So., 24.11.24 | 23:05 Uhr
Das Erste
"Irrweg der Moderne": Die AfD und das Bauhaus
Kulturkampf für den "Heimatstil"
Das nächste Bauhaus-Jubiläum steht 2025 bevor. Von einer Nazi-Rechts-Regierung aus Weimar vertrieben, zog die Kunstschule vor bald 100 Jahren ins moderne sozialdemokratische Dessau. Walter Gropius entwarf das Schulgebäude. In Dessau wurde das Bauhaus zur Weltmarke der Moderne – ihre Bauten sind Weltkulturerbe.
AfD: Bauhaus schuld an "globalistischer Uniformität"
Konträr dagegen stellte sich jetzt ein AfD-Antrag im Landtag von Sachsen-Anhalt: Das Bauhaus hätte als "Irrtum der Moderne" eine "globalistische Uniformität" erzeugt. Hans-Thomas Tillschneider, Landtagsabgeordneter der AfD, findet: "Nur weil das Bauhaus im Nationalsozialismus verfolgt wurde, kann es doch nicht sein, dass es nicht mehr kritisiert werden darf und dass es gewissermaßen sakrosankt ist, unantastbar, das kann doch nicht sein. Wir leben im Hier und Heute und wollen uns diese Fesseln der Vergangenheit nicht mehr anlegen lassen."
"Für Rechtsradikale immer schon ein rotes Tuch"
Philipp Oswalt, Direktor Stiftung Bauhaus Dessau von 2009 bis 2014, sieht in dem Angriff eine wenig überraschende Kontinuität: "Dass sich rechtsradikale Kreise da positionieren, ist erst einmal nicht überraschend. Das Bauhaus war für Rechtsradikale schon in der Weimarer Republik ein rotes Tuch, von Anfang an, das zieht sich durch bis zur Schließung."
Bis zur Vertreibung auch aus Dessau im Jahr 1932 durch die NSDAP blieben dem Bauhaus sieben Jahre. Grundprinzip war weiterhin die komplexe Ausbildung vom Material aus. Die Schule war geprägt von sehr verschiedenen Meistern, Künstlern von Weltrang. Ziel war es, Werkstatt, Kunst und Technik zu vereinen, was in dem AfD-Antrag in Unkenntnis oder bewusst glattgebügelt wird.
"Bauhaus hat das Handwerk hochgehalten"
So behauptet der AfD-Landtagsabgeordnete Hans-Thomas Tillschneider, Leitidee des Bauhauses sei "der Bruch mit allen existierenden Bautraditionen", "die Abwendung vom Handwerk, die industrielle Fertigung von Bauteilen und damit verbunden das sogenannte modularisierte Bauen, also die Zusammensetzung von Häusern aus Fertigteilen".
Anke Blümm vom Bauhaus-Museum Weimar entgegnet: "Das Bauhaus war damit angetreten, dass jeder Bauhaus-Student ein Handwerk lernen sollte. Man hat also im Gegenteil das Handwerk sehr hochgehalten. Und auch noch in Dessau hat das eine große Rolle gespielt, selbst wenn man hier stärker die Zusammenarbeit mit der Industrie befördert hat."
AfD-Kritik ignoriert soziale Frage und Selbstkritik
Ziel des AfD-Antrags ist die Diskreditierung der Moderne an sich. Das Bauhaus wird für alles industrielle Bauen verantwortlich gemacht. Der soziale Gewinn wird geleugnet, ebenso wie die Selbstkritik: Großsiedlungen wie die Gropius-Stadt in Berlin sind längst als problematisch erkannt. Stattdessen ist von einer "globalistischen" Bauhaus-Ideologie die Rede, die Tillschneider so erklärt:
"Das Bauhaus wollte ja ganz bewusst nicht deutsch sein, es hat auch die Begriffe Heimat und Tradition verflucht, da gibt's ganz schlimme Texte. (…) Es wollte international sein. Die Entortung des Menschen war erklärtes Programm und ebenso die Aufhebung von Individualität zugunsten der amorphen Masse."
Dazu führt Tillschneider weiter aus: "Das Bauhaus suchte unverhohlen Anschluss an sozialistische und kommunistische Vorstellungen und verstand seine Entwürfe als Beitrag zu einer neuen Wohnkultur für eine klassenlose Gesellschaft."
Anke Blümm vom Bauhaus-Museum Weimar findet diese Darstellung einseitig: "Das Bauhaus wird reduziert auf eine rein linkspolitisch gerichtete Haltung und die Ästhetik des Bauhauses ist damit auch politisch links, und alle, die traditionell bauen, sind somit rechts. Das ist die einfache Gleichung, die aber viel zu simplifiziert ist."
Tillschneider empfiehlt die "um-1800-Bewegung"
Die Verbindung von Kunst und Technik war das Programm von Bauhaus-Direktor Walter Gropius – ein Architekt des Bürgertums, der auf sein Renommee achtete, nicht auf Ideologie.
Alternative zum "Irrweg der Moderne" des Bauhauses soll nach dem Antrag der AfD etwa die "um-1800-Bewegung" sein. Die habe sich an einem Baustil orientiert, "der um das Jahr 1800 gepflegt wurde", sagt Tillschneider und nennt das 1802 eröffnete Goethe-Theater in Bad Lauchstädt als Beispiel. Hier habe Sachsen-Anhalt "ein Bauwerk, das diesem Stil vollumfänglich entspricht".
Damals hatte die Erde eine Milliarde Bewohner, heute sind es acht Milliarden. Was an dem Antrag kurios scheint, ist allerdings politische Offenbarung: Hat die AfD abgeschrieben? Die gleiche retrospektive Architektur empfahl schon die NSDAP, als sie sich gegen die "kommunistischen" flachen Moderne-Dächer positionierte.
Überraschende Wendung im "Dächerkrieg"
Zum Rekurs auf den schon älteren "Dächerkrieg" erklärt Anke Blümm vom Bauhaus-Museum Weimar: "Es sind 1:1 die Argumente, wie sie schon damals von den Nationalsozialisten gebracht wurden, als für jedes Haus ein Steildach propagiert wurde, das verband man mit Gemütlichkeit und Behaglichkeit."
Die AfD diffamiert das Bauhaus als links-modernes Feindbild, um das "modern Denken" als Slogan des Landes Sachsen-Anhalt zu kritisieren. Das Bauhaus ist wieder ein Mittel im politischen Kampf.
Bauhaus-Expertin Anke Blümm berichtet mit Blick in die Historie von einer überraschenden Wendung: "1931 hat die NSDAP Wahlkampf mit dem Bauhausgebäude in Dessau gemacht und versprochen, es abreißen zu lassen nach der Wahl. Das ist nicht passiert, es sind sofort Nazi-Institutionen eingezogen, die hellen schönen neuen Räumlichkeiten haben sie sehr zu schätzen gewusst."
Der AfD-Antrag ist fachlich falsch und verfälscht demagogisch, er wurde abgelehnt. Übrigens haben auch die Bauhaus-Meisterhäuser von Künstlern wie Feininger, Kandinsky, Klee ein 100-jähriges Jubiläum.
Autor TV-Beitrag: Meinhard Michael
Stand: 25.11.2024 12:34 Uhr
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