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Machtkampf im All

Wie USA, China, Russland, Musk und Co. im Weltraum um Einfluss kämpfen

Machtkampf im All | Video verfügbar bis 11.05.2027 | Bild: European Space Agency

Die Erde als „apokalyptischer Körper“

Was ist da draußen? In dieser unvorstellbaren Unendlichkeit. Gerade findet ein regelrechter Kampf ums Weltall statt. Es geht um geopolitische Einflusssphären und: viel, viel Geld.

„Wir erleben eine Renaissance der Raumfahrt unter anderen Vorzeichen, nämlich der privatisierten Raumfahrt und des privatisierten Kapitals, des Privatkapitals, das nun den Raum erkundet“, sagt Philosoph Jan Völker.

 Wem gehört der Weltraum? Tech-Investoren revolutionieren gerade die Raumfahrt: schicken Raketen, Satelliten und überreiche Space-Touristen in die Schwerelosigkeit. Aber das ist erst der Anfang: Sie arbeiten am Zeitalter der Kolonisierung des Alls.

„Ich denke, dass ein Moment, was diese privatisierte Raumfahrt momentan auszeichnet, im Grunde ist, dass sie versucht, die Erde hinter sich zu lassen, sie aufzugeben im Grund. Sie ist in diesem Projekt aufgegeben. Sie ist eigentlich schon als der apokalyptische Körper ausgezeichnet, von dem wir uns losmachen müssen und aufbrechen müssen zu neuen Planeten, neuen Lebensformen, die es der Spezies Mensch ermöglichen, weiterzuleben, nachdem die Erde... im Grunde verbraucht worden ist“, so Jan Völker weiter

„Space Race“ oder Die Eroberungsfantasie reicher Männer

Es ist die Logik des Hyperkapitalismus: Wenn planetare Grenzen ausgeschöpft sind, müssen neue erschlossen werden. Und auch die Weltmächte liefern sich einen Wettlauf. Im All spiegeln sich die geopolitischen Konflikte um Einfluss und Ressourcen.

„Zu den dominierenden Staaten im aktuellen Space Age, also im aktuellem Weltraumzeitalter, gehören sicherlich nach wie vor die USA und Russland, aber man kann sehen, dass gerade China eigentlich Russland bereits überholt hat und gegenwärtig mit den USA zu den führenden Akteuren im Weltraum gehört“, erklärt die Politikwissenschaftlerin und Sicherheitsexpertin Andrea Rotter.

Das „Space Race“ ist auch eine Eroberungsfantasie reicher Männer: Während Jeff Bezos den Weltraumtourismus vorantreibt, will Elon Musk fremde Planeten besiedeln. Und ist längst auf dem Weg, die Vorherrschaft im All zu übernehmen.

„Allerdings muss man auch sagen, gibt es sehr viele kleine Start-up-Firmen, Programme, Ideen, die ihrerseits nun mit ganz, ganz neuen Vorhaben Geld einsammeln, um die dann eines Tages zu realisieren. Beispielsweise ein Fernsehstudio im All“, sagt Jan Völker. „Beispielsweise die Ressourcen-Erschließung auf Asteroiden.“

„Ein wesentlicher Faktor, warum gerade im Privat-Sektor-Bereich sehr viel im Weltraum passiert, ist, dass es sich hierbei um einen unglaublichen Wachstumsmarkt handelt. Das World Economic Forum geht davon aus, dass bis 2035 dieser Markt 1,8 Billionen erreichen wird“, sagt Andrea Rotter.

Ressourcen aus dem All

Es geht dabei vor allem um das sogenannte „Space Mining“. Viele Asteroiden bergen Platin und andere Rohstoffe von unschätzbarem Wert. Seit Jahren wird daran geforscht.

„Was den Ressourcenabbau auf einzelnen Asteroiden angeht, gibt es im Grunde momentan zwei Tendenzen. Also die eine Tendenz zielt darauf, bestimmte Edelmetalle, die dort in reichen Mengen vorhanden sind, abzubauen, um sie auf die Erde zu bringen und hier eben gewinnbringend einzusetzen“, sagt Jan Völker. „Die andere Variante, was die Frage der Ressourcen angeht, ist eben die Frage des gebundenen Wasserstoffes, um den möglichst frei zu setzen und als weitere Triebkraft wie eine Art Tankstelle für die längeren Flüge einsetzen zu können. Das heißt, da würden dann bestimmte Ressourcen im All gewonnen, um sie dort auch zugleich wieder einzusetzen für die weiteren Flüge.“

Noch ist der Bergbau hier nicht möglich. Aber es gibt viele Interessenten, die das All als unendliches Rohstoffdepot sehen. Und daran verdienen wollen, auch weil es noch keinen eindeutigen Rechtsrahmen dafür gibt. Wem gehört der Mond? Wem das Helium-3, das hier in großen Mengen vorkommen soll? Und das man brauchen könnte für Energiegewinnung. 

