Die Mutter der Gleichstellung – Elisabeth Selbert

Iris Berben und Elisabeth Selbert
Die Schauspielerin und das Original: Iris Berben spielt Elisabeth Selbert. | Bild: dpa

Vor etwa 65 Jahren kämpfte eine Frau um die Aufnahme eines Satzes ins Grundgesetz, der das Leben aller Frauen (und auch Männer) in unserer Gesellschaft verändern sollte. Am 23. Mai 1949 wurde der Artikel 3 Absatz 2 "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen. Das verdanken wir der Abgeordneten und Juristin Elisabeth Selbert. Dabei wurde Selbert eine anständige Ausbildung oder gar Karriere nicht in die Wiege gelegt.

Elisabeth Selbert wird 1896 in Kassel in kleinbürgerlichen Verhältnissen geboren. Ihrem Berufswunsch – sie will Lehrerin werden – kann sie aufgrund fehlender finanzieller Mittel nicht nachkommen. Nach Abschluss ihrer Real- und Handelsschule, arbeitet sie bis zum 1. Weltkrieg als Auslandskorrespondentin in einer Import-Export-Firma und anschließend in unterschiedlichen Unternehmen. Ab 1916 findet sie einen Job als Postgehilfin im Telegrafendienst, eine Arbeit die vor dem Krieg hauptsächlich von Männern übernommen wurde.

Unzufrieden mit der klassischen Rolle als Mutter und Hausfrau

Schon bald nach dem 1. Weltkrieg – während der Novemberrevolution – lernt Selbert ihren späteren Ehemann, einen sozialpolitischen Kommunalpolitiker, und mit ihm die politische Arbeit kennen. Die engagierte Frau tritt 1919 in die SPD ein, heiratet ein Jahr später Adam Selbert und wird in den folgenden Jahren Mutter zweier Söhne.

Mit dieser klassischen Rolle, wie sie in der Weimarer Republik üblich ist, gibt sich die Mutter und Ehefrau nicht zufrieden. Sie ist weiterhin sehr aktiv in der Politik und setzt sich bereits für die Gleichberechtigung ein, die ihrer Meinung nach "immer noch eine papieme ist". Frauen dürfen seit 1919 wählen und gewählt werden. Auch beruflich will sie mehr und holt trotz der häuslichen und politischen Belastungen 1925 das Abitur nach. Im Anschluss studiert sie Rechts- und Staatswissenschaften.

Mit dem 2. Weltkrieg beginnt für die sozialdemokratische Familie eine schwere Zeit. Adam Selbert wird verhaftet und findet danach keine Arbeit mehr. Elisabeth Selbert hat ihre Zulassung als Rechtsanwältin noch erhalten, bevor die Nazis Frauen den Berufszugang verbieten. Sie übernimmt während der Kriegszeiten die Kanzlei zweier befreundeter jüdischer Rechtsanwälte, die aus Deutschland fliehen mussten.

Der lange Kampf führt zum Sieg

Nach dem Krieg steigt die leidenschaftliche Juristin wieder in die Politik ein. Als Abgeordnete im Parlamentarischen Rat kämpft Elisabeth Selbert für die Aufnahme des Satzes "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Die zielstrebige Politikerin stößt bei ihrem Vorhaben im Rat auf großen Widerstand. Durch eine einmalige landesweite Kampagne gelingt es ihr, die Öffentlichkeit, besonders die Frauen in den unterschiedlichen Frauenverbänden und Gewerkschaften, zu mobilisieren.

Die Verankerung des "Gleichberechtigungs-Satzes" im Mai 1949 in das Grundgesetz wird zur persönlichen Sternstunde von Elisabeth Selbert.

Ende der 50er Jahre zieht sie sich aus der Politik zurück, arbeitet aber unermüdlich als Rechtsanwältin für Familienrecht an "ihrem" Thema. 1986 stirbt Elisabeth Selbert in Kassel.

Die persönliche Sternstunde von Elisabeth Selbert wird ein Meilenstein für unsere Gesellschaft. Mit ihrem Kampf legte sie den Grundstein für eine nunmehr 65-jährige politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung zum Thema Gleichberechtigung.