Sa., 19.04.25 | 23:40 Uhr
Das Erste
spricht Johanna Vering, Münster
Konrad – ein tierischer Osterzeuge
Guten Abend, ich grüße Sie herzlich!
Auf unserem Bauernhof lebten immer so vier bis sechs Hühner und ein Hahn. Bedauerlicherweise sind die Hühner mit der Zeit gestorben, aber den Hahn, den gibt es noch und der heißt Konrad. Konrad ist jetzt umgezogen. Er wohnt mit unseren Pferden in einer "WG" im Stall. Hoch oben auf dem Stallgitter nimmt er jeden Abend seinen Platz ein und ist nicht alleine. Konrad sorgt seit Jahren dafür, dass alle rund um Haus und Hof wissen, wann der neue Tag beginnt. Obwohl er nicht der Größte ist, gibt Konrad stimmlich alles. Jeden Morgen. Und ich kann Ihnen sagen, so ein Hahnenschrei ist ganz schön laut: Ob die Nacht kurz oder lang ist, ob es bei uns turbulent zugeht oder wir einfach Ruhe brauchen.
Konrad hält sich nicht daran und kräht. Konrad hat einen berühmten biblischen Artgenossen. Von dem biblischen Hahn wird berichtet, dass er – natürlich – auch kräht, als der Tag anbricht. Allerdings ist das deshalb so bedeutend, weil das mehr als ein Weckruf ist: Petrus, einem der Jünger Jesu, wird nämlich durch den Schrei schlagartig klar, dass er ein Lügner ist. Was war geschehen? Jesus hatte ihm vorausgesagt, dass er ihn verleugnen würde: drei Mal würde er behaupten, Jesus nicht zu kennen. Und dann würde der Hahn krähen. Und so kam es auch. Ich stelle mir vor, dass Petrus wahrscheinlich mit dem Hahnenschrei schlagartig klar wurde: Jesus hat Recht gehabt. Ich habe versagt. Ich kann Jesus nicht mehr retten. Er wird sterben. Und Petrus weiß: Es gibt kein Zurück mehr. Ich muss damit jetzt leben. Der Hahn wird hier zum Zeichen der grausamen Gewissheit.
Ich erzähle Ihnen diese düstere Verleugnungsgeschichte in der Osternacht, weil der biblische Hahn für mich auch dafür steht: es geht weiter! Es gibt keinen Stillstand, auch wenn ich mir manchmal noch so sehr wünsche, dass die Welt aufhört sich zu drehen, damit es nicht noch schlimmer wird.
Es gibt immer einen neuen Tag und damit eine neue Chance. Das ist für mich Ostern! Das Dunkle, der Tod, hat nicht das letzte Wort. Jesu Grab war leer nach drei Tagen Grabesruhe. Jetzt geht es weiter – anders als bisher – anders als gedacht. Ich bin mir so sicher: es gibt sie, die Auferstehung. Nach dem Tod, aber auch schon davor: viel kleiner bei mir, bei uns im Leben. Ich erinnere mich an Tage auf unserem Bauernhof: Da war ich froh zu wissen, es geht weiter. Nachdem wir zuhause tagelang um meine sterbenskranke Oma gebangt haben, zum Beispiel, bis sie es doch nochmal geschafft hat und ein paar weitere Jahre gelebt hat. Oder nachdem mein Opa gestorben ist. Der hat echt eine Lücke in unsere Familie gerissen. Oder nach heftigen Streitereien oder, ganz praktisch, nachdem ein riesiger Baum auf das frisch sanierte Stalldach geknallt ist. Es ging und es geht weiter.
Und das trägt mich auch aktuell, wenn einige Machthaber durchdrehen und die Welt auf den Kopf stellen. Wenn Kriege einfach durchgezogen werden, ohne nach links und rechts zu schauen. Es geht weiter: Das soll kein billiger Trost sein. Für mich ist das eher ein Zuspruch, der mich stärkt. Weil es immer auch die Chance gibt, einen neuen Blick auf die Dinge zu werfen. Bei uns auf dem Bauernhof ist es Konrad, der die neuen Tage ankündigt. Konrad heißt übrigens übersetzt: der kühne Ratgeber. Das wusste ich bisher auch nicht. Konrad signalisiert mir jedenfalls mit seinem Krähen jeden Morgen: das Leben geht weiter. Und durch Jesu Auferstehung bin ich zuversichtlich: es wird auch irgendwie gut werden.
Für Konrad geht es übrigens auch gut weiter, das kann ich schon mal verraten: nach Ostern ziehen vier neue Hennen bei ihm ein. Ich wünsche Ihnen und den Menschen um Sie herum von Herzen frohe Ostern!