SENDETERMIN So., 15.10.23 | 23:20 Uhr | Das Erste

Augenzeuge der Geschichte

Der armenische Fotograf Vaghinak Ghazaryan

PlayVaghinak Ghazaryan, Foto Bergkarabach
Der armenische Fotograf Vaghinak Ghazaryan  | Bild: Vaghinak Ghazaryan

19. September 2023: Der Militärangriff Aserbaidschans auf Bergkarabach dauerte 24 Stunden und endete mit der Auflösung der selbst ernannten Republik Arzach. Am 1. Januar 2024 wird sie offiziell aufhören zu existieren.

Doch die rund 120.000 armenischen Einwohner Bergkarabachs haben bereits jetzt ihre Heimat verloren. Ein großer Teil ist geflohen. Experten erwarten, dass kaum jemand in der Region bleiben wird. Der armenische Fotograf Vaghinak Ghazaryan hat den erzwungenen Exodus mit seiner Kamera dokumentiert. ttt hat ihn in Eriwan getroffen.

Jahrhundertealter Konflikt

Vaghinak Ghazaryan, Foto Bergkarabach, kaputte Pistole
Zeugnis des Kampfes | Bild: Vaghinak Ghazaryan

Der Konflikt um die völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehörende Region Bergkarabach (seit 2017 Republik Arzach) schwelte seit Jahren. Die Wurzeln reichen weit in die Geschichte zurück. Zugespitzt hatte sich die Lage nach dem Zerfall der Sowjetunion. Die überwiegend von Armeniern bewohnte Region erklärte sich 1991 nach einem international nicht anerkannten und von der aserbaidschanischen Minderheit boykottierten Referendum für unabhängig. Zweimal kam es zum Krieg, zuletzt 2020. Damals hatte das mit Armenien verbündete Russland nach sechswöchigen Kämpfen mit mehr als 6.500 Toten ein Waffenstillstandsabkommen vermittelt, das Bergkarabach zur Aufgabe großer Gebiete zwang.

"In den Gebieten, die Aserbaidschan bereits 2020 zurückerobert hatte, wurde unser Erbe zuerst umbenannt, dann teilweise oder ganz zerstört", sagt Vaghinak Ghazaryan. "Zum Beispiel wurden Kreuze abgebrochen, Denkmäler zerstört. In der Stadt Schuschi wurde die Kathedrale zu einer Moschee umfunktioniert." In den letzten Monaten nahmen die Spannungen zu, nachdem Aserbaidschan den einzigen Korridor zwischen Bergkarabach und Armenien abgeriegelt und ab Juni jegliche Hilfslieferungen blockiert hatte.

Teil einer anderen Wirklichkeit

Bereits 2020 begann Vaghinak Ghazaryan, mit seiner Kamera eine Art Kriegstagebuch zu führen und die intimen Momente am Rande des Krieges festzuhalten. Für seine Aufnahme eines schlafenden armenischen Soldaten an der Front wurde er 2021 mit dem World Press Award ausgezeichnet. 

Als in den letzten Tagen im September der große Exodus der Bergkarabach-Armenier begann, reiste er sogleich aus der armenischen Hauptstadt Eriwan an die aserbaidschanische Grenze. "Das war wie eine innere Pflicht für mich, ein Seelenruf", sagt er.

Der Fotograf Vaghinak Ghazaryan
Der Fotograf Vaghinak Ghazaryan | Bild: WDR

Seine Videos zeigen, wie die Armenier vor der Flucht ihre Häuser niederbrennen. Und er fotografiert Gegenstände aus dem Besitz gefallener Soldaten, die ihren Müttern übergeben werden. "Für mich hat das auch etwas Schützendes. Wenn ich arbeite, ertrage ich die Ereignisse besser. Der Schmerz lässt nach, weil man Teil einer anderen Wirklichkeit wird." Vaghinak Ghazaryans ausdrucksstarke Fotos und Videos ergreifen Partei. Von Heldenverehrung im klassischen Sinne ist allerdings nichts zu spüren. "Für mich ist der Mensch, den ich fotografiere, ein Held. So wie in der Literatur der Protagonist der Held und Handlungsträger ist."

Die Republik Arzach hat aufgehört zu existieren. Dass damit aber der Dauerkonflikt beendet ist, darf bezweifelt werden.

Autorinnen des TV-Beitrags: Marion Ammicht/Petra Dorrmann

Die komplette Sendung steht am 15. Oktober ab 20 Uhr zum Abruf in der Mediathek bereit.

Stand: 15.10.2023 18:44 Uhr

3 Bewertungen
Kommentare
Bewerten

Kommentare

Kommentar hinzufügen

Bitte beachten: Kommentare erscheinen nicht sofort, sondern werden innerhalb von 24 Stunden durch die Redaktion freigeschaltet. Es dürfen keine externen Links, Adressen oder Telefonnummern veröffentlicht werden. Bitte vermeiden Sie aus Datenschutzgründen, Ihre E-Mail-Adresse anzugeben. Fragen zu den Inhalten der Sendung, zur Mediathek oder Wiederholungsterminen richten Sie bitte direkt über das Kontaktformular an die ARD-Zuschauerredaktion: https://hilfe.ard.de/kontakt/. Vielen Dank!

*
*

* Pflichtfeld (bitte geben Sie aus Datenschutzgründen hier nicht Ihre Mailadresse oder Ähnliches ein)

Kommentar abschicken

Ihr Kommentar konnte aus technischen Gründen leider nicht entgegengenommen werden

Kommentar erfolgreich abgegeben. Dieser wird so bald wie möglich geprüft und danach veröffentlicht. Es gelten die Nutzungsbedingungen von DasErste.de.

Sendetermin

So., 15.10.23 | 23:20 Uhr
Das Erste

Produktion

Westdeutscher Rundfunk
für
DasErste