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Planetary Health Diet: Diese Ernährung soll die Welt retten

Über einer Dürrelandschaft befinden sich als Grafiken eine Ähre und ein Stück Brot.
Wir brauchen eine globale Ernährungswende. | Bild: WDR

Unsere heutigen Essgewohnheiten bedrohen langfristig sowohl unsere Gesundheit als auch die Umwelt. Wenn wir den Planeten erhalten halten wollen und im Jahre 2050 eine auf zehn Milliarden angewachsene Menschheit gesund satt werden soll, braucht es darum eine globale Ernährungswende. Zu diesem Ergebnis kommt eine 37-köpfige internationale Expertenkommission. Sie haben auf wissenschaftlicher Basis die "Planetary Health Diet" entwickelt. Den ersten Ernährungsplan, der die Gesundheit der Menschen und die des Planeten gleichermaßen betrachtet. Nicht nur, was wir essen, muss sich ändern, sondern auch, wie es produziert wird.

Ernährung als Problem für Mensch und Planet

Jeden Tag haben mehr als 820 Millionen Mensch nicht genug zu essen. Ein noch viel größerer Teil der Weltbevölkerung isst zu viel oder zu ungesund. Insgesamt sind ungesunde Ernährungsweisen damit ein größeres Gesundheits- und Sterblichkeitsrisiko als Alkohol-, Drogen- und Tabakkonsum zusammen. Doch nicht nur auf die individuelle Gesundheit hat Ernährung enormen Einfluss – auch auf unsere Umwelt. Die globale Nahrungsmittelproduktion – so wie sie heute betrieben wird – bedroht das Klima und ganze Ökosysteme. Wie soll das weitergehen, wenn die Weltbevölkerung noch weiterwächst?

Die EAT-Lancet Commission fordert eine globale Ernährungswende

Dr. Brent Loken steht auf einer Vortragsbühne.
Zeit zu Handeln – Dr. Brent Loken stellt die Ergebnisse vor. | Bild: WDR

Um dieses Problem wissenschaftlich anzugehen, hat sich die EAT-Lancet Commission zusammengefunden. "EAT" ist eine gemeinnützige wissenschaftliche Organisation in Oslo, die zu Themen der globalen Ernährung arbeitet. "The Lancet" ist eine der ältesten medizinischen Fachzeitschriften. In gemeinsamer Mission haben 37 Expertinnen und Experten aus der ganzen Welt über drei Jahre hinweg die bestehenden wissenschaftlichen Daten zu Gesundheit, Ernährung und Umwelt ausgewertet.

Zunächst wurde festgelegt, wie aus gesundheitswissenschaftlicher Sicht eine optimale Ernährung aussähe. Doch damit nicht genug. Die Kommission wollte darüberhinaus wissen: Kann unser Planet auch die komplette Weltbevölkerung, die 2050 auf zehn Milliarden Menschen prognostiziert wird, mit so einer gesunden Ernährung versorgen?

Die Antwort lautet: Ja!  Aber dafür ist eine radikale, globale Ernährungswende nötig. So schnell wie möglich und auf allen Ebenen, das machen die Wissenschaftler sehr deutlich. Ansonsten seien sowohl die Ziele des Pariser Klimaabkommens, das unter anderem die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad vorsieht, als auch die 17 Ziele der UN für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, kurz SDGs) unter keinen Umständen erreichbar. Anders gesagt: Wir müssen anders essen und unsere Nahrungsmittel anders produzieren, wenn wir eine gerechtere Welt mit weniger Hunger und Krankheit erreichen und unsere Lebensgrundlage, den Planeten, nicht verlieren wollen.

Die Planetary Health Diet: Mehr Pflanzen, weniger Tiere auf dem Teller

Ein gefüllter Suppenteller
Gesunde und nachhaltige Ernährung – wie geht das? | Bild: WDR

Ein konkretes Ergebnis des Berichts ist die "Planetary Health Diet" – ein Referenzplan für eine gesunde Ernährung und einen gesunden Planeten. Wenn sich die ganze Welt nach diesen Vorgaben ernähren würde, ließen sich, laut den Autoren, jährlich rund elf Millionen Todesfälle aufgrund von ungesunder Ernährung vermeiden.

