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Letzte Hoffnung – Höhlenretter am Limit

Höhlenretter beim Verletzten.
Oberste Priorität für Höhlenretter: den Verletzten sicher bergen | Bild: WDR

Im Ernstfall müssen Höhlenretter alle Handgriffe im Schlaf beherrschen, um den Verletzten und sich selbst sicher nach oben zu bringen. Umso wichtiger sind deshalb regelmäßige Rettungsübungen. Im Zentrum für Sicherheit und Ausbildung in Bad Tölz finden die Retter von der Bergwacht Bayern dafür perfekte Bedingungen. Hier gibt es nicht nur eine Seilbahn sowie einen Simulationshubschrauber für Übungen zur Bergrettung. In dem weltweit einmaligen Übungszentrum der Bergwacht wurde auch eine künstliche Übungshöhle eingebaut. Sie besteht aus einem 16 Meter tiefen vertikalen Schacht an dessen Ende ein horizontaler Tunnel gefüllt mit Felsen in die Dunkelheit führt.

Der lange Weg zum Höhlenretter

Einsatzbesprechung der Höhlenretter im Übungszentrum.
Das Übungszentrum der Bergwacht in Bad Tölz ist weltweit einmalig. | Bild: WDR

Einsatzleiter Andreas Wolf und sein Team der Höhlenrettungswache Murnau machen sich bereit für die Rettungsübung. Jeder Höhlenretter muss vorher die zwei- bis dreijährige Grundausbildung der Bergwacht absolvieren. Sie umfasst Kenntnisse und Prüfungen in den Themen Sommer- und Winterrettung, Notfallmedizin, Luftrettung und Naturschutz. Dann erst können die Männer und Frauen sich spezialisieren, mit einem Grundkurs Höhlenrettung und anschließender jährlicher Fortbildung.

Der wichtigste Teil der Ausbildung: Die Teams der Höhlenrettung müssen zusammenwachsen. Das gelingt erst in mehrjähriger Zusammenarbeit – dann weiß jeder, dass er sich im Ernstfall auf seine Kollegen und Kolleginnen verlassen kann. Die Mitglieder der Bergwacht sind fast alle ehrenamtlich tätig, haben also einen ganz normalen Hauptberuf. Werden sie zu Einstätzen abberufen, werden dem Arbeitgeber zumindest in Bayern die Lohnausfallkosten erstattet.

Wie funktioniert eine Höhlenrettung?

Für die Rettungsübung werden immer die gleichen Arbeitsaufteilungen angewandt. Sie sind auf verschiedenste Höhleneinsätze übertragbar. Die Retter werden vorab in Teams aufgeteilt:

  • Team 1 übernimmt die Erstversorgung. Sie steigen als erste in die Höhle, haben medizinisches Material dabei, aber auch ein Telefonkabel für die Kommunikation nach außen.
  • Während der Verletzte versorgt wird, macht sich Team 2 mit einer Trage auf den Weg. Sie werden per Telefon informiert, dass der Verletzte einen Beinbruch erlitten hat.
  • In der Zwischenzeit kümmert sich Team 3 um den Rückweg. Sie sichern den Schacht ab und verlegen Seile, mit denen der Verletzte gleich nach oben gehievt wird. Wie in einem Flaschenzug seilt sich ein Retter ab und zieht den Verletzten dabei mit seinem Körpergewicht nach oben. Damit der fixierte Verletzte in dem Schacht nirgends aneckt, ist immer ein Retter neben ihm und manövriert wo nötig.

Nach circa 45 Minuten ist es geschafft, der verunglückte Tourengeher erreicht den Schachtausgang. Das Team sowie Teamleiter sind zufrieden.

Der Riesending-Einsatz

Ein verunglückter Forscher wird zum Hubschrauber gebracht
Nach elf Tagen gelingt die Bergung aus der Riesendinghöhle. | Bild: WDR

Wie aufwendig Rettungsaktionen ablaufen können, zeigte 2014 eindrücklich die Rettung des Höhlenforschers Johann Westhauser aus der Riesending Höhle. Auch Übungsleiter Andreas Wolf war damals als technischer Leiter der Bergungsaktion involviert.
Bei einem Steinschlag in rund 1.000 Metern Tiefe wurde der Forscher am 8. Juni 2014 schwer am Kopf verletzt. Einer seiner Begleiter informierte nach seinem zwölfstündigem Rückweg an die Oberfläche die Bergwacht. Während der bis zum 19. Juni andauernden Rettungsaktion wurde ein internationales Team aus Höhlenrettern und Spezialisten zusammengerufen. Insgesamt waren 728 Helfer beteiligt, mehr als 200 davon waren Höhlenretter. Zur Versorgung der Helfer und Koordination des Einsatzes wurde eigens ein Materiallager, eine medizinische Versorgungsstation und eine Notunterkunft am Eingang der Höhle gebaut – ebenso ein provisorischer Hubschrauberlandeplatz. Fast 90 Prozent der Höhlenretter-Ausrüstung der Bergwacht Bayern wurde zeitweise in der Höhle verbaut.

Sechs Tage dauerte der anspruchsvolle und langwierige Rücktransport Westhausers. Dabei wurde er in den senkrechten, teilweise mehrere Hundert Meter tiefen Schächten transportiert. Über eine Seilwinde ließen sich Retter als Gegengewicht nach unten, um den auf einer Trage fixierten Verletzten nach oben zu hieven. Am 19. Juni 2014 schließlich konnte die Rettungsaktion erfolgreich abgeschlossen werden.
Doch damit war der Einsatz noch nicht vorbei. Die Rückbaumaßnahmen des Equipments und Materialien, die die Retter in die Höhle einbrachten, dauerte mehrere Jahre.

Auch die Bergwacht hat aus dem historischen Einsatz gelernt: Zur besseren Kommunikation gibt es heute ein eigenes Cave-Link-System. Über Längst- und Langwelle kann damit direkt durch den Felsen "gefunkt" werden. Das erleichtert und ersetzt die fehleranfällige Kommunikation per Telefondraht enorm.

Autor: Daniel Link (WDR)

Stand: 12.08.2021 16:00 Uhr

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