So., 09.07.23 | 23:05 Uhr
Ausstellung "African Photography"
Künstler entdecken ihren Kontinent neu
Afrikanische Fotokunst der Gegenwart – das ist das Thema einer großen Überblicksausstellung in der Tate Modern in London, die bis zum 14. Januar 2024 zu sehen ist. Sie präsentiert 36 Künstlerinnen und Künstler aus den urbanen Zentren von Simbabwe, Senegal, Nigeria oder Äthiopien. Ihre Werke zeigen, wie sie ihr ganz persönliches Afrika sehen, wie kulturelle Erzählungen über Grenzen und Zeiten hinweg entstehen und sich gegenseitig befruchten. "Wir wollten die Timeline einer traditionellen Ausstellung zeitgenössischer afrikanischer Fotografie durchbrechen", sagt Osei Bonsu, der Kurator der Ausstellung. "Es beginnt mit Künstlern, die in die vorkoloniale Geschichte und sogar noch weiter zurückblicken. Ich würde sagen, es ist eine Möglichkeit, auf die Vergangenheit und Gegenwart und sogar auf die Zukunft zu blicken durch dieses tiefere Eintauchen in die Geschichte."
Perspektivwechsel
Seit ihrer Erfindung im 19. Jahrhundert hat die Fotografie eine entscheidende Rolle für die Selbst-, vor allem aber für die Außenwahrnehmung Afrikas gespielt. Über viele Jahrzehnte dominierte der westliche Blick auf Geschichte, Alltag, Kultur und Traditionen des Kontinentes. So entstand mithilfe der Fotografie ein eurozentrisches Bild afrikanischer Gesellschaften, das bis heute die westliche Vorstellung prägt.
Die Ausstellung "A World in Common" wechselt die Perspektive. Sie konzentriert sich auf die afrikanische Auseinandersetzung mit kulturellem Erbe und Identität und zeigt damit, wie eng verbunden Afrika mit der globalen Welt ist.
Rund 100 Objekte in sieben Werkgruppen präsentieren alternative Geschichten, Erzählungen und Formen der Annäherung. Zu sehen sind historische und aktuelle Aufnahmen, königliche Porträts ebenso wie Familienbilder, Studioaufnahmen und Schnappschüsse, Landschaften und Städte, rituelle Treffen und spirituelle Praktiken.
Ein Beispiel für die große Bedeutung der Spiritualität sind die Selbstporträts von Khadija Sayé aus Gambia. Sie lebte in London und starb 2017 mit 24 Jahren beim Brand des Grenfell Towers. Ihre Selbstporträts wurden gerettet und sind jetzt in der Ausstellung zu sehen. "Sie war eine äußerst vielversprechende Künstlerin", sagt Osei Bonsu. Ihre Fotografien, für die sie ein altes Verfahren aus dem 19. Jahrhundert verwendete, sind eine Hommage an traditionelle gambische Heilungsrituale. "Ich denke, ihre Arbeit lebt weiter – unabhängig von den tragischen Umständen ihres Todes."
Gemeinsamkeiten des Kontinents
Die Künstlerin Zohra Opoku war lange in Berlin und lebt jetzt in Ghanas Hauptstadt Accra. Ihre Aufnahmen von Second-Hand-Kleidung hat sie auf traditionelle Wandteppiche projiziert. "Ich wollte verstehen, warum diese Dinge, die ich aus Deutschland kenne, irgendwo in einer ländlichen Gegend in Ghana landen", sagt sie. "Diese Unmengen von Altkleiderspenden haben in meinen Augen die lokale traditionelle Textilindustrie zerstört, die viel schöner war, weil sie das Handwerk, die Farben und die Kultur Ghanas wirklich zum Ausdruck brachte."
Ähnlich wie Zohra Opoku thematisieren auch der Senegalese Fabrice Monteiro und die Äthiopierin Aïda Muluneh die Krisen und Probleme des Kontinents – Müll, Wasserverschmutzung, Trockenheit, Urbanisierung etc. So unterschiedlich die Künstlerinnen und Künstler sind, "es gibt in dieser Ausstellung", so Osei Bonsu, "ein sehr starkes Engagement, über die Gemeinsamkeiten des afrikanischen Kontinentes nachzudenken".
Autorin des TV-Beitrags: Hilka Sinning
Die komplette Sendung steht am 09. Juli ab 20 Uhr zum Abruf in der Mediathek bereit.
Stand: 10.07.2023 07:54 Uhr
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