Und wie sieht eine nachhaltige und gesunde Ernährung aus? Global betrachtet muss sich der Verzehr von Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Nüssen verdoppeln. Der Konsum von Zucker und rotem Fleisch hingegen muss sich halbieren. Auf Deutschland bezogen: Hier müsste vor allem der Konsum von rotem Fleisch deutlich reduzieren, auf rund ein Zehntel. Nicht mehr als 14 Gramm sollten es täglich sein. Bei Geflügel und Fisch ist etwas mehr möglich. Der größte Teil unseres Energie- und Nährstoffbedarfs sollte aus pflanzlichen Quellen gedeckt werden. Tierische Produkte, die für Gesundheit und Umwelt gleichermaßen schädlich sind, werden zur genussvollen Ausnahme.

Laut Planetary Health Diet spricht auch nichts gegen eine komplett vegane oder vegetarische Ernährung. Selbstverständlich will die Planetary Health Diet aber nicht der ganzen Welt eine exakt gleiche Ernährungsweise vorscheiben. Es handelt sich um einen Referenzernährungsplan, der in erster Linie eine grobe Ernährungszusammensetzung empfiehlt und je nach geographischen, demographischen und kulturellen Gegebenheiten ausgestaltet werden kann. Gerade die Rolle tierischer Produkte muss sehr genau im einzelnen Kontext betrachtet werden, da beispielsweise in kargen Regionen nicht alle Nährstoffe aus pflanzlichen Quellen gedeckt werden können.

Das [W] wie Wissen-Experiment: "Planetary healthy" essen

Ein Wochenplan mit Piktogrammen, auf denen Lebensmittel abgebildet sind.
Einkauf für die Woche mit der Planetary Health Diet. | Bild: WDR

Wie kann man nach diesen Ernährungsrichtlinien kochen und essen? „W wie Wissen“ probiert es aus – zusammen mit dem Chefkoch einer Universitätsmensa in München, der ein Testmenü für eine Studentengruppe kocht. Es gibt japanische Ramen-Suppe mit viel Gemüse, Tofu und Vollkorn-Buchweizennudeln. Ein Drittel Ei und 14 Gramm Rindfleisch sind auch dabei – die jeweils maximal empfohlenen Tagesrationen. Zusammen mit einem Sesam-Karottensalat und eiweißreichen Linsen deckt das bereits die tägliche Mindestmenge an Gemüse und ungesättigten Pflanzenfetten. Ein frisch gebackener Früchte-Crumble mit Nüssen, Buchweizen und Hafer als Nachtisch liefert eine weitere Ladung Vollkorngetreide und deckt die Mindestmenge an Obst. Nach unserem Testmenü sind alle satt und der Koch konnte beweisen, dass "planetary healthy" sehr lecker sein kann und sich nicht nach Verzicht oder „gesunder Reformhauskost“ anfühlen muss. Die Testesser sind begeistert und einige von ihnen können sich vorstellen, ihre Ernährungsweise in diese Richtung zu verändern.

Videotagebuch: Eine Woche Planetary Health Diet

Zwei der Studenten, Fleischesser Tizian und Veganerin Patricia, stellen sich der Herausforderung, sich eine Woche lang an die Vorgaben zu halten. Tizian muss vor allem auf die starke Begrenzung der tierischen Produkte achten. Das fällt ihm schwer. Milchprodukte, Fleisch, Fisch und Eier sind für Patricia als Veganerin ohnehin kein Thema. Aber als Süßwarenliebhaberin macht ihr die starke Zuckerbegrenzung zu schaffen. Nur 31 Gramm zugesetzter Zucker am Tag sind "planetary healthy" – schon ein einziger ihrer Lieblingsschokoriegel übertrifft das. Beim Thema Vollkorngetreide müssen beide noch konsequenter werden. Je nach Ausgangslage dürfte die Planetary Health Diet für manche eine sehr große und für andere kaum eine Umstellung sein. Das Fazit der beiden Studenten nach einer Woche ist jedenfalls positiv. Wirklich gefehlt hat ihnen nichts, und die Gewohnheit könne den anfänglichen Mehraufwand sicher irgendwann aufheben.

Autorin: Clarissa Juse (WDR)

Stand: 07.09.2019 12:48 Uhr

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Sa., 07.09.19 | 16:00 Uhr
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Norddeutscher Rundfunk
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