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Kampf um den Gips

Bagger beim Gipsabbau
Gipsabbau im Südharz | Bild: BR

Bei Gips denken wir erst mal an den Gipsverband, oder an Stuckdecken. Doch das häufig vorkommende Mineral ist vor allem ein wichtiger Rohstoff in der Bauindustrie – etwa in Form von Gipskartonplatten oder als Bestandteil von Zement. Gips heißt chemisch korrekt Calciumsulfat und ist vor vielen Millionen Jahren entstanden, durch Auskristallisieren von Meerwasser. Obwohl der Rohstoff eigentlich reichlich bei uns vorhanden ist, gibt es jetzt Streit um den Gips.

Die Gipslücke

Karte: Gipsabbau in Deutschland.
Gipsabbau in Deutschland | Bild: BR

70 Gips-Förderstätten gibt es derzeit in Deutschland. Der "Gips-Gürtel" zieht sich von Baden-Württemberg über Nordbayern bis in den Harz. In den Gruben und Bergwerken werden pro Jahr etwa vier Millionen Tonnen Gips gefördert, 40 Prozent der deutschen Jahresproduktion. Doch sechs Millionen Tonnen, 60 Prozent des deutschen Gipses, kommen aus Kohlekraftwerken. Dieser REA-Gips – Rauchgas Entschwefelungs-Anlagen Gips – entsteht bei der Reinigung der Kraftwerk-Abgase.  Die Rauchgase strömen durch einen sogenannten Wäscher. Hier werden sie mit in Wasser gelöstem Kalk besprüht, der Rauch wird entschwefelt. Dabei entsteht Calciumsulfat, also Gips, als hochwertiger und billiger Rohstoff. Doch spätestens 2038 geht das letzte Kohlekraftwerk vom Netz. Dann wird es keinen REA Gips mehr geben. Die Gipsproduzenten wollen diese Lücke vor allem durch verstärkten Abbau von Naturgips füllen. Umweltverbände wollen das aber unbedingt verhindern. Denn der Gipsabbau beschädigt einzigartige Naturlandschaften – wie den Harzer Gipskarst.

Abbau zerstört wertvolle Gipskarstlandschaft

Gipskarstlandschaft im Südharz
Der Sachsenstein – Gipskarstlandschaft im Südharz | Bild: BR

Der BUND Naturschutz in Niedersachsen und Thüringen lehnen eine Ausweitung des Gipsabbaus im Harz vehement ab. Die Gipskarstlandschaft ist ein einzigartiger Lebensraum. In den Buchenwäldern gedeihen Farne und Orchideen, hier leben Fledermäuse, Störche, Salamander oder Wildkatzen. Auch wenn die Unternehmen verpflichtet sind, die Abbaugruben nach der Nutzung zu renaturieren – dennoch wird der ursprüngliche in Jahrtausenden gewachsene Lebensraum massiv geschädigt.

Alternativen zum Gipsabbau

Gips-Bauabfällen
Recycling von Gips-Bauabfällen. | Bild: BR

Umweltschützer wie Friedhart Knolle fordern eine Ausweitung des Gipsrecyclings. Es gibt in Deutschland zwei Recyclinganlagen, die Gipsabfälle der Bauindustrie wiederverwerten. Doch diese Werke sind bislang nur mäßig ausgelastet. Das liege auch an fehlenden Anreizen von Seiten der Politik, meint der Nordhauser Baustoff-Experte Dr. Simon Eichhorn. Bislang sei es billiger, Bauabfälle auf Deponien zu entsorgen, anstatt sie zu recyceln. Um die Gipslücke zu füllen, setzen die Forscherinnen und Forscher der Hochschule Nordhausen vor allem auf eine Ausweitung des Recyclings. Möglichst alle produzierten Gipsstoffe sollen wieder verwertet werden, sogar die Gipsabdrücke der Zahnärzte. Insgesamt könnte über ein Zehntel des Gipsbedarfs aus Recyclinganlagen kommen. Auch Alternative Bauprodukte aus Holz, Stroh oder Lehm könnten helfen, den fehlenden Gips zu ersetzen.

Umstritten ist die zukünftige Nutzung von sogenannten Phosphorgipsen, die bei der Produktion von Düngemitteln entstehen. Aufgrund der anfallenden Aufbereitungs- und Transportkosten sind sie nach Meinung vieler Experten keine gute Alternative zum REA-Gips. Und der Naturgipsabbau ist bisher wesentlich günstiger als Recycling und Gips-Alternativen, weshalb der Druck auf mögliche Abbaugebiete wächst.

Der BUND Naturschutz fordert ein schnelles Eingreifen der Politik, um Wiederaufbereitung und alternative Baustoffe zu fördern. Sonst, fürchtet Naturschützer Friedhart Knolle, wird von der einzigartigen Gipskarstlandschaft bald nichts mehr übrig sein.

Autor: Andreas Kegel (BR)

Kontakt:
Hochschule Nordhausen / Thüringer Innovationszentrum für Werkstoffe
Helmestraße 94
99734 Nordhausen
03631 420730
www.hs-nordhausen.de

Stand: 30.09.2021 16:00 Uhr

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