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Der Magier aus Johannesburg

Dresden und Essen feiern William Kentridge

Dresden und Essen feiern William Kentridge | Video verfügbar bis 31.08.2027 | Bild: dpa / Oliver Berg

Mit Animationen aus Kohlezeichnungen, in denen er die brutale Geschichte seiner südafrikanischen Heimat während der Apartheid aufarbeitete, wurde William Kentridge international bekannt. Der 1955 in Johannesburg geborene Anwaltssohn mit litauisch-jüdischen Wurzeln ist heute ein Weltstar. Sein komplexes Werk behandelt meist politische Themen, die er mit einer einzigartigen Technik aufbereitet. Er zeichnet, filmt, konzipiert und inszeniert. Immer wiederkehrend dabei: Das Megafon. Anlässlich seines 70. Geburtstags widmen ihm das Folkwang Museum in Essen und die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden eine Doppelausstellung: "Listen to the Echo". ttt hat William Kentridge in Johannesburg getroffen und war beim Aufbau der Ausstellungen dabei.

Zwei Ausstellungen zum Geburtstag

Er liebt Prozessionen. Und hat wirklich lustige Ideen. Obwohl es ihm immer sehr ernst ist: Postkolonialismus, Antiapartheid und soziale Gerechtigkeit sind seine Themen. Damit ist William Kentridge berühmt geworden. Als Zeichner, Trickfilmer, Künstler und Regisseur. "Ich sehe Kunst nicht als etwas, das Gesetze oder die Gesellschaft verändert, sondern als etwas, das für unsere Identitätskonstruktion unverzichtbar ist", meint der Künstler. Was schenkt man so jemandem zum Geburtstag? Einem Künstler, der mit 70 Jahren noch vor Ideen sprüht und immer weiter arbeitet? Eine Ausstellung. Oder am besten gleich zwei. In Essen und in Dresden. "Listen to the Echo", in Ost und West.


Späte Entdeckung des Ostens

In Essen war er schon öfter. Erst 2024 haben sie ihm dort den Internationalen Folkwang-Preis verliehen. Aber in Dresden? Da hat es eine Weile gedauert, bis er das Echo gehört hat: "Während die DDR existierte, durften Südafrikaner nicht nach Osteuropa. Das war Teil der Anti-Apartheid-Politik", erklärt er. Das Ende der Apartheid und die Entlassung Nelson Mandelas fielen mit dem Ende des Kalten Krieges zusammen. Die Öffnung Südafrikas und die Wende in Deutschland passierten nahezu zeitgleich.

Kampf um Gerechtigkeit

William Kentridge wuchs als privilegierter Weißer unter dem Apartheid–Regime  in Johannesburg auf. Wo er bis heute lebt. Die Eltern waren prominente Anti-Apartheid-Anwälte, die Schwarze verteidigten. Vater Sidney verteidigte unter anderem Nelson Mandela. Der Sohn führt diesen Kampf um Gerechtigkeit für die Opfer von Rassismus und Kolonialismus in seiner Kunst fort: "Die Themen sind ähnlich. Es geht um ein grundsätzliches Interesse an der Welt und unsere Verantwortung dafür. Um Privilegien und was in der Welt möglich ist."

Orientiert am Dresdner Fürstenzug

Außenansicht Gebäude mit Relief
Der Fürstenzug auf der Außenwand des Stallhofs in Dresden | Bild: WDR

In Dresden haben sie ihm zum Geburtstag die Staatlichen Kunstsammlungen geöffnet. An drei Standorten werden seine Zeichnungen, Installationen und Filme zu sehen sein. Im Albertinum steht seine Installation "More sweetly play the Dance" den eigens dafür aufgerollten Vorzeichnungen für den Dresdner Fürstenzug gegenüber. Mit hundert Metern im Original die längste historische Prozession, die sie für ihn haben auftreiben können. Ein imposantes Echo aus alter Zeit. William Kentridge zeigt sich beeindruckt und zieht eine Verbindung in die Gegenwart: "Die Prozessionen der Könige an den Wänden des Gebäudes von denen jeder auf seinem prächtigen Pferd reitet, sind Prozessionen der Macht. Die Prozessionen, denen man heute weltweit begegnet – zu Fuß, weil das in vielen Teilen der Welt immer noch die wichtigste Fortbewegungsart ist – sind Prozessionen von Menschen, die vertrieben wurden. Sie sind der Kontrapunkt zu den Fürstenzügen."

Prozessionen und Demonstrationen

Menschen machen sich aus unterschiedlichen Gründen auf den Weg. Fast zeitgleich mit den Schwarzen in Johannesburg gingen 1989 in Dresden Ostdeutsche für ihre Freiheit auf die Straße. Vor zehn Jahren dann marschierte von dort aus Pegida los. Gegen Fremde. Und gegen die Vielfalt, für die Kentridges Werk steht. "Nicht jede Prozession ist eine ehrenvolle", meint der Künstler dazu, "eine Versammlung vieler Menschen kann sowohl für Öffnung stehen, als auch für extreme Gewalt und Autorität. Beides ist möglich. Und wir hoffen, dass die etwas anarchische Natur unserer Prozession auch eine Möglichkeit ist, die Welt zu betrachten."


Bezüge zu Südafrika

Übergroßes Megaphone
Megaphone in der Austellung "William Kentridge: Listen to the Echo" in Dresden | Bild: WDR

William Kentridges Durchbruch waren einst seine mit Kohle gezeichneten Animationsfilme. "Monument" zum Beispiel, in dem die Massen einem dubiosen Tycoon folgen, der in Kentridges Werk immer wieder auftaucht. Und dessen Zechen auch an Rhein und Ruhr gestanden haben könnten. "Beide Teile der Ausstellung, in Essen und in Dresden, befassen sich mit unterschiedlichen Berührungspunkten zu Südafrika. In Essen dreht sich vieles um Bergbau und Kolonialismus. In Dresden geht es um die Pracht und Zeremonien der Fürstenzüge", sagt Kentridge. Auch ein anderes Markenzeichen von ihm ist in Dresden allgegenwärtig: Das Megaphon. Das größte steht in der Puppentheatersammlung. Hier kann man kaum unterscheiden, welche Puppen von Kentridge oder aus der Sammlung stammen.

Autorin: Marion Ammicht

Ausstellungstipps
"
William Kentridge: Listen to the Echo"
04. September 2025 bis 18. Januar 2026
Museum Folkwang, Essen

06. September 2025 bis 15. Februar 2026
Staatliche Kunstsammlungen Dresden

Stand: 31.08.2025 17:30 Uhr

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