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Mehr Plastik recyceln – aber wie?

Spülmittelflasche mit Aufschrift: aus 60 Prozent Altplastik
Luft nach oben: Hersteller erhöhen Recycling-Anteil. | Bild: BR

Wiederverwertbar, aus recyceltem Altplastik, zu 100 Prozent recyclingfähig – das steht immer häufiger auf Kunststoffverpackungen im Supermarkt. Doch wie gut funktioniert der Recycling-Markt bei Plastik tatsächlich? Obwohl Hersteller bereit sind, mehr Geld für Recyclate zu bezahlen, fehlt es aktuell an Mengen und Qualitäten. So taugt das gewonnene Material aus dem Gelben Sack oft nur noch für Abwasser-Rohre, Putzeimer oder Müllsäcke. Wie lässt sich die Recycling-Lücke schließen? Und wie gelingt es der Industrie, mehr hochwertiges Recycling-Plastik einzusetzen?

Kunststoffe - maßgeschneidert und funktionalisiert

Einige Hersteller, vor allem bei Reinigungsmitteln und aus dem Kosmetikbereich, versuchen den Anteil an "Recyclat" (Altplastik) zu steigern. Das Ziel: Ein Kreislaufsystem wie etwa bei Papier oder Glas. Doch aktuell sind nur 13 Prozent der in Deutschland verarbeiteten Kunststoffe Recycling-Material. Viel zu wenig. Für den Plastik-Forscher Professor Dieter Stapf vom Karlsruher Institut für Technologie liegt das auch an der Komplexität der Verpackungen. Denn Kunststoffe sind extrem unterschiedlich – von Lebensmittelverpackungen, über Hygieneprodukte wie Seifenspender oder Zahnpasta-Tuben, Polyesterfasern in Bekleidung bis hin zu Hochleistungskunstoffen in der Automobilindustrie.

Chemisch gesehen besteht Plastik aus Erdöl-Molekülen, die zu langen Ketten von Polymeren gereiht sind. Dazu werden Weichmacher, Farben und andere Zusatzstoffe gemischt, um das Material mit den gewünschten Funktionen auszustatten. All das macht die Kunststoffe stabil, flexibel und beständig gegen Umwelteinflüsse wie Wasser, Licht und Temperatur – aber auch schwieriger zu recyceln.

Mangelware: hochwertiges Plastik-Recyclat

In einer Handfläche liegt graues Granulat aus Recycling-Kunststoff
Heiß begehrt: Recycling-Kunststoff-Granulat | Bild: BR

Wie entsteht so eine neue Recyclingverpackung? Die meisten Kunststoffe werden mechanisch recycelt, also gereinigt, gehäckselt und dann in einem speziellen Scanner nach Farben vorsortiert. Anschließend kommen sie in den sogenannten Extruder, wo sie eingeschmolzen und zu neuem Granulat verarbeitet werden. Rossmann, Beiersdorf oder der Drogeriehändler DM entwickeln gerade solche Verpackungen. Der Waschmittel-Produzent Frosch ist schon länger dabei.

Bei sortenreinem Plastik geht das gut. PE, PP und PET-Stoffe sind sehr formstabil. Aber: Recyclingplastik ist teuer und der Markt hart umkämpft. Obwohl die Hersteller bereit sind, 20 bis 30 Prozent mehr für Recycling-Granulat zu zahlen, gibt es aktuell zu wenig davon in guter Qualität. Hinzu kommt: Frisches Kunststoff-Granulat, sogenanntes Virgin Plastik, ist billiger als recyceltes. Denn wegen des günstigen Ölpreises herrscht eine weltweite Überproduktion.

Teil der Lösung: nachhaltige Etiketten

Am besten funktioniert der Recycling-Kreislauf bislang bei PET-Flaschen. Das liegt vor allem daran, dass das Material sortenrein über das Rückgabesystem der Einwegpfandflaschen gewonnen wird. Bei anderen Kunststoffen ist es schwieriger. Eine Lösung: Verpackungen hochwertiger gestalten. Damit gelangt mehr Recycling-Material in den Kreislauf. Auch die Etiketten spielen dabei eine Rolle. Sie sollten im Idealfall mit abwaschbaren, ungiftigen Farben bedruckt – oder komplett ablösbar sein. Nur dann lässt sich der Recycling-Kreislauf schließen.

Kombination: mechanisches und chemisches Recycling

Forscher sortieren Plastikteile aus Autos für chemisches Recycling
Pyrolyse: Autoteile aus Plastik werden chemisch recycelt. | Bild: BR

Doch nicht jeder Kunststoff lässt sich mechanisch recyceln. Zum Beispiel beim Auto: Die Hersteller fügen meist Additive hinzu, um die Kunststoffe elastischer und stabiler zu machen. Oder sie fügen Flammschutzmittel mit Brom- und Chlorverbindungen hinzu. Sie einfach zu häckseln und wieder einzuschmelzen ist fast unmöglich. Das geht nur durch chemisches Recycling.

Am Karlsruher Institut für Technologie erprobt Plastikforscher Dieter Stapf gerade ein Verfahren, bei dem Teile wie Kühlergrill, Zierblenden oder Innenverkleidung thermochemisch recycelt werden. Dabei kommen auch die Autoteile zuerst in den Schredder. Anschließend werden die Kunststoffe dann durch ein sogenanntes Pyrolyse-Verfahren chemisch in kleine Moleküle zerlegt. Am Ende des Prozesses entsteht Pyrolyse-Öl, Rohmaterial für neues Plastik. Allerdings bleiben beim chemischen Recycling-Verfahren auch giftige Nebenprodukte zurück, die wiederverwertet oder entsorgt werden müssen.

Die Recycling-Quote lässt sich nur erhöhen, indem man mechanisches und chemisches Recycling in Zukunft kombiniert, sagen Recycling-Experten. Dafür muss der Kunststoff-Kreislauf noch besser geplant und organisiert werden. Wenn der Verbraucher zusätzlich beim Einkaufen auf den Recycling-Anteil der Verpackungen achtet, dann kann die Plastik-Wende gelingen.

Autor: Boris Geiger (BR)

Stand: 07.06.2022 11:55 Uhr

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