 „Ich denke, das, was wir sehen, was sich vollzieht, ist eine Weiterentwicklung des Kapitalismus, die zu einer neuen Qualität des Kapitalismus führt und die sich in einer in gewisser Weise obszönen Form vor unseren Augen vollzieht, weil wir im Grunde zum ersten Mal vollkommen dabei zuschauen können, also wir können in den Himmel schauen und wir können die Bilder sehen und wir sehen was geschieht und wir aber gleichzeitig auch, dass eine Teilhabe an dieser Form von neuer Welt und neuem Kapitalismus für uns nicht mitgemeint und nicht mitgedacht ist“, so Philosoph Jan Völker weiter.

Abhängigkeit von „Space X“

Was verändert sich an unserem Blick auf die Erde, wenn wir zunehmend in den Himmel streben? Auch darum geht es in Jan Völkers neuem Buch: „Ein Weltall des Kapitals“. Welchen Einfluss hat die Eroberung des Alls auf unsere Vorstellungen von Vernunft, Moral und den Wert allen Lebens auf der Erde?

Längst wird schon aus dem All über Leben und Tod entschieden. Kriege mit Hilfe privater Weltraumtechnik geführt. Wie in der Ukraine, die von Musks Starlink-Satelliten abhängig ist.

„Und da erleben wir diese Übertragung staatlicher Macht an private einzelne Personen. Also sie ist halt nicht mehr kontrollierbar, diese Macht“, meint Jan Völker. „Sie ist nicht mehr demokratisch kontrolliert, sie ist nicht demokratisch eingefasst, sondern sie liegt in den Hände derer, die dann eben das Vermögen dazu besitzen.“ 

Die Mehrzahl der Satelliten im Erdorbit gehören zur Starlink-Flotte von Elon Musk. Und: Immer mehr staatliche Raumfahrtprogramme sind nicht mehr ohne seine „Space X“-Technik möglich. Das betrifft auch europäische Sicherheitsinteressen.

„Mit einer gestiegenen Abhängigkeit geht natürlich auch eine gestiegene Verwundbarkeit und sollte man das denn auch wollen, eine gestiegene Erpressbarkeit mit einher. Das gilt vor allem auch für uns Europäer. Deswegen sollten wir uns gerade darauf fokussieren, unsere Abhängigkeiten abzubauen“, findet Sicherheitsexpertin Andrea Rotter.

Andrea Rotter befasst sich mit Fragen der Weltraumsicherheit. Auch vor dem Hintergrund nuklearer Bedrohung. Laut NATO-Informationen prüft Russland aktuell die Stationierung von Atomwaffen im All. Einen Weltraum-Krieg hält Andrea Rotter dennoch für eher unwahrscheinlich. Denn schon eine einzige Detonation hätte verheerende Folgen.

„Wenn wir an unseren Alltag denken, sind wir eigentlich fast bei jeder Tätigkeit irgendwie von satellitengestützter Infrastruktur abhängig, sei es der Wetterbericht, sei es GPS-Navigation im Auto, sei es, wenn wir Geld abheben vom Bankautomaten“, so Andrea Rotter weiter. „Und dass wir diese unglaubliche Abhängigkeit Tag für Tag haben, ohne dass uns das bewusst ist, während gleichzeitig über unseren Köpfen eben diese Art geopolitische Rivalität ausgetragen wird und das Wettrüsten erfolgt, das überrascht mich tatsächlich sehr, dass es da noch nicht wesentlich mehr Aufmerksamkeit in diesem wichtigen Bereich gibt.“

Aufbruch in unendliche Weiten

Der technologische Fortschritt in der Raumfahrt ist enorm. Ja – auch dank privater Tech-Konzerne und ihrer gigantischen Investitionen in die Forschung.

„Es sollte uns aber deutlich machen, denke ich, dass es dringend an der Zeit ist, diese Projekte kritisch zu hinterfragen. Und dass es dringend an der Zeit ist, sich klarzumachen, dass das Kapital nicht darauf wartet, ob die Erde gerettet werden wird, ob sie überleben wird, wie sie mit ihrer eigenen apokalyptischen Zukunft umgehen wird, sondern diese Aufgabe wird an anderer Stelle beantwortet werden müssen“, sagt Jan Völker.

Aufbruch in unendliche Weiten. Für Immanuel Kant war es der Blick in den bestirnten Himmel, der ihn, voller Ehrfurcht, auf sich selbst zurückwarf. Nun blicken wir selbst aus immer weiterer Ferne auf die Erde zurück. Was sehen wir?


Beitrag: Alexander C. Stenzel

Jan Völker: „Ein Weltall des Kapitals“, Verlag Matthes & Seitz, 180 Seiten, 15 Euro, erscheint am 22. Mai 2025.

Stand: 12.05.2025 07:56 Uhr

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