Fragen an Dani Levy

Regie und Buch

Ein Rennen gegen die Zeit: Flückiger (Stefan Gubser) und Ritschard (Delia Mayer) ermitteln während eines laufenden Konzertes.
Ein Rennen gegen die Zeit: Flückiger und Ritschard ermitteln während eines laufenden Konzertes. | Bild: ARD Degeto/SRF / Hugofilm

Wie haben Sie die Komponisten und die Musik für das im Film dargestellte Benefizkonzert ausgewählt?

Wir hatten von Anfang Spaß an der Idee, dass der "Tatort" in voller Länge live während eines Konzertes stattfinden sollte. In der Entwicklung der Geschichte, des Plots, des Verbrechens wurde mir immer klarer, dass auch das Programm des Konzertes eine Bedeutung und eine Besonderheit haben sollte. Ein relativ beliebiges Medley aus bekannten Klassikern wäre schade gewesen. Da es in der Geschichte um ein Benefizkonzert eines jüdischen Orchesters geht, habe ich angefangen, jüdische Komponisten des 20. Jahrhunderts zu googeln. Dabei stieß ich auf eine schockierend lange Liste von Komponisten, die in den KZs noch komponiert hatten und dann umgebracht wurden. Als ich anfing, diese meist unbekannten Stücke zu suchen und mir anzuhören, war ich begeistert von der Wucht und Emotionalität dieser Kompositionen. Die Stücke, die also während des "Tatorts" gespielt werden, sind größtenteils wenig bekannt, einige sogar regelrechte Funde und Erstaufführungen, wie zum Beispiel die "Sinfonie Nr. 2" von Marcel Tyberg. Es war nicht einfach, die Noten aufzutreiben, aber das Gefühl, verbuddelte und vergessene Meisterwerke zu spielen, hat uns alle elektrisiert.

Wie haben Sie die Stücke in die Dreharbeiten integriert?

Ich habe beim Schreiben der letzten Fassungen versucht, die Stücke auf die Handlung zu bauen, oder anders gesagt: die Musik anzuhören und zu erfühlen, was sie für den Gang der Geschichte bedeutet. Die Länge der Kompositionen hat natürlich nicht automatisch auf die Filmhandlung gepasst, aber da große Teile des Geschehens auch außerhalb des Konzertes stattfinden, ging das irgendwie auf. Es war für uns ein enorm bewegender, aufwühlender Moment, als das Jewish Chamber Orchestra Munich die Stücke auf der Bühne zum ersten Mal gespielt hat. Die ganze, ansonsten so akribisch geprobte Geschichte, bekam plötzlich ein unfassbar emotionales Leben.

Wie sind Sie auf die Backstory von Walter Loving als Intermediär gestoßen?

In unseren Köpfen gab es schon früh den Wunsch, ein Stück relevanter Schweizer Geschichte zu erzählen, unbekannte Schweizer Geschichte. Der Juden- und Israelfreund Walter Loving, der diesen Abend bezahlt und im Zentrum der Geschichte steht, sollte in einer Art Doppelidentität leben, mit einem dunklen Geheimnis. Stefan Brunner und Lorenz Langenegger machten sich daraufhin auf die Suche nach einem unbekannten Thema. Sie vertieften sich in den Bergier-Bericht, der das Verhalten der Schweiz im Zweiten Weltkrieg detailliert untersucht – und stießen auf das Kapitel der Schweizer Intermediäre. Ich selber hatte davon noch nie gehört. Und was mich am meisten überraschte, war die Aktualität des Themas: Geschäftsleute, die mit der Flucht von Menschen Geld machen. Nicht die eigentlichen Fluchthelfer, aber die Geschäftsleute dahinter.

Was bedeutet es Ihnen, diesen Teil der Schweizer Vergangenheit einem breiten Publikum zugänglich und bekannt zu machen?

Jeder Film – und da ist der "Tatort" eigentlich das ideale Gefäß – braucht eine gute Geschichte. Was ist eine gute Geschichte? Erstmal eine, die die Zuschauerin und der Zuschauer nicht kennt. Insofern waren wir erleichtert, dass wir einen Sachverhalt gefunden hatten, der dem breiten Publikum unbekannt ist. Nun liegt der Zweite Weltkrieg natürlich weit zurück und ist thematisch auch oft behandelt worden, trotzdem hatten wir Lust und Überzeugung, dem "Tatort"-Publikum einen Fall von historischer Dimension zu erzählen. Ich denke für die Schweizer wird der Fall sehr besonders sein, aber auch für die deutschen Zuschauerinnen und Zuschauer hat die Geschichte der Schweiz etwas Faszinierendes. Oder nicht?

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