Fragen an Maria Simon

Wildhüterin Sara Jahnke (Maria Simon)
Wildhüterin Sara Jahnke  | Bild: ARD Degeto / Conny Klein

Frau Simon, Sie spielen in dem ARD-Degeto-Krimidrama „Wolfsjagd“ wieder einmal eine Hauptrolle und ermitteln als Wildhüterin Sara Jahnke unfreiwillig in einem Mordfall: Denn eigentlich soll Sara einen Wolf suchen und „entnehmen“, findet aber in den dichten Wäldern Brandenburgs eine Frauenleiche. Bei der Suche nach Aufklärung stößt sie auf menschliche Bestialität: die Ausbeutung von Saisonarbeitern in einer nahegelegenen Großschlachterei ... Was hat das Drehbuch beim ersten Lesen mit Ihnen gemacht?

Die Geschichte, die in diesem Drehbuch erzählt wird, spielt sich in einer kleinen Welt auf dem Land ab. In dieser Welt zeige ich im Kleinen alles an Missständen, die in der großen Welt auch existieren. Als ich das las, fand ich das gut und wurde inspiriert. Wir leben in ernsten Zeiten, es gibt viele Fragen und Ängste, und es ist wichtig, diesen auf den Grund zu gehen, um Lösungen und Antworten zu finden. Das ist auch die Aufgabe des Films, der Literatur und der Kunst im Allgemeinen, denn ich finde es wichtig, damit gesellschaftliche Schieflagen aufzuarbeiten. Das passiert leider nicht so oft. Dafür schätze ich auch den Regisseur Jakob Ziemnicki sehr. Mit ihm habe ich schon drei Filme gedreht. Ich mag ihn und seinen Tiefgang sehr, und dass er dafür gekämpft hat, einen Film wie diesen hier zu platzieren. Es ist zwar alles nur angeschnitten, aber dennoch kann es etwas bewegen. Der Dreh und die Geschichte haben mich sehr berührt.

Inwiefern? Was hat Sie angesprochen?

Der Film hat ja sehr viele verschiedene Ebenen. Eine politische, eine gesellschaftliche und eine sehr persönliche. Zum einen geht es um Missstände in einer Großfleischerei und um den verloren gegangenen Respekt ausgebeuteten Menschen gegenüber, wie menschenunwürdig sie dort als Saisonarbeiter beherbergt werden und gleichzeitig den mangelnden Respekt den Tieren gegenüber – einfach schrecklich. „So lange es Schlachthöfe gibt, wird es auch Schlachtfelder geben" Leo Tolstoi … Da ist richtig was dran. Auf der menschlichen/ persönlichen Ebene geht es in dieser Geschichte um unaufgearbeitete Traumata. Sara lebt mit ihrem Trauma aus der Kindheit, und es war für mich spannend zu erarbeiten, was damit einhergeht. Denn jeder Mensch hat eines – ob aus gesellschaftlichen oder privaten Gründen. Ich finde es enorm wichtig, sich das klar zu machen und es zu beleuchten. Viel zu viele Menschen laufen davor weg. Am Ende bringt uns das auf den Weg und zeigt uns, wo wir blockiert sind.

Lernen Sie denn so von Ihren Rollen auch etwas fürs Leben?

Auf jeden Fall. Ich nehme immer bewusster wahr, was die Figuren mit mir im Nachhinein machen. Hier war es das Kämpferische in Sara. Denn das Wichtigste heutzutage ist, mutig zu sein und die Geschehnisse aus der Welt aufzubereiten. Die Figur der Sara hat mir den dafür nötigen Kick gegeben, etwas kriegerisch zu sein, ohne Gewalt. Eine Kraft, von der ich mir wünsche, dass sie in dem Film rüberkommt. Wir müssen uns in dieser Zeit rüsten, denn es ist ernst um uns. Mir ist es sehr wichtig, in meiner Kunst so etwas zu transportieren. Ich nehme Kunst sehr ernst und möchte nichts Belangloses machen. Das ist unsere Verantwortung. Künstlerisch hat der Film mich in diesem Sinne befriedigt. Deshalb ist es besser auf dem Land zu leben, um Raum und Zeit zu haben, das, was in unserer Welt gerade passiert, mit einer gewissen Distanz zu beobachten.

Und das tun Sie ja inzwischen auch. Sie leben auf einem Hof mitten in Brandenburg. Warum lieben Sie es, dort zu sein?

Raus aus der Stadt, definitiv. Das war mein Wunsch. Die Natur gibt mir Raum, nachzudenken und ich habe nicht so viel Ablenkung. Gibt mir Weite. Ich finde, gerade in dieser heutigen Zeit fühlt man sich ganz ohnmächtig, wenn man im Außen behaftet bleibt und an Dingen, die man nicht beeinflussen kann. Dann ist der Weg nach innen der bessere für mich. Ich kann mir das gar nicht mehr vorstellen, in einer zubetonierten Stadt zu leben. Hier habe ich die vier Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer. Und die Bäume senden botanische Duftstoffe aus - Terpenoide - die wir im Wald einatmen und die unser Immunsystem stärken.

Der Dreh fand u. a. ausgerechnet in den Wäldern Brandenburgs statt. Haben Sie sich darüber gefreut?

