SENDETERMIN So., 25.05.25 | 23:05 Uhr | Das Erste

Pulp: More

Pulp: "More" - Neues Album nach 24 Jahren | Video verfügbar bis 25.05.2026 | Bild: BR

"I am not Jesus though I have the same initials.
I am the man who stays home and does the dishes."
(Pulp: "Dishes") 

"Ich bin nicht Jesus, auch wenn ich die gleichen Initialen habe.
Ich bin der Mann, der zu Hause bleibt und den Abwasch macht."  

Ein Mann blickt in die Kamera
Pulp-Sänger Jarvis Cocker | Bild: BR

Jarvis Cocker – der altgewordene Harry Potter. Zu klug für Pop-Musik. Nach 24 Jahren veröffentlicht die beste aller möglichen Brit-Pop-Bands ein neues Album. Pulp. Lakonischer Titel: "More". Tanzmusik über das Altwerden. Es ist - einmal mehr: sehr komisch.Tieftraurig. 

Cocker ist ein großartiger Menschenbeobachter

"In der Musik von Pulp gibt es keine Ironie", sagt Jarvis Cocker. "Es tut mir leid, alle enttäuschen zu müssen. Ironie bedeutet für mich, Abstand zur Welt und zum Leben zu halten, um nicht verletzt zu werden. Meine Einstellung zur Musik ist aber das genaue Gegenteil. Im Alltag bin ich vielleicht etwas distanziert, weil ich schüchtern bin. Aber in meinen Liedern versuche ich mich intensiv mit den Dingen zu beschäftigen, die mich interessieren, erschrecken oder begeistern. Darüber versuche ich zu schreiben. Ich versuche herauszufinden, was ich über sie denke, indem ich darüber schreibe. Ich habe also keine ironische Distanz dazu." 

"Manche Leute altern gut. Manche verlieren einfach den Verstand."

Mit Pulp gelang es ihm meisterlich den Alltag der Unterschicht zu beschreiben. Er ist ein großartiger Aphoristiker. Menschenbeobachter.

"Help the aged. 
One time they were just like you.
Drinking, smoking cigs and sniffing glue." 
(Pulp: "Help the Aged")

"Helft den Alten.
Früher waren sie genau wie ihr.
Sie tranken, rauchten und schnüffelten Klebstoff." 

"Ich war gerade mal 33, als ich das schrieb", sagt Cocker. "Ich wollte nie älter werden. Jetzt bin ich 61. Alt. Manche Leute altern ganz gut. Manche verlieren einfach den Verstand. Und manche purzeln so die Straße runter."

Grandezza, wie ehedem

Eine Frau in einem Musikstudio
Im Studio in London | Bild: BR

Ein Besuch bei Pulp im Studio in London. Proben für Konzerte. "Es fühlt sich an wie alle Geburtstage auf einmal", singt Cocker.  - Ein großes Album über Vergänglichkeit. "Das erste Mal, dass ich begriffen habe, dass ich sterben muss: da war ich noch ein Kind", sagt Cocker. "Danach hatte ich Todesangst. Mein Großvater war Bestatter, deshalb standen bei ihm viele Särge herum. Meine Cousinen spielten Begräbnis, bei denen sie ihre Puppen in diese Särge legten, sie dann in den Garten trugen und taten als würden sie sie begraben." 

Frei sein. Es hat 16 Jahre gedauert bis Pulp endlich Erfolg hatten und nach vier Hit-Alben war’s schnell vorbei. Cocker hat dann Kammermusik gemacht mit Chilly Gonzales. Auch: Ein House-Album. Und da war dann noch: Paris… Pulp war stets die ganz große Leinwand. Bei Konzerten fand die Band wieder zusammen. Die alten Songs: Grandezza, wie ehedem. Und plötzlich waren da: neue… 

Die Mutter sang laut - aber nur auf dem selben Ton

"Mein Elternhaus war nicht musikalisch", erinnert sich Jarvis Cocker. "Mein Vater hat zwar gesungen, aber er ist ausgezogen, als ich sieben war. Meine Mutter konnte gar nicht singen. Das hielt sie aber nicht davon ab, es zu tun, wenn sie in die Kirche ging. Sie sang zwar sehr laut, aber immer nur auf dem selben Ton." 

"Sing along with the common people.
Sing along and it might just get you through."
(Pulp: "Common People") 
 

"Sing mit dem einfachen Volk.
Sing mit, vielleicht hilft es dir ja." 

Metaphern für den Aufstieg, der unerreichbar ist

Ein Mann sitzt unter einem Gemälde
"Alles stand im sanften Schatten der Beatles." | Bild: Universal Music

"Die Beatles waren am Tag meiner Geburt die Nummer eins in den Charts", sagt Jarvis Cocker. "All meine prägenden Jahre standen im sanften Schatten der Beatles. Und was die Beatles damit sagten, war: Auch normale Arbeiter können etwas schaffen. Man muss nicht einfach in einer Fabrik arbeiten und mit 40 an giftigen Dämpfen sterben. Man kann etwas erschaffen. Nicht nur etwas, das so gut ist wie Hochkultur-Kunst. Sondern etwas, das sogar noch besser ist." 

Auf dem neuen Album gibt es viele innere Monologe. Jarvis Cocker zeigt sich porös. Trifft einen. Doch. Die Hits der 90er: Helden-Stories aus der Unterschicht. Oft geht es um eine Frau, die unerreichbar ist. Als Metapher für den Aufstieg, der unerreichbar ist. Leiden an der Klasse, die nicht verlassen werden kann. 

"Irony is over", sang Jarvis Cocker vor 27 Jahren

Ein Mann brüllt in ein Mikrofon
Cocker singt von Liebe und Tod. | Bild: BR

"Humor ist eine Möglichkeit, Dinge erträglich zu machen", sagt Jarvis Cocker. "Wenn du etwas in einen Witz verwandeln kannst, kann es dir nicht mehr so weh tun. Man braucht Humor im Leben. Sonst stirbt man unglücklich. Jeder stirbt am Ende. Jedes Menschenleben ist in dieser Hinsicht eine Tragödie. Also kannst du es genauso gut genießen, solange du noch lebst. Leben ist jeden Fall besser als die Alternative: zu sterben."

"Irony is over", sang Jarvis Cocker vor 27 Jahren. Und natürlich war auch das Ironie. Heute singt er von Liebe und Tod. Bisschen ironisch. Öfter traurig. Immer: Groß.

Autor: Andreas Krieger

Stand: 25.05.2025 20:38 Uhr

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Bayerischer Rundfunk
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