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Trauer um Sebastião Salgado

Sebastião Salgado
Sebastião Salgado | Bild: picture alliance / dpa | Andreu Dalmau

Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Die Erde aber war wüst und wirr. Gott sprach: Es werde Licht. Und es ward Licht. Gott sah, dass das Licht gut war. Das erste Buch Mose. Genesis.  

Noch ist knapp die Hälfte unseres Planeten unberührt. Majestätisch. Die ältesten Berge der Welt, die Tepui in Venezuela. Vier Milliarden Jahre alt. Die Brookskette in Alaska. Pathos und Schönheit. Fünf Uhr morgens – der Kafue-Nationalpark in Sambia. Für den Fotoband "Genesis" hat Sebastião Salgado acht Jahre seines Lebens gegeben.

Salgado wollte sich nicht damit abfinden, dass kulturelle Vielfalt zerstört wird. 

"Ich wollte, dass alle sehen können, wie wunderschön die Erde ist", sagt der Fotograf Sebastião Salgado. "Wie wundervoll das Licht der Sonne ist. Was für eine Kraft in der Natur steckt. Und dass wir ein Teil davon sind. Unser größtes Problem ist, dass wir die Verbindung zur Natur verloren haben. So wie die meisten von uns in den riesigen Städten leben, macht es doch überhaupt keinen Unterschied mehr, ob wir auf der Erde leben oder auf dem Mond."  

Ein Zeitgenosse. Aus West-Papua. Salgado hat über 20 Naturvölker besucht. Von den meisten wissen wir gar nicht, dass es sie gibt. Salgado – ein Kämpfer, der sich nicht damit abfinden kann, dass diese kulturelle Vielfalt zerstört wird. 

"An welchen Gott sollte ich denn glauben?"

"Ich glaube nicht an Gott", sagt Sebastião Salgado. "Ich glaube an eine natürliche Harmonie, dass es eine Verbindung gibt zwischen uns und den Pflanzen, den Tieren und sogar den Mineralien. Ich glaube an eine Milliarden Jahre alte natürliche Ordnung. Ich glaube nicht an einen Gott. An welchen Gott sollte ich denn glauben? Es gibt so viele Götter auf unserer Erde."  

Ein Mann mit Glatze vor einem Schwarzweißbild
Photograph Sebastião Salgado | Bild: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | David Azia

"Als ich begonnen habe, die Welt durch eine Kamera zu betrachten, hatte ich plötzlich eine ganz andere Verbindung zu ihr”, sagt Salgado. Er wächst auf einer Farm in Brasilien auf, studiert Wirtschaft, flieht 1969 vor der Diktatur nach Paris und beginnt zu fotografieren. Mit der Leica seiner Frau. Seine Bilder von den brasilianischen Goldminen gehören zu den berühmtesten des 20. Jahrhunderts. Arbeiter, die säckeweise Dreck nach oben schaffen, um die Gier nach Gold zu befriedigen. 

Für einen Fotografen sind gute Schuhe wichtiger als eine gute Kamera.

Er fotografiert jahrelang in Kriegs - und Krisengebieten. Daraus entsteht das Buch "Migrations”. Das Leben und der Tod von Geflüchteten. Zaire 1994. "Ich war wütend und habe mit meinen Bildern das gezeigt, wovon ich glaubte, dass es unbedingt alle sehen müssen. Ich habe das sehr bewusst gemacht. Diese Bilder waren mein Leben."  

Für einen Fotografen sind gute Schuhe wichtiger als eine gute Kamera, sagt Salgado. Er hat in seinem Leben über 120 Länder bereist. Mit dem Genesis-Projekt wirft er aus der Gegenwart einen Blick in die Geschichte der Erde und der Menschheit. Er war bei den Korowai in West-Papua. Jäger und Sammler. Sie bauen ihre Häuser 30 Meter hoch in die Bäume, um sich vor Angriffen zu schützen. Bis vor kurzem lebten die Korowai hier wie vor tausenden von Jahren. Jetzt gehen viele von ihnen sonntags im weißen T-Shirt in den Gottesdienst. Oder leben in moderneren Dörfern. Das zeigt Salgado bewusst nicht. Die indigenen Völker in Papua: Missionare haben ihnen Ärzte und Schulen gebracht. Und ihnen ihren Glauben und einen Teil ihrer Kultur genommen. Die Regierung nimmt ihnen ihr Land. Für ein riesiges Agrarprojekt. 

Salgado – in seinen Bildern ein epischer Erzähler

"Am meisten gefährdet sind die indigenen Völker nah an der Küste", sagt Sebastião Salgado. "Ihr Land ist relativ leicht zugänglich. Hier schlummern gewaltige Schätze: Gold, Kupfer, Holz, das ist alles leicht auszubeuten. Unsere Zivilisation dringt in hoher Geschwindigkeit in diese Gebiete vor. Die Kultur der indigenen Völker im Flachland von Papua wird sehr bald zerstört sein."  

Salgado – in seinen Bildern ein epischer Erzähler. Die Fakten dazu sind nüchtern und schonungslos. In Indonesien schrumpft der Dschungel stündlich um die Fläche von 180 Fußballfeldern. In Kanada wird in den nächsten Jahren ein Gebiet so groß wie England für die Gewinnung von Erdöl aus Teersand zerstört. Seriöse Prognosen gehen davon aus, dass sich das Erdklima nicht um zwei, sondern um bis zu fünf Grad erwärmen wird. "Die ganze Erde ist in Gefahr. Wegen uns. Immer geben wir irgendwelchen Regierungen oder Firmen die Schuld daran. Wir sollten mal damit anfangen, mit dem Finger auf uns selbst zu zeigen. Die Erde wird zerstört, weil jeder einzelne von uns zu viel verbraucht."  

Sebastião Salgado war ein fantastischer Fotograf. Ein Humanist. Seine ikonischen Bilder sind ein Appell: Versuch es. Sei gut. Ein Mensch. 

BUCHTIPP
Sebastião Salgado: "Genesis", Taschen Verlag 

Autor: Matthias Leybrand

Stand: 25.05.2025 21:17 Uhr

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