Christian von Castelberg im Interview

Was ist hier passiert? Die Kommissare König (Anneke Kim Sarnau) und Bukow (Charly Hübner) tappen noch im Dunkeln
In Sascha Bukows Armen stirbt der 36-jährige Frank Fischer – und der aufstrebende Rostocker Jungunternehmer Michael Norden, der dabei zugesehen hat, ist auf der Flucht. Die Kommissare König und Bukow tappen noch im Dunkeln | Bild: NDR / Christine Schroeder

Christian von Castelberg

Regie

Christian von Castelberg, der zunächst ein Chemie-Studium in Zürich abschloss, besuchte Ende der 1980er-Jahre die Regieklasse sowie Drehbuch- und Schauspielkurse am American Film Institute (AFI, später UCLA). 1993 gab er sein Fernsehfilm- Regiedebüt und inszenierte Martin Suters Drehbuch zum „Tatort: Herrenboxer“. Es folgten zahlreiche Filme – zum Beispiel die ersten beiden Episoden von „Donna Leon“ sowie „Die Mörderin“ und „Der Tote im Spreewald“. Der Regisseur ist insbesondere durch seine teilweise preisgekrönten Arbeiten für Krimireihen und -serien bekannt. Vor allem tragen die Reihen „Bella Block“ und „Polizeiruf 110“ seine unverwechselbare Handschrift.

Christian von Castelberg im Interview

»Meine Aufgabe habe ich vor allem darin gesehen, das Vater-Sohn-Thema ins emotionale Zentrum zu rücken.«

Was hat Sie an „Söhne Rostocks“ gereizt?

Ich wollte schon länger gern ein Projekt mit Autor Markus Busch machen, und als ich hörte, dass es nun ein Drehbuch von ihm gibt, habe ich sofort zugesagt. Ich finde ihn im Situativen sehr gut. Die Art, wie er die psychologischen Situationen zwischen den Figuren entwickelt, sagt mir sehr zu, und auch die Dialoge, die er schreibt, wirken für mich sehr authentisch. Dieser Fall ist insofern ein bisschen untypisch, als die Geschichte um den Unternehmer Norden selbst nichts Existenzielles für die Kommissare hat, sondern sie ganz normal ermitteln müssen. Sonst ist es beim Polizeiruf Rostock zumeist so, dass Sascha Bukow oder Katrin König im Zuge ihrer Ermittlungsarbeit in eine existenzielle Not geraten, hier stehen die Episodenfiguren etwas stärker im Vordergrund. Natürlich wird aber auch die Horizontale weitererzählt: Katrin König wird hier von etwas eingeholt, was in der Vergangenheit liegt; sie hat in einem früheren Fall Beweise gefälscht und wird nun damit konfrontiert, dass der Täter das weiß und sie unter Druck setzt.

Worauf haben Sie den Akzent gelegt?

Meine Aufgabe habe ich vor allem darin gesehen, das Vater-Sohn-Thema, das der Geschichte um Michael Norden zugrunde liegt, ins emotionale Zentrum zu rücken und die Figur dieses jungen Unternehmers nahbar zu machen. Jemanden, der mit Personalvermittlung und Abzocken sein Geld macht, kann man leicht als unsympathisch darstellen; dasselbe gilt auch für Nordens Lehrmeister, den Immobilienmakler Stefan Larges. Aber für die Dramaturgie der Geschichte ist das nicht so interessant. Es ist interessanter, die Leute nahbar zu machen, darum habe ich versucht, auch das Verhältnis zwischen Michael Norden und Stefan Larges als eine Art Vater-Sohn-Beziehung zu verdeutlichen.

Norden taucht gleich zu Beginn des Films unter; die Suche nach ihm erweist sich als schwierig ...

Es fiel häufiger der Begriff Schnitzeljagd für diese Suche, aber ich finde das nicht ganz passend, weil es dann ja einfach wie ein Spiel wäre. Michael Norden hat aber eine konkrete Motivation, nämlich eine materiell-finanzielle; er hat sich verzockt und muss herausfinden, was passiert ist. Schon bevor auf seinem Grundstück plötzlich ein Toter liegt, hat er nächtelang durchgearbeitet, um seine misslungene Investition zu retten. Und als er seinen toten Freund sieht, weiß er, dass das kein Zufall sein kann, sondern inszeniert war. So hat er eine klare Motivation; er taucht unter, um den Täter zu finden. „Söhne Rostocks“ ist kein Krimi, in dem von Beginn an Gefahr im Verzug ist und die Kommissare unter Hochdruck ermitteln müssen; hier ist zunächst mal nichts lebensbedrohlich, aber die Geschichte entwickelt dann sehr viel Eigendynamik und Spannung.

Nordens Mentor Larges beschreibt ihn als „manisch aggressiv“, von Gier und Risikobereitschaft getrieben. Verstehen Sie den Niedergang der Figur als eine Art Kapitalismuskritik?

Ich arbeite selten mit dem Blick auf gesellschaftliche Fragen, sondern schaue eher aufs Psychologische. Natürlich kann man diese Profilierungssucht, die Michael Norden umtreibt, auf den Kapitalismus schieben, aber ich finde, so etwas hat manchmal auch mit einer mangelnden Aufgehobenheit im Elternhaus zu tun. Wenn man keine innere Heimat hat, keine Familie, dann muss man die irgendwie äußerlich herstellen. Michael Norden ist nun aber an einem Wendepunkt in seinem Leben angekommen. Bis jetzt zählten für ihn nur Geld und Erfolg, am Schluss bricht er jedoch mit dieser Regel. Nach all den Irrungen und Wirrungen folgt ein emotionaler Höhepunkt, über den wir hier natürlich nicht zu viel verraten wollen.

Die Darsteller der Episodenrollen, die wir hier sehen, sind noch nicht sehr bekannt, ihr intensives Spiel bleibt jedoch im Gedächtnis. Berichten Sie uns von der Arbeit mit ihnen.

Wenn man eine Reihe bedient, also etwas, wo zwei Kommissare schon gut etabliert und beliebt sind, hat man den Vorteil, dass man sich etwas freier bewegen kann, was die Besetzung der Episodenrollen angeht. Tilman Strauß und Oskar Belton als Vater und Sohn und auch Katharina Behrens als Exfreundin und Mutter dieses Sohnes waren echte Glücksgriffe. Sowohl Tilman als auch Katharina brachten eine hervorragende Kombination aus sehr gutem Spiel mit allen anderen und gleichzeitigem Bei-sich- und Durchlässig-Bleiben mit. Auch der Junge hatte so eine Art, die ganz besonders war. Das liegt nicht nur an Techniken – natürlich auch, sehr viel – aber auch an einer Bereitschaft, einem Mut, sich fallenzulassen. Meine Aufgabe sehe ich darin, den Schauspielern Raum zu lassen und Hilfe zu bieten. Charly Hübner hat netterweise mal gesagt, er möge sehr gern mit mir arbeiten, weil ich zuhören könne und den Input von allen ernstnehme, aber trotzdem irgendwann sage: „Jetzt ist Schluss, jetzt machen wir es so.“

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