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Höhlenforscher – von Süßwasserpolypen und anderen Kuriositäten

Stefan Zaenker begutachtet einen Höhlentausendfüßer
Stefan Zaenker findet einen Höhlentausendfüßer. | Bild: WDR

Höhlenforschung ist weder in Deutschland noch weltweit ein offizieller Beruf, sondern eine Freizeitbeschäftigung. Der Grund: Der Wissenschaft fehlen das Geld und die Zeit für regelmäßige Expeditionen. Stefan Zaenker, im Alltag Finanzbeamter, ist einer der wenigen, die da gerne einspringen. Doch in seiner Freizeit besucht er regelmäßig Höhlen wie den Hohlstein bei Kammerbach. Sein Spezialgebiet: Höhlentiere.

Expedition in den sagenumwobenen Hohlstein

Vor dem Höhleneingang finden Forscher ein Blumenopfer.
Bis heute werden Opfergaben am Hohlstein abgelegt. | Bild: WDR

Stefan Zaenker, sein Sohn Christian und der Biologe Theo Blick machen gemeinsam eine Höhlenexpedition. Der Hohlstein nahe Kammerbach zählt zu den größten Höhlen Hessens und ist als Naturdenkmal geschützt. Denn neben einer Fledermauskolonie beherbergt er als eine der wenigen Höhlen Deutschlands einen Höhlensee. Für die Öffentlichkeit ist der Zugang auf Grund von Steinschlaggefahr mit einem Eisengitter versperrt – zu Forschungszwecken wie dem jährlichen Fledermauszählen gibt es jedoch Ausnahmen.

Die Höhle ist seit Jahrhunderten im lokalen Brauchtum eingebunden. Das Wasser aus dem Höhlensee soll demnach verjüngen und verschönern. Doch die enge Beziehung hat auch Schattenseiten. So finden die drei Spuren menschlicher Hinterlassenschaften direkt vor der Höhle. Die nächste Überraschung gibt es dann direkt am Höhleneingang. Das abgeschlossene Eisengitter wurde mit Gewalt aufgebrochen, um sich Zugang zu verschaffen. "Das schadet natürlich der Umwelt, weil die Leute Müll zurücklassen und vor allen Dingen den Fledermäusen, weil diese im Winterschlaf gestört werden", sorgt sich Höhlenforscher Stefan Zaenker.

Die verborgene Tierwelt im Innern

Die drei Forscher platzieren eine Barberfalle zwischen Steinen.
Forscher platzieren eine Barberfalle, um Höhlentiere zu fangen | Bild: WDR

Im Inneren werden die Forscher von Fledermäusen begrüßt. Bald treffen sie auch schon auf weitere Bewohner: einen Höhlentausendfüßler der Gattung Brachychaeteuma, zwei Höhlenspinnen der Art Meta menardi, und Höhlenflohkrebse.

Höhlentiere lassen sich drei  Kategorien zuordnen:

  • Sogenannte subtroglophile Arten, auch "Höhlengäste" genannt. Sie werden regelmäßig auch außerhalb von Höhlen nachgewiesen. Zu ihnen gehören beispielsweise Fledermäuse.
  • Stärker an Höhlen angepasste Tiere werden unter dem Begriff "eutroglophil" zusammengefasst, was mit "höhlenliebend" übersetzt werden kann. Sie können ihr gesamtes Leben in Höhlen verbringen, werden aber auch manchmal außerhalb gefunden. Viele Spinnenarten gehören zu ihnen.
  • "Echte" Höhlentiere – "eutroglobionte" Tiere genannt – zeigen typische körperliche Anpassungen wie fehlende Pigmentierung oder zurückgebildete Augen. Oft besitzen sie sensiblere und größere Tastorgane und einen reduzierten Stoffwechsel. Das spart Energie und lässt sie im Vergleich zu Artgenossen an der Oberfläche länger leben. Sie verbringen ihr gesamtes Leben in Höhlen und können an der Oberfläche nur kurz überleben. Die Höhlenflohkrebse des Hohlsteiner Höhlensees zählen zu ihnen.

Um über einen längeren Zeitraum Tiere erfassen zu können, stellen die drei Forscher sogenannte Barberfallen auf. Das sind mit Alkohol gefüllte Einmachgläser, die im Boden und unter Steinen versenkt werden. Über einen Trichter fallen alle Tiere, die darüber laufen, hinein und werden direkt konserviert. Nach drei bis vier Wochen werden die Forscher die Fallen wieder einsammeln, damit nicht zu viele Tiere gefangen werden. Unter Höhlentieren finden sich nämlich oft auch sogenannte endemische Arten. Deren Vorkommen sind auf einzelne Höhlen und deren Umgebung beschränkt. Sie sind daher sehr selten. Auf so eine endemische Art hoffen auch Stefan Zaenker und sein Sohn Christian.

Ein Sensationsfund

Nahaufnahme eines Süßwasserpolypen
Sensationeller Fund: ein extrem seltener Süßwasserpolyp. | Bild: WDR

Im Jahr 1878 entdeckte der Höhlenforscher Siegmund Fries einen Süßwasserpolypen im Höhlensee des Hohlsteins. Süßwasserpolypen zählen zu den Nesseltieren. Erst Anfang der 2000er-Jahre fand Stefan Zaenker eher zufällig tote Exemplare in Sedimentproben des Sees. Doch diesmal gibt es eine Sensation für die Forscher: eine lebende Hydra knapp unter der Wasseroberfläche! Dies ist der erste Lebendnachweis von Hydra oligactis f. subterraneus – so die lateinische Bezeichnung – seit knapp 150 Jahren.

Die Höhlen-App  

Christian Zaenker blickt mit Helm und Stirnlampe auf den Höhlenboden
Christian Zaenker auf der Suche nach Höhlentieren. | Bild: WDR

Um die Funde besser katalogisieren zu können, hat Christian Zaenker eigens eine App geschrieben: CaveLife. Diese richtet sich nach den Kriterien der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU und ermöglicht es allen Höhlenbegeisterten, Funde schnell und einfach nach standardisierten Kriterien einzutragen. Die gesammelten Daten werden zentral an die Biospeläologische Datenbank des VdHK (Verband der deutschen Höhlen und Karstforscher) gesendet.

Auch die Funde dieser Expedition leitet der junge Softwareentwickler den VdHK. Von dort werden sie an das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie gemeldet. Entscheidende Daten für die Naturschutzbehörden, um über den weiteren Schutz der verschiedenen Höhlen des Landes zu entscheiden.

Und der Spinnenexperte Theo Blick freut sich immer wieder über Informationen über die aktuellen Funde von Stefan Zaenkers Höhlenexkursionen. Ein typisches Beispiel, wie Wissenschaftler und Hobbyforscher sich austauschen.

Autor: Daniel Link (WDR)

Stand: 12.08.2021 16:00 Uhr

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