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Journalist und Informant?

Peter Scholl-Latour und der BND

Was war Peter Scholl-Latours Rolle beim BND? | Video verfügbar bis 15.06.2026 | Bild: IMAGO/teutopress

Schon während seines Studiums arbeitete Peter Scholl-Latour als Reisejournalist, früh bereiste er viele Länder Afrikas und Asiens und immer hatte er Interessantes zu berichten, zunächst für die ARD, später lange für das ZDF. Ein integrer Journalist! Doch dem Investigativjournalisten Florian Flade liegen jetzt Akten vor, die eine auffällige Nähe von Peter Scholl-Latour zum BND aufweisen. ttt hat mit Florian Flade einen Blick in die Akten geworfen, sowie mit Julia Linner vom Bundesnachrichtendienst und dem Historiker Wolfgang Krieger gesprochen.

Er hat den Deutschen die Welt erklärt: Peter Scholl-Latour. Als Reporter war er in Krisenregionen unterwegs. War Gefangener bei den Vietcong und reiste mit Ayatollah Khomeini in den Iran, wichtige Papiere im Gepäck – für zwei Stunden sei er Wächter der Verfassung der Islamischen Republik Iran gewesen, wie er später erzählte. Seine Bücher wurden Bestseller. Mit seinen Einschätzungen zur Weltpolitik, behielt er oft Recht. Er war ein großer Welterklärer. "Objektivität existiert nicht, genauso wie Wahrheit. Ich versuche die Wirklichkeit zu reproduzieren. Die Wahrheit liegt bei Gott", sagte der Journalist 2007.

BND-Akten von Scholl-Latour

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Florian Flade, Investigativjournalist | Bild: WDR

Jetzt, zehn Jahre nach seinem Tod, werfen bislang geheime Dokumente ein neues Licht auf den legendären Reporter. Investigativjournalist Florian Flade hat die Akten beim BND angefordert – rund 70 zum Teil geschwärzte Seiten: "Als ich dann über diesen Satz gestolpert bin: 'Bei seinem nächsten Heimaturlaub in Deutschland, soll er als Quelle geworben werden', da war klar, okay, das war wohl ein anderes Verhältnis zwischen Peter Scholl-Latour und dem BND, als man das bei Journalisten sonst so kennt."

Laut den Dokumenten wurde Scholl-Latour spätestens ab 1981 als sogenannte "Gelegenheitsquelle" geführt. Sein Deckname: "Scholar". Der Gelehrte. Ein Verbindungsführer kümmerte sich um ihn. "In den Dokumenten ist zum Beispiel ersichtlich, dass er dem BND über Reisen berichtet hat. Wohin er reisen wird, wo er war, mit wem er dort gesprochen hat. Er erwähnt auch andere Journalisten offenbar, das ist veraktet. Er bietet dem Bundesnachrichtendienst an, Dokumentationsmaterial, Filmmaterial zu sehen, bevor es im Fernsehen ausgestrahlt wird", so Investigativjournalist Flade.

BND weist Brisanz der Akte zurück

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Julia Linner, BND | Bild: WDR

Hat Scholl-Latour heimlich BND-Mitarbeiter ins ZDF-Büro geschleust? Aus den Akten geht hervor, dass es sich um eine TV-Dokumentation über Afghanistan handelte. Beim BND ist von einer "Kooperation" die Rede – die Brisanz der Akte wird von der Behörde heruntergespielt. Julia Linner, von der BND-Pressestelle sagt dazu: "Peter Scholl-Latour wurde nie als reguläre Quelle des Bundesnachrichtendienstes geworben oder angemeldet. Wichtiger als diese beiden formellen Aspekte ist aber jedoch, dass Peter Scholl-Latour nie mit einem stetigen Auftrag zur Informationsbeschaffung belegt wurde und auch nie Zahlungen erhalten hat."

Alles also ganz normal? Welche Rolle spielte Peter Scholl-Latour wirklich für den Geheimdienst? "Peter Scholl-Latour war ein prominenter Auslandskorrespondent, der natürlich auch gerne Lagebilder gehört hat über die politische, die militärische Situation in einem Land, in das er möglicherweise gereist ist, in dem er möglicherweise temporär ansässig war. Und so war es ein Geben und Nehmen von Informationen, von Erkenntnissen, von Eindrücken aus entsprechenden Regionen, die sowohl für Herrn Scholl-Latour als auch für den Bundesnachrichtendienst zu Zeiten von Interesse waren", so Linner vom BND.

Schäfer-Report

Doch es ist nicht das erste Mal, dass Journalisten als BND-Informanten enttarnt werden. 2006 erschütterte der Schäfer-Report die Medienbranche: 20 Journalisten waren da sogar auf der Gehaltsliste des Geheimdienstes. Manche bespitzelten Kollegen, verrieten Quellen. Olaf Scholz von der SPD äußerte sich damals wie folgt: "Der Bericht zeigt, dass nicht alles richtig gelaufen ist. Einiges war zulässig, vieles nicht. Deswegen ist es richtig, dass die Bundesregierung alle notwendigen Konsequenzen gezogen hat und sicherstellt, dass sowas in Zukunft nicht mehr vorkommen kann."

Bezahlung als entscheidender Faktor?

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Wolfgang Krieger, Historiker | Bild: WDR

Welche Tragweite hat nun die Akte Scholl-Latour? Der Historiker Wolfgang Krieger hat jahrelang zum BND geforscht. Für ihn ist entscheidend, dass Scholl-Latour nicht bezahlt wurde. Er ist überzeugt: "Wenn er nämlich eine richtige Quelle gewesen wäre. Mit Verpflichtung und Bezahlung, dann hätte man niemals eine solche Akte freigegeben." Florian Flade findet Scholl-Latours Verhalten trotzdem falsch, unabhängig davon ob Geld geflossen ist. Mit seinen Gefälligkeitsdiensten habe er journalistische Prinzipien verletzt: "Für eine Behörde, über die man im Zweifel berichtet, zu arbeiten, das ist nicht in Ordnung, weil es, glaube ich, an der Objektivität massive Zweifeln zulässt. Und das Zweite ist Informantenschutz. Natürlich müssen sich Menschen darauf verlassen können, wenn sie mit uns als Journalisten sprechen, dass wir das dann auch nicht verraten, wenn sie das nicht möchten, dass sie mit uns gesprochen haben."

Frage journalistischer Prinzipien

Bei der Akte Scholl-Latour geht es weniger um die Enttarnung eines BND-Informanten, als um das Selbstverständnis des Journalismus. Florian Flade sieht hier eine klare Grenze überschritten. "Wir sind nun mal keine Hilfs-Sheriffs, weder für eine Staatsanwaltschaft noch für die Polizei, noch für Geheimdienste", so Flade. Es ist wichtig, dass Journalisten die Arbeit der Behörden kontrollieren, sagt Florian Flade. Auch das zeigt die Akte Scholl-Latour.

 Autor: Max Burk

Stand: 16.06.2025 10:44 Uhr

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