einer Versorgungslücke im Jahr 2030. Um dieses Szenario zu vermeiden, sei der Ausbau von Windenergie- und Photovoltaikanlagen ebenso notwendig wie der Zubau neuer, flexibel steuerbarer Gaskraftwerke, betont die Behörde.
Hat der Atomausstieg zu höheren Strompreisen geführt?
Gitta Connemann sagte in der Sendung: "Natürlich hat der Ausstieg aus der Atomkraft dazu geführt, dass Strom teurer geworden ist."
Wie Zahlen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme zeigen, sind die Großhandelspreise nach dem vollständigen Ausstieg aus der Kernenergie gefallen. Im April 2023, als das letzte deutsche Kernkraftwerk abgeschaltet wurde, kostete eine Megawattstunde an der Strombörse durchschnittlich 100,74 Euro. In den folgenden Monaten lag der Wert fast durchgehend niedriger. Im April 2024, ein Jahr nach dem Atom-Aus, betrug der Börsenpreis lediglich 62,36 Euro.
Auch die Verbraucherpreise sind seit dem Atomausstieg tendenziell eher gesunken. Laut dem Vergleichsportal Verivox lag der durchschnittliche Haushaltspreis im April 2023 bei 42,58 Cent pro Kilowattstunde. In den Folgemonaten fiel der Preis stetig und lag ein Jahr später nur noch bei 35,31 Cent.
Fazit: Gitta Connemanns Aussage ist nicht zutreffend. Der Atomausstieg hat nicht zu höheren Strompreisen geführt. Im Gegenteil: Sowohl die Großhandelspreise als auch die Verbraucherpreise sind in den Monaten, nachdem das letzte deutsche Kernkraftwerk abgeschaltet wurde, teils deutlich gesunken.
Stand: 19.09.2025
Autor: Tim Berressem