SENDETERMIN So., 09.07.23 | 23:05 Uhr

"Generation Crash"

Ost-Millennials erzählen ihre Geschichte

Robert Ohde und Benjamin Succow, Szene aus "Generation Crash"
Robert Ohde und Benjamin Succow | Bild: MDR/Schulz & Wendelmann

Noch zur DDR-Zeit geboren, aber nach der Wende groß geworden: Das verbindet die sieben Protagonisten aus dem ARD-Zweiteiler "Generation Crash. Wir Ost-Millennials". Dem Filmemacher Nils Werner haben sie ihre zum Teil traumatischen Erfahrungen erzählt. Die beiden jeweils 45-minütigen Folgen sind in der ARD-Mediathek zu sehen.

"Permanente Bedrohungslage"

Anna Stiede, Szene aus "Generation Crash"
Anna Stiede | Bild: MDR/Schulz & Wendelmann

Hendrik Bolz, Katharina Warda, Anna Stiede, Andy Zirnstein, Robert Ohde, Benjamin Succow und Tucké Royale waren noch sehr jung, als der Staat, in dem sie geboren wurden, verschwand und der Alltag sich von Grund auf änderte. "Mit uns hat nie jemand über dieses Land gesprochen und darüber, warum alles um uns herum so grau und trist war", sagt die Politikwissenschaftler Anna Stiede, 1987 in Jena geboren, hat sie sich wie viele aus ihrer Generation mit Mitte 20 selbst auf die Suche nach Antworten gemacht.

So unterschiedlich ihre Geschichten sind, so verbindet sie doch eins: Sie alle empfanden ein Grundgefühl von Angst und Ohnmacht, eine permanente Bedrohungslage, die sie nicht einordnen konnten. Dass es einen großen Crash gab und die "Treuhand" die Deindustrialisierung des Ostens vorantrieb, wurde ihnen erst im Nachhinein klar. Was sie damals hautnah erlebten, das waren die Folgen der Arbeitslosigkeit und die existenzielle Verunsicherung der Erwachsenen. Ihre Versuche, als Teenager in ihrer Heimat eine subkulturelle Gegenwelt aufzubauen, kollidierten regelmäßig mit der brachialen Realität um sie herum: mit der Gewalt der Neonazis und dem Unverständnis der Erwachsenen, die konsequent wegschauten und sogar den Bedrohten die Schuld gaben. Nils Werner begleitet seine Protagonisten auf eine Reise, die sie mental und real zurück an die Orte ihrer Kindheit und Jugend führt.

Aufwachsen im Ausnahmezustand

Anna Stiede setzt sich sowohl in ihrer politischen Bildungsarbeit als auch mit dem Theaterkollektiv "Panzerkreuzer Rotkäppchen" mit der "Ost-Abwicklung" durch die Treuhand auseinander.

Katharina Warda, Szene aus "Generation Crash"
Katharina Warda | Bild: MDR/Schulz & Wendelmann

Katharina Warda, Jahrgang 1985, ist Soziologin und Autorin des Projektes "Dunkeldeutschland". Sie spricht aus der Perspektive einer Schwarzen Ostdeutschen über Rassismus, über ihre Angst vor rechter Gewalt und ihre Erfahrungen als Kind von Wendeverlierern.

Ausgrenzung hat auch der 1988 geborene Rapper Andy Zirnstein alias "Der Asiate" erlebt. "Ich hatte schon sehr viele Probleme mit Rechten", sagt der Sohn eines Vietnamesen und einer Deutschen. Es habe damals ein Ausnahmezustand geherrscht, den er – wie die meisten aus seiner Generation – für Normalität gehalten habe.

Tucké Royale, Schauspieler und Regisseur ("Neubau") schildert die Bedrohung, der er als queerer Jugendlicher in seiner Heimatstadt Quedlinburg ausgesetzt war.

Hendrik Bolz, die eine Hälfte des Hip-Hop-Duos "Zugezogen", hat über seine Erinnerungen an das Erwachsenwerden in Stralsund den Bestseller "Nullerjahre – Jugend in blühenden Landschaften" geschrieben. Das Fazit des heute 35-Jährigen: Es ging immer darum, entweder zu fressen oder gefressen zu werden.

Robert Ohde und Benjamin Succow erinnern sich an ihre Zeit in einer Hip-Hop-Band, die im Zentrum des 2007 erschienenen preisgekrönten Films "Preußisch Gangstar" stand.

Radikaler Umbruch

Nils Werner, Regisseur von "Generation Crash"
Regisseur Nils Werner | Bild: WDR

"Generation Crash" gibt einen authentischen Einblick in eine Erfahrungswelt, die bestimmt war von einem radikalen Umbruch: von Deindustralisierung und Arbeitslosigkeit, von anarchischen Zuständen und rechter Gewalt, von massenhafter Abwanderung und Abwertungserfahrung. Wie man es trotzdem schafft, seinen Weg zu gehen, und welche Bedeutung der Osten nach wie vor für die eigene Identität hat – davon erzählen die sieben Protagonisten.

Buchtipp

Hendrik Bolz: Nullerjahre.
Jugend in blühenden Landschaften
Kiepenheuer & Witsch 2022, Preis: 14 Euro

Autor des TV-Beitrags: Peter Scharf

Die komplette Sendung steht am 09. Juli ab 20 Uhr zum Abruf in der Mediathek bereit.

Stand: 10.07.2023 08:00 Uhr

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