So., 04.05.25 | 23:05 Uhr
Das Erste
Gewalt gegen queere Menschen
Die steigende Gefahr für LGBTQIA+ durch Rechtsextreme
In Deutschland steigt die Gewalt gegen queere Menschen und erreicht 2024 einen neuen Höhepunkt, so das Bundesinnenministerium. Besonders rechtsextreme Übergriffe nahmen zu, vor allem Pride-Events und CSD-Paraden wurden Ziel von Anfeindungen und Angriffen. In vielen Städten, vor allem im Osten, gab es rechtsextreme Gegendemonstrationen, bei denen Rechtsextreme mit Hassparolen gegen queere Sichtbarkeit mobil machten.
Bautzen: CSD gegen Neonazis

Bautzen ist eine schöne kleine Stadt im östlichen Sachsen. Hier lebt Jonas. Er ist queer. "Schon beim Feiern Gehen gerät man mit Leuten aneinander, nur weil man so tanzt, wie man tanzt, oder nur weil man in diesem oder jenem Outfit unterwegs ist. Da werden Sprechchöre auf der Toilette angestimmt: ‚Homos raus!‘ und Kopfnüsse verteilt", berichtet er. 46 Prozent haben hier bei der Bundestagswahl AfD gewählt. Aber der Lehramtsstudent hängt an seiner Stadt. Zusammen mit anderen organisiert Jonas den CSD. Vergangenes Jahr haben sie den zweiten gefeiert. Er weiß, wie wichtig der Zusammenhalt und der gegenseitige Support ist. Auch weil sich rund 700 Neonazis zur Gegendemo versammelten. Der CSD konnte nur unter Polizeischutz stattfinden.
Ein Klima der Angst

"Es gab ein, zwei Stellen, wo die Demos doch in einem sehr kurzen Abstand zueinander waren", erzählt Jonas, "und wo Leute, die beim CSD gewesen sind, mit einer Menge Hass und Queerfeindlichkeit, teilweise auch Ausländerfeindlichkeit, rechtsextremen Parolen, Zeichen und Flaggen konfrontiert waren. Das schafft ein Klima der Verunsicherung und der Angst." Dass Neonazis aufmarschieren würden, war schon vorher klar. Doch das queere Bautzen erlebte viel Solidarität. Menschen aus dem Umland kamen, und aus der gesamten Republik. Insgesamt waren es etwa Tausend.
Queerfeindlichkeit überall

Bautzen war nicht der einzige CSD im Osten, der massiv bedroht wurde. Bilder aus Leipzig und Wismar zeigen ähnliche Situationen. Und im Westen? Auch hier gibt es Hetze gegen Schwule, Lesben und Transmenschen, zum Beispiel von der rechtsradikalen "Pforzheim Revolte". Queerfeindlichkeit gibt es überall. Aber die massivsten Aufrufe, CSDs auf der Straße anzugreifen, kommen aus Ostdeutschland. Die Amadeu Antonio Stiftung beobachtet das seit einigen Jahren. "Das ist eine bewusste Strategie, eben weil die CSDs in Ostdeutschland ein starkes Symbol für eine aktive ostdeutsche demokratische Zivilgesellschaft sind", sagt Lorenz Blumenthaler von der Amadeu Antonio Stiftung. "Da geht es nicht nur um Schwulenrechte, es geht um so viel mehr. Im Grunde stellen die CSDs in Ostdeutschland für Rechtsextreme fast schon die Systemfrage: Demokratie oder eben rechtsextreme, hasserfüllte Antidemokratie."
Neue Entwicklung: Vermehrt Jugendliche radikalisieren sich

Die Männer, die da auf die Straße gehen, sind teilweise erschreckend jung. In Bautzen waren einige Minderjährige dabei. Blumenthaler ordnet das so ein: "Dass es der rechtsextremen Szene gelingt, so stark Jugendliche anzusprechen und auch zu radikalisieren, ist definitiv eine neue Entwicklung, die wir erst in den letzten zwei Jahren in der Form beobachten." Jonas vermutet den Grund dieser Entwicklung auch in den sozialen Medien, wo rechte Influencer jungen Männern ein Identifikationsangebot machten. Das sei etwas, woran sich Jugendliche festhalten könnten. "In einer Zeit, wo vielleicht nicht mehr ganz klar ist, was Männlichkeit ausmacht", sagt Jonas, "fahren die Rechten damit ganz gut. Und das Männlichkeitsbild von einem starken heterosexuellen Mann spielt sich gut gegen queere Lebensentwürfe aus." Auch die rechtsextreme AfD spricht gezielt junge Männer an. In einem TikTok-Video propagiert Maximilian Krah, Bundestagsabgeordneter der AfD: "Lass dir nicht einreden, dass du lieb, soft, schwach und links zu sein hast. Echte Männer sind rechts."
Wer, wenn nicht wir? Gemeinsam stark!

Doch in Bautzen lassen sie sich nicht einschüchtern. Im August wollen sie den CSD Bautzen 2025 feiern: "Ich glaube, dieses Jahr kann man thematisch was vorbereiten, weil mittlerweile klar ist, wer wir sind", so Jonas. Insgesamt bereiten rund 20 Menschen die Demo vor - Heteros und Queers gemeinsam. "Irgendjemand muss es ja machen", sagt Stefanie aus dem Orga-Team. "Wer soll es denn sonst machen? Ich glaube, wir haben auch eine Vorbildfunktion und können so ein bisschen was bewirken." Ihre Mitstreiterin Antje ergänzt: "Ich möchte einfach, dass meine Stadt bunt bleibt, besser noch bunter wird, als sie bisher ist. Ich finde, dass Vielfalt unser Leben reicher macht." Und Tim gehört ebenfalls zum Orga-Team und betont: "Also noch sind wir eine Demokratie und hinter uns steht ein Grundgesetz, was ganz klar sagt: Das, was ihr lebt, ist schützenswert - und zwar egal in welcher Form." Ihr Motto für den CSD 2025 lautet: "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Auch in Bautzen."
(Beitrag: Lennart Herberhold)
Stand: 04.05.2025 19:53 Uhr
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