Ich war sehr dankbar, dass wir nicht in der Großstadt drehen mussten. Denn so ein Dreh an sich ist schon stressig genug – wie Leistungssport. Der Film und der Stoff hatten Tiefe, die man in der Natur und auf dem Land draußen viel besser greifen konnte. Es war für mich ein großes Geschenk, draußen drehen zu dürfen.

Da passt es ja zum Thema, dass es in dieser spannenden Geschichte auch um Wölfe geht, die sich ihren Lebensraum in der Welt der Menschen zurückerobern. Hätten Sie Angst, wenn Sie wüssten, dass in Ihrer Nähe wilde Wölfe leben?

Hier ist tatsächlich ein Rudel Wölfe um uns herum. Ich habe sie schon gehört. Ich habe sehr großen Respekt vor Wölfen. Aber auf mich muss ich nicht aufpassen, nur auf meine Hündin. Deshalb gebe ich darauf acht, wo ich sie laufen lasse.

Interessant, dass Sie von einem Rudel Wölfe umgeben sind und einen Film drehen, in dem Wölfe eine große Rolle spielen und es um die Frage geht, wer von beiden die wahre Bestie ist - der Wolf oder der Mensch?

Naja, das Ding ist, wir als Mensch haben die Aufgabe und Möglichkeit, uns Dinge bewusst zu machen. Ein Wolf kann das nicht. Wir sind Menschen, wir müssen verstehen, was unsere Verantwortung ist. Eine Bestie ist ein Mensch, der sich dazu entscheidet, eine zu sein. Doch die Frage ist: Wo fängt es an, wo hört es auf ...

Sie verkörpern immer wieder Frauen in einer tiefen oder aufrüttelnden Krise ihres Lebens. So auch hier in „Wolfsjagd“. Sara kommt nach vielen Jahren aus Kanada in ihre Heimat zurück und wird mit ihrer nie richtig aufgearbeiteten traumatischen Vergangenheit konfrontiert … Was reizt Sie daran, Frauen in diesen Grenzsituationen oder Wendepunkten in ihrem Leben zu verkörpern? Und wie gehen Sie persönlich mit Krisen um?

Es ist ja total spannend, wofür Not oder Schicksalsschläge da sind, welchen Schritt sie für uns und unser Leben beinhalten. Sich das anzuschauen und für seine Entwicklung zu nutzen ist besser, als davor wegzurennen und zu ignorieren. Tiefschläge bringen mich immer weiter. Es ist wie neu geboren zu werden. Es muss nicht leicht sein, das Leben. Nur so lernen wir und kommen voran, und es gibt uns die Chance, uns zu ändern. Deshalb finde ich Filme mit Tiefgang auch so wichtig, um damit Geschichten zu erzählen und Mut zu machen und zu zeigen: Ja, es gibt Krankheit, Trennung und Tod, und dann gemeinsam den Blick auf das Leben zu werfen und festzustellen, ja, wir können uns ändern.

So wie Sara in diesem Film ...

Genau. Sara hat am Schluss die Macht und könnte den „Dreckskerl“, der sie in der Jugend vergewaltigt hat und auf den sie einen unbändigen Hass verspürt, erschießen. Tut sie aber nicht, denn sie hat sich verändert und das zeigt: Es funktioniert, sich zu ändern und sich Stück für Stück zur besten Version seiner selbst zu entwickeln. Und nicht immer von anderen zu erwarten, dass sie alles für einen regeln. Den Männerhass, der Sara antreibt, fand ich spannend. Aber genauso gibt es auf der anderen Seite auch einen ausgeprägten Frauenhass. Die Frage ist: was ist (das) zwischen Mann und Frau und wie kommen wir zusammen - Wer bin ich und wenn ja, wie viele und was ist eigentlich weiblich ...

Saras Männerhass resultiert aus einer Vergewaltigung, aus der ihre Tochter Julia hervorgegangen ist. Deshalb konnte sie Julia nie richtig lieben, lässt sie im Stich und verschwindet nach Kanada … Meinen Sie, man kann als Mutter nach langer Abwesenheit auch später noch eine enge Bindung zu seinem Kind aufbauen, so wie es Sara nach ihrer Rückkehr versucht?

Ganz bestimmt. Natürlich hinterlässt das einen Knacks bei einem Kind und vieles in der Mutter-Kind-Beziehung der beiden ist schief gelaufen. Aber es kann auch ein ganz neuer Raum zwischen den beiden entstehen. Kinder lieben einfach und deshalb ist Bindung grundsätzlich da.

Sie selbst sind auch Mutter. Können Sie von Ihren Kindern lernen und was vermitteln Sie ihnen?

Kinder sind die besten Lehrmeister fürs Leben, genauso wie Männer. Ich habe kein Rezept für die richtige Verhaltensweise meinen Kindern gegenüber. Jeder macht Fehler. Aber das macht nichts. Wichtig ist dabei nur, aus dem Schuldgefühl herauszukommen. Genauso wie bei Sara. Bei ihr geht es auch um Schuld, weil sie ihre kleine Tochter zurückgelassen hat, als sie nach Kanada abgehauen ist. Und ihr Schuldgefühl ist es auch, dass sie in ihrem Leben hemmt und was ihr Vater auch immer wieder von neuem in ihr säht. Das aufzulösen und sich einzugestehen: ich wusste es nicht besser und zu begreifen, dass wir alle nur auf unserem Weg sind.

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