Jan Berning, Katharina Dufner

Der Mann, der aus der Zukunft kam

Das darf doch nicht wahr sein! Alma (Maren Eggert) entwickelt Gefühle für Tom (Dan Stevens), den angeblich perfekt auf ihre Bedürfnisse abgestimmten Mann.
Das darf doch nicht wahr sein! Alma entwickelt Gefühle für Tom, den angeblich perfekt auf ihre Bedürfnisse abgestimmten Mann. | Bild: SWR/Letterbox Filmproduktion / Christine Fenzl

»Je näher wir ihr kommen, desto karger, entfremdeter, entmenschlichter scheint die Zukunft zu werden. Der Alltag ist in vielen Zukunftsnarrativen vollautomatisiert, Künstliche Intelligenz verdrängt Poesie und Romantik, der Klimawandel schränkt den Handlungsradius ein. »Was man heute als Science Fiction beginnt, wird man morgen vielleicht als Reportage zu Ende schreiben müssen«, beschrieb Norman Mailer in einem Satz Faszination und Furcht, die zwei Seiten einer Vorstellung von Zukunft sind.

Ob diese Reportage von Bedrohung oder Gelingen erzählen wird, entscheidet sich jedoch schon heute, im Möglichkeitsraum Gegenwart, weniger nur durch technologische, als vielmehr auch durch gesellschaftliche Entwicklungen geprägt, durch unsere Narrative, unsere Perspektiven.

Diese Perspektiven einzunehmen, sich eine Zukunft – wie auch immer gestaltet und von welchen möglichen und unmöglichen technischen Entwicklungen auch immer flankiert – jenseits der klassischen Narrative vorzustellen, mitsamt der gesellschaftlichen Implikationen, mitsamt der inneren und globalen Konflikte, die durch KI, Digitalisierung oder Robotik erzeugt und vielleicht auch gelöst werden – das ist das Ziel eines Wagnis, das wir als Fernsehfilmredakteur*innen von NDR und SWR auf Initiative von Manfred Hattendorf und Christian Granderath im Jahr 2016 miteinander eingehen.

Wir laden deutschsprachige Schriftstellerinnen und Schriftsteller ein, sich auszumalen, wie wir leben und lieben werden, morgen oder in zehn Jahren, bitten sie für eine Anthologie um Geschichten, die zu anderen, zukünftigen Zeiten spielen und damit in einer anderen Welt – Geschichten, die so noch nicht erzählt wurden, die das Denken herausfordern und die Emotionen erforschen, mit denen wir auf die zukünftige Welt reagieren werden. Simon Urban schreibt daraufhin die Erzählung »Nachspiel«, die später für den SWR unter dem Titel »Exit« verfilmt werden wird, genau wie Dirk Kurbjuweits Erzählung »Das Haus« für den NDR. Andere Geschichten spielen in elf verschiedenen Ländern, erzählen von schwarzen Löchern oder finden in Traumwelten statt.

Und dann ist da diese tragische und zugleich sehr kluge Liebesgeschichte zwischen Mensch und Maschine namens »Ich bin dein Mensch« von Emma Braslavsky, in der ein logisch denkender Android an der Irrationalität und Menschlichkeit seiner Besitzerin – ausgerechnet einer Paartherapeutin – scheitert. Es ist eine in ihrer Zukunftsbeschreibung sehr filmisch und realistisch anmutende Erzählung, die ohne große Effekte und unmögliche Settings auskommt, die rührt, mit dieser ungewöhnlichen und sehr menschlichen Begegnung und über deren Lektüre wir uns in Diskussionen über die philosophischen Fragen zur Zukunft der Liebe verlieren.

Als Suhrkamp die elf auf diese Weise entstandenen Erzählungen unter dem Titel »2029 – Geschichten von morgen« in einem dicken, bunten Erzählband veröffentlicht, ist ein erster großer Schritt geschafft. Zugleich wird per Ausschreibung für »Ich bin Dein Mensch« die Produzentin Lisa Blumenberg gefunden, die bald darauf mit »Bad Banks« die TV- und Serienwelt aufmischen wird.

Dann kommt Maria Schrader zum Projekt hinzu, die zu dieser Zeit schon als Regisseurin von »Vor der Mörgenröte« gefeiert und bewundert wird. Sie nimmt sich der Adaption von »Ich bin dein Mensch« an, macht sich die Geschichte zu eigen, schneidet alles heraus, was wegführt von der Frage, was den Mensch zum Menschen macht. Zusammen mit ihrem Co-Autor Jan Schomburg transformiert sie eine dystopische Erzählung in eine melancholische Liebesgeschichte, die nicht in einer von Technik verwandelten Zukunft spielt, sondern in unserer Gegenwart, in der ein Android, der aus der Zukunft zu kommen scheint, unserer Hauptfigur Alma den Kopf verdreht.

Die zentrale Frage der Vorlage »Können Roboter uns jemals verstehen und sein, wie wir?« wird so von einer neuen Prämisse abgelöst: »Was wäre, wenn ein Roboter der bessere, der perfekte Partner wäre?«. Aus dem Scheitern eines Roboters an seiner Besitzerin und ihrem Versuch, ihn zu verändern, wird der starke innere Konflikt einer Wissenschaftlerin: Kann ich jemanden lieben, wissend, dass seine Liebe, seine Empathie womöglich nur Simulation sind? Statt einer Bedrohung durch Technik ausgeliefert zu sein, wird die Hauptfigur auf sich selbst zurückgeworfen.

Zusammen erfinden Maria Schrader und Jan Schomburg neue, wunderbar komische und zarte Momente, bringen große philosophische Fragen auf den Punkt und schaffen so mit bezaubernden Darsteller*innen und einem großartigen Team eine Filmerzählung, die die Herzen vieler Menschen berührt, weil sie ehrlich, wunderschön und wahrhaftig ist.«

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