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An der Front

Der ukrainische Fotograf Maxim Dondyuk

PlayIm ukrainischen Kriegsgebiet
An der Front: Der ukrainische Fotograf Maxim Dondyuk  | Video verfügbar bis 04.06.2024 | Bild: Maxim Dondyuk

Maxim Dondyuk ist Fotokünstler, kein Kriegsfotograf. Und doch haben ihn die Ereignisse in seiner ukrainischen Heimat zum Kriegsfotografen gemacht. Seine aktuellen Aufnahmen aus der hart umkämpften Stadt Bachmut im Donbass sind erschütternd. Sie geben uns einen Einblick in ein Inferno, das tief an unsere archetypischen Ängste rührt. ttt hat Maxim Dondyuk in Lviv getroffen.

"Ich arbeite wie ein Maler"

Maxim Dondyuk
Der Fotograf und Künstler Maxim Dondyuk | Bild: WDR

1983 in der ukrainischen Stadt Slavuta geboren, hat sich Maxim Dondyuk international einen Namen mit Dokumentaraufnahmen und -filmen gemacht – unter anderem über eine Tuberkuloseepidemie in der Ukraine, Kindersoldaten auf der Krim und die Sperrzone rund um das Kernkraftwerk Tschernobyl. Dort hat er auch begonnen, ein Archiv aus Fotos aufzubauen, die er in Ruinen und verlassenen Häusern fand. Seit 2014 fotografiert er den Krieg in seiner Heimat. Magazine wie der "Spiegel", das "Time Magazine", der "New Yorker", "Paris Match" , „ Die Zeit“ oder "Geo" veröffentlichen seine Bilder.

2014 war er auf dem Maidan dabei und dokumentierte den Aufstand, die Gewalt, mit der sich Polizei und Demonstranten bekämpften. Seine Fotografien sind schonungslos. Und doch vermitteln sie nicht nur Fakten, sondern auch ein Gefühl für die Atmosphäre. "Meine Fotos spiegeln, was ich fühle", sagt er. "Ich arbeite eher wie ein Maler. Man sieht etwas, aber kann es nicht erklären, weil es um Gefühle geht."

"Ich habe Angst vor dem Krieg"

Im ukrainischen Kriegsgebiet
Soldatenalltag | Bild: Maxim Dondyuk

Eigentlich wollte er nie wieder zurück an die Front. Zweimal wurde er während des Donbass- Konflikts verletzt und zog sich traumatisiert in ein Kloster in Asien zurück. Meditierte. Die russische Invasion im Februar 2022 aber hat auch für ihn noch einmal alles verändert. Gleich zu Beginn des Krieges hat ihn der Anblick eines sechsjährigen Jungen erschüttert, der einem Bombenangriff auf Kiew zum Opfer fiel. "Es war das erste verwundete Kind des Krieges, das ich gesehen habe. Es war mit einer weißen Decke bedeckt, und als der Arzt sie hochhob, lag es da wie ein kleines sechsjähriges Jesus-Kind. Es ist in derselben Nacht gestorben. Ein Kind!  - Was hat es Russland getan?"

Seither ist er fast ununterbrochen im Einsatz. Er reist an die Front, lebt wochenlang mit den Soldaten, teilt ihren Alltag, schläft im Schützengraben und spürt ihre Furcht, wenn der Beschuss durch die feindliche Artillerie einsetzt. "Klar habe ich Angst vor dem Krieg. Aber an der Front musst du dich unter Kontrolle haben, darfst der Angst nicht nachgeben. Sonst paralysiert sie dich und bringt dich um. Ich weiß nicht, wie es passiert, aber an allen gefährlichen Orten, auch an der Front klappt ein Schalter in meinem Kopf um und ich schaue nur noch durch die Kamera."

Die Hölle von Bachmut

Zuletzt war er zwei Wochen in Bachmut. Seine Fotos dokumentieren die Zerstörung – mal aus der Distanz mit einer Drohne aufgenommen, mal ganz nah mit einem 35-Millimeter-Objektiv.  Nicht alles darf er zeigen. Die Armee gibt 50 Prozent seiner Fotos nicht frei, weil sie zu viel über die ukrainischen Stellungen verraten könnten. Und doch sieht er einiges, was die Armee lieber nicht zeigen will: "Die ukrainische Armee hält so einiges geheim. Ich war schockiert, als ich in Bachmut die Männer getroffen habe, die auf dem Weg zu ihrer Arbeit eingezogen wurden und danach quasi ohne Ausbildung direkt an die Front geschickt wurden. Natürlich will ich darüber reden, auch mit den Kommandeuren, den Generälen. Wenn sie mir sagen, dass ich das verschweigen soll, sage ich: Fuck off. Wir kämpfen doch für die Demokratie. Wir müssen darüber reden." Für ihn ist klar: Der Krieg kennt keine Gewinner.

Für wenige Wochen bis zum nächsten Einsatz ist er zu Hause in Lviv.  Gemeinsam mit seiner Frau bereitet er sein Fotobuch "Wounded Land" vor, das im Herbst bei Buchkunst Berlin erscheint. "Solange der Krieg dauert, bin ich Kriegsfotograf. Ein ukrainischer Kriegsfotograf. Denn ich träume wahrlich nicht davon, die Kriege in anderen Ländern zu dokumentieren. Ich bin nicht neugierig auf Krieg, ich verabscheue ihn. Und eigentlich fotografiere ich, um den Krieg zu stoppen."

Autorin des TV-Beitrags: Petra Dorrmann 

Die komplette Sendung steht am 04. Juni ab 20 Uhr zum Abruf in der Mediathek bereit.

Stand: 04.06.2023 18:20 Uhr

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Produktion

Westdeutscher Rundfunk
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