SENDETERMIN So., 15.10.23 | 23:20 Uhr | Das Erste

Mörderische Beziehung

Justine Triets Gerichtsthriller "Anatomie eines Falls"

PlaySandra Hüller in der Rolle der verdächtigten Ehefrau
Justine Triets Gerichtsthriller "Anatomie eines Falls" | Bild: Les Filmes Pelléas, Les Filmes de Pierre

Er ist ein Gerichtsdrama und doch viel mehr: Justine Triets Spielfilm "Anatomie eines Falls". Die raffinierte Geschichte um eine Schriftstellerin, die sich vor Gericht gegen den Vorwurf des Mordes an ihrem Mann verteidigen muss, wurde in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet. Bei der Deutschlandpremiere auf dem Hamburger Filmfest erhielt die Hauptdarstellerin Sandra Hüller den renommierten Douglas-Sirk-Preis. Am 2. November kommt "Anatomie eines Falles" in die deutschen Kinos. ttt hat mit der Regisseurin gesprochen.

Chronik eines angekündigten Todes?

"Anatomie eines Falles": ein Toter wird im Schnee aufgefunden
Unfall? Selbstmord? Mord? | Bild: Les Filmes Pelléas, Les Filmes de Pierre

Seit fast zwei Jahren leben Sandra, eine deutsche Schriftstellerin, ihr französischer Ehemann Samuel und ihr elfjähriger stark sehbehinderter Sohn Daniel zurückgezogen in einem kleinen Ort in den französischen Alpen. An einem strahlenden Tag wird Samuel am Fuße ihres Chalets tot im Schnee gefunden. War es Mord? Selbstmord? Oder doch nur ein tragischer Unfall, bei dem Samuel aus dem dritten Stock auf das Vordach aufgeschlagen ist? Die Autopsie bringt kein klares Ergebnis. Die Polizei beginnt zu ermitteln, und Sandra wird zur Hauptverdächtigen. Es folgt ein aufreibender Indizienprozess, der nach und nach nicht nur die Umstände von Samuels Tod, sondern auch Sandras und Samuels Beziehung im Detail seziert. "Ich wollte das Leben dieser Frau und ihres Partners aufdecken in Form eines Gerichtsfilms, und die Zuschauer sollten die Rolle der Geschworenen einnehmen", sagt Justine Triet. "Alles sollte bis in die kleinsten Ecken und Winkel ausgeleuchtet werden, dabei die Hauptfigur mysteriös und schwer greifbar bleiben."

Szenen einer Ehe

Regisseurin Justine Triet
Regisseurin Justine Triet | Bild: WDR

Während des Prozesses kommen immer mehr intime Details einer ungleichen Beziehung ans Licht. Sie, eine berühmte Schriftstellerin, hat ihn betrogen. Er, erfolglos und frustriert, war tablettenabhängig. Beide stritten darüber, wer sich wie viel um das Kind zu kümmern hat, wer wem was schuldet. Die Verhandlung wird zu einer akribischen Auseinandersetzung mit Ehe und Familienleben, zur Rekonstruktion des Todestages, zum Austausch von be- und entlastenden Beweisen. "Die Ermittlungen im Film legen Schicht für Schicht die Abgründe dieser Familie frei. Aber anders als in dem meisten Gerichtsdramen, bei denen allmählich die Wahrheit zu Tage tritt, werden die Dinge hier immer komplexer. Je mehr man erfährt, desto weniger weiß man am Ende."

Schuldig oder nicht schuldig

Sandra Hüller brilliert in der Rolle der verdächtigten Ehefrau: "Ich hatte sie von Anfang an im Kopf, weil sie gleichzeitig freundlich und distanziert wirkt. Mir gefällt an ihr, dass sie nicht versucht, zu verführen. Sandra ist einfach sie selbst. Wir haben im Film so wenig Make-up wie möglich verwendet. Ein typisch weibliches Klischee hätte auch nicht zu ihrer Rolle gepasst." Bis zum Schluss bleibt ihre Figur ambivalent – selbst als ein überraschend auftauchender Mitschnitt eines Streites ihre Schuld zu beweisen scheint. "Seltsamerweise schafft es Sandra, obwohl sie in dieser Szene ziemlich unsympathisch wirkt, die Mehrheit der Zuschauer auf ihre Seite zu ziehen. Viele haben mir gesagt, dass sie im Kinosaal zu ihr gehalten haben. Das scheint paradox, aber Sandra strahlt etwas zutiefst Menschliches aus. Sie argumentiert, weiß sich zu verteidigen".

Eine Auflösung gibt es bis zum Schluss nicht. Ob schuldig oder nicht schuldig? Das bleibt in der Schwebe – und jeder ist frei, sich selbst ein Urteil zu bilden.

Autorin des TV-Beitrags: Hilka Sinning

Die komplette Sendung steht am 15. Oktober ab 20 Uhr zum Abruf in der Mediathek bereit.

Stand: 15.10.2023 18:44 Uhr

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Produktion

Westdeutscher Rundfunk
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