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Der Gelbe Sack der Zukunft

Mutter mit Kindern sortiert Plastikmüll in Gelben Sack
Müllsammeln funktioniert gut, aber wie sieht es beim Recycling aus? | Bild: BR

In der Corona-Krise ist der Anteil an Plastikmüll in Privathaushalten noch einmal um sechs Prozent gestiegen, vor allem durch Lieferdienste und Online-Handel. Plastik schützt, gilt als hygienisch und ist extrem günstig. Das Problem: Kunststoffverpackungen lassen sich bislang nicht wirklich gut recyceln und werden deshalb oft verbrannt.

Eine Firma aus Freiburg hat nun eine Technik entwickelt, mit der sich die wichtigsten Plastik-Fraktionen sauber vorsortieren und anschließend besser recyceln lassen. Dafür bedrucken sie die Verpackungen mit fluoreszierenden Markern. So könnten Sortieranlagen die jeweilige Plastiksorte innerhalb von Millisekunden erkennen und zuordnen. Sieht so der Gelbe Sack der Zukunft aus?

Recycling-Quote: Verpackungshersteller unter Druck

Die Notwendigkeit, mehr Recyclingmaterial einzusetzen, wächst, auch weil der Druck wächst. Die Recyclingquote im deutschen Verpackungsgesetz soll von 36 auf 63 Prozent bis 2022 erhöht werden. Hinzu kommt die neue Plastiksteuer der EU: 800 Euro pro Tonne Plastik, die nicht recycelt wird. Allerdings landet auch 30 Jahre nach der Einführung des Dualen Systems noch immer mehr als die Hälfte der Verpackungen aus dem Gelben Sack in der "thermischen Verwertung", das Material wird also verbrannt – in Müllkraftwerken oder Zement-Fabriken. Ein weiterer Teil wird ins Ausland exportiert, der Rest wiederverwertet.

Oft reicht die Qualität des Recycling-Plastiks aber nur für Abwasser-Rohre, Putzeimer oder Blumenkübel. Das Problem: viele Kunststoffe lassen sich gar nicht recyceln, weil sie nur schwer getrennt werden können. Zum Beispiel Verbund-Verpackungen für Kaffee, die meist aus Polyethylen und einer dünnen Aluminium-Schicht bestehen. Oder Käseverpackungen, die für Schale und Deckel zwei verschiedene Kunststoffsorten verwenden. Nur sehr gewissenhafte Verbraucher entsorgen beides getrennt. Auch die meisten Seifenspender bestehen aus zwei Plastik-Sorten, eine für die Flasche und eine andere für den Deckel und Seifenspender.

Eine genaue Zuordnung ist mit heutigen Sortieranlagen schwer möglich. Ohne bessere Sortierung aber lässt sich der Anteil an hochwertigem Recycling-Plastik nicht erhöhen. Das soll sich ändern.

Besseres Recycling durch neue Markiertechnik?

Grafik mit Bagger, der Plastikmüll in Heizkraftwerk kippt, darauf die Zahl: 50 Prozent
Die Hälfte der Verpackungen wird nicht recycelt, sondern verbrannt. | Bild: BR

Der Physiker Jochen Moesslein aus Freiburg hat mit seiner Firma Polysecure eine Technik entwickelt, mit der sich die Verpackungen aus dem Gelben Sack nach Plastik-Sorte genau sortieren lassen. Dafür bedrucken sie die Verpackungen mit einem winzigen Etikett aus fluoreszierenden Markern, einer Art Sortier-Code. Für einen Test mischen sie die markierten Verpackungen dann unter andere Plastikabfälle und schicken sie durch ihre Demo-Sortieranlage.

Wie gut kann die Anlage die einzelnen Plastik-Fraktionen trennen? Lässt sich die Recycling-Quote damit wirklich erhöhen? Um für die unterschiedlichen Plastik-Materialien Sortier-Codes zu entwickeln, hat Jochen Moesslein auf dem Firmengelände ein eigenes Labor gebaut, dort werden die Marker produziert. Ein Pulver aus winzigen Leucht-Kristallen und seltenen Erden. "Feenstaub" nennt er das Markier-Pulver. Jede Farbe steht für eine Plastik-Fraktion. Die Kristalle können direkt in die Druckfarben gemischt und so auf die Verpackung gebracht werden.

Sortieranlagen müssten modernisiert werden

Grafik mit bunten Müllcontainern, in denen verschiedene Plastik-Fraktionen gesammelt werden, darüber Kreislauf-Symbol
Ziel: Kreislaufwirtschaft mit hochwertigem Recycling-Plastik. | Bild: BR

Und so könnte das Ganze in der Praxis einmal aussehen: Die markierten Verpackungen aus dem Gelben Sack kommen in die Müllsortieranlage. Dort bringt ein Vorhang aus Laserstrahlen die Marker zum Leuchten, das Signal wird in Millisekunden von einer Kamera erkannt. Dann werden die Verpackungen per Luftdruck aus dem Müllstrom gepustet oder gelangen über Fallklappen in die jeweiligen Sammelbehälter: PET- zu PET-Flasche. Kosmetik- zu Kosmetik-Produkt. Lebensmittel- zu Lebensmittel-Packung.

20 bis 30 verschiedene Kunststoff-Fraktionen können so vorsortiert und im Anschluss hochwertig recycelt werden. Dafür wären allerdings dringend Investitionen nötig, denn die Sortieranlagen müssten modernisiert werden. Der Aufwand würde sich aber lohnen. So hat Jochen Moesslein berechnet, dass durch eine bessere Sortierung Wertstoffe von 1.000 Euro pro Tonne Plastikmüll entstehen. Plastik würde so zu einer wertvollen Ware und nicht mehr verbrannt oder ins Ausland exportiert.

Design für Recycling

Von einer sortenreinen Sortierung ist man in Deutschland aktuell jedoch noch weit entfernt. Um mehr recyclingfähiges Plastik aus dem Gelben Sack zu holen, müssten die Verpackungen nicht nur besser markiert, sondern auch die Zahl der Plastik-Sorten innerhalb eines Produkts reduziert werden – etwa durch ein simpleres Design, bei dem der Recycling-Prozess bereits mitgedacht wird. Nur so lässt sich die Recycling-Quote erhöhen.

Und was können Verbraucher tun? Weniger Produkte in Plastikverpackungen im Supermarkt kaufen und auf Verpackungen aus Recycling-Kunststoff achten. Die ersten Hersteller haben sie schon im Einsatz, produziert mit Alt-Plastik aus dem Gelben Sack.

Autor: Boris Geiger (BR)

Stand: 19.02.2021 15:57 Uhr

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