Gespräch mit Axel Milberg

(spielt Klaus Borowski)

Klaus Borowski (Axel Milberg) muss sich seiner Vergangenheit stellen
Klaus Borowski muss sich seiner Vergangenheit stellen | Bild: NDR / Christine Schroeder

Klaus Borowski

Als im Wald ein Baum umstürzt und ein Skelett zum Vorschein bringt, werden auch Klaus Borowskis Wurzeln freigelegt. Die Tote ist schnell als ein Mädchen identifiziert, das vor über 50 Jahren ihr Leben lassen musste, und sie war 1970 die Freundin des 14-jährigen Klaus. Mit ihrem Mut hatte der Teenager nicht mithalten können. Trampen nach Fehmarn, um dort beim legendären Konzert Jimi Hendrix zu sehen. Love and Peace erleben. Sich erwachsen und selbstbestimmt fühlen – das ist damals ihr Traum. Klaus dagegen werden schon beim ersten Regenschauer die Knie weich, bevor die Reise überhaupt begonnen hat, und er will sich von den Eltern abholen lassen. Wut – vielleicht auch über die eigene Schwäche – und Trotz lassen ihn in der Telefonzelle verharren. Wild entschlossen steigt seine Freundin in den verhängnisvollen Wagen. Soll sie doch. Ach, wäre sie doch nicht! Ach, hätte er sie doch abgehalten! Nun muss der Kriminalhauptkommissar selbst das tun, wozu er normalerweise Zeugen bringt: sich erinnern. Er hat alles ganz genau gesehen. Glasklar steht es ihm noch vor Augen. Abweichende Zeugenaussagen? Wischt er vom Tisch. Irrtümer, wie sie in Serie vorkommen. Dass Borowski selbst auch Zeuge ist, verliert er aus dem Blick. Und er will ermitteln. Wer, wenn nicht er, hat die volle Motivation? Auch seine Befangenheit sieht er nicht. Borowski traut sich ja nicht mal, dem Vater des Opfers vor die Augen zu treten. Da sind Angst und Schuldgefühle des 14-jährigen wieder voll da. Wie ein Albtraum öffnet sich auf einmal der Verdacht, einem – oder mehreren? – Serientätern auf der Spur zu sein. Der getriebene Borowski beginnt seine Jagd.

Gespräch mit Axel Milberg

Den realistischen Hintergrund vom „Tatort: Borowski und der Schatten des Mondes“ bildet das Thema der Trampermorde in den 70ern. Ist dieses Phänomen aus Ihrer Sicht ein Zeitzeugnis der 60er- und 70er-Jahre, in denen es die jungen Menschen mit ihrer Sehnsucht nach Freiheit in die Welt hinaustrieb?

So hat man das in Erinnerung. In Norddeutschland wurde man gewarnt vor sogenannten Mitschnackern. Bloß nicht als Anhalter trampen. Das haben aber viele gemacht. Bis nach Indien. Mit wenig Geld, einem Rucksack und damals natürlich ohne Handy. Keine Ahnung, ob erheblich mehr als heute verschwunden sind. Die Reisen waren auch noch nicht so weit. Aber wenn man auf Netflix „The Serpent“ gesehen hat, weiß man, dass auf dem Hippie-Trail und in Kathmandu tatsächlich ein Serienmörder unterwegs war.

Borowskis traumatisches Erlebnis als 14-Jähriger fußt auf einem Hitchhiking-Plan mit seiner Freundin. Sind Sie persönlich in Ihrer Jugend auch getrampt und wie standen Ihre Eltern dazu?

Meine Eltern haben es verboten. Ich war auch nicht in der Situation. Ich hasste längeres Warten und Abhängigkeiten, deswegen bin ich anders unterwegs gewesen. Aber ich habe später immer, wenn es ging, Leute mitgenommen. Das letzte Mal vor zwei Wochen. Louis aus Lyon, sein Ziel war Nordnorwegen. Stand bei Nürnberg an der Autobahn und wollte erst mal nach Leipzig. Seine Großeltern waren aus Armenien nach Frankreich eingewandert.

Bei den Angehörigen von Verschollenen heißt es stets, die Ungewissheit über den Verbleib sei am schwersten zu ertragen. Endlich Abschied nehmen zu können wirke wie eine Befreiung von unmenschlicher Last. Wie erlebt Borowski seinen Moment der Wahrheit?

Nicolai Rohde fragte mich vor Drehbeginn, was dieses Entdecken für Borowski bedeutet. Ich konnte ihm keine Antwort geben. Aber beim Drehen stellte sich Folgendes heraus: Borowski spürt am Anfang, wenn er ahnt, wer das tote Mädchen ist, natürlich eine Aufregung, aber nicht Schmerz oder Entsetzen. Das war in den Wochen und Monaten nach ihrem Verschwinden, aber das ist vorbei. So beginnt er zielstrebig zu ermitteln, und eher wartet er darauf, dass die Trauer von damals ihn überfällt. Passiert aber nicht. Und plötzlich, an einer Stelle, wo er damit nicht rechnet, bricht seine Stimme. Als er eine inzwischen alte Zeugin von damals befragt: „Bei wem ist sie eingestiegen, seid ihr eingestiegen? Reden Sie, Sie sind meine letzte Hoffnung!“ ist er dem Jungen wieder nah, der er damals war, und auch seinen Selbstvorwürfen.

Ihr Sohn August spielt Ihr junges Alter Ego der 70er-Jahre mit großer Präsenz. Überwiegt Stolz oder Skepsis, falls er beruflich in die Fußstapfen des Vaters treten wird?

August war begeistert von dem Team und der Konzentration von so Vielen auf ein gemeinsames Ziel. Er war auf jeden Fall weniger aufgeregt an seinen beiden Drehtagen als ich. Wenn er nach seiner Schulzeit, die er in diesen Monaten abschließen wird, tatsächlich Schauspieler werden will, tja, dann soll er’s versuchen. Er malt, spielt Gitarre, liebt Sport und liest Nietzsche.

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