Fragen an Daniel Grossmann

Dirigent des Jewish Chamber Orchestra Munich

Haben Sie die im Film vom Orchester gespielten Stücke der jüdischen Komponisten schon gekannt? Was bedeutet es für Sie als jüdisches Orchester, diese Stücke aufzuführen und einem breiten Publikum zugänglich zu machen?

Bis auf die Sinfonie von Marcel Tyberg kannte ich alle Stücke. Tyberg war mir zwar als Komponist bekannt, mit seiner Musik jedoch hatte ich mich noch nicht beschäftigt. Besonders Schulhoff hat eine wichtige musikhistorische Bedeutung: Er war einer der ersten Komponisten aus dem Bereich der klassischen Musik, die mit Elementen des Jazz experimentierten, und einer der ganz wenigen, die sich mit Dadaismus in der Musik befassten. Natürlich bedeutet es mir unglaublich viel, dass der "Tatort" als eines der meistgesehenen und wohl bekanntesten TV-Formate dem Thema der vergessenen jüdischen Komponisten ein so großes Forum bietet. Schließlich ist das ein Themenschwerpunkt, den das Orchester seit seiner Gründung im Jahr 2005 setzt. Und selbstverständlich fände ich es großartig, wenn durch diesen Auftritt der besonderen Art unsere Arbeit einem noch viel breiteren Publikum bekannt würde.

Wie war es, einen Schauspieler, der kein professioneller Dirigent ist, beim Spielen vor sich zu haben?

In der Tat war es – vor allem auch angesichts des Schwierigkeitsgrades der Stücke – nicht ganz einfach für die Musiker, dass kein "wirklicher" Dirigent den Takt vorgab. Aber Gottfried Breitfuss und ich haben im Vorfeld intensiv gearbeitet, so dass seine Bewegungen am Ende wie die eines professionellen Dirigenten aussahen. Trotz intensiver Vorarbeit ist es natürlich unmöglich, ein Orchester durch so komplexe Werke zu leiten wie ein jahrelang ausgebildeter Dirigent – das wäre zu viel verlangt! Vonseiten der Musiker ist in so einem Fall viel mehr Eigenverantwortung und Selbstorganisation gefordert. Eigenschaften des kammermusikalischen Musizierens stehen also im Vordergrund, auch die Führungsqualitäten des Konzertmeisters sind hier verstärkt gefragt.

Gibt es ausserhalb dieses "Tatorts" die Möglichkeit, die Musik der Komponisten zu hören?

VON ALLEN WERKEN, DIE IM FILM GESPIELT WERDEN, GIBT es glücklicherweise Aufnahmen auf CD. Doch in den regulären Konzertprogrammen sind Komponisten wie Schulhoff, Ullmann und Tyberg immer noch eher selten anzutreffen. Da Musik per se jedoch ihre unbändige Kraft und ihr einzigartiges Potenzial, zu berühren und Emotionen zu wecken, vorrangig im Live-Erlebnis entfaltet, wünsche ich mir, dass diese wunderbare Musik viel häufiger im Konzert gespielt wird.

9 Bewertungen
Kommentare
Bewerten

Kommentare

Kommentar hinzufügen

Bitte beachten: Kommentare erscheinen nicht sofort, sondern werden innerhalb von 24 Stunden durch die Redaktion freigeschaltet. Es dürfen keine externen Links, Adressen oder Telefonnummern veröffentlicht werden. Bitte vermeiden Sie aus Datenschutzgründen, Ihre E-Mail-Adresse anzugeben. Fragen zu den Inhalten der Sendung, zur Mediathek oder Wiederholungsterminen richten Sie bitte direkt über das Kontaktformular an die ARD-Zuschauerredaktion: https://hilfe.ard.de/kontakt/. Vielen Dank!

*
*

* Pflichtfeld (bitte geben Sie aus Datenschutzgründen hier nicht Ihre Mailadresse oder Ähnliches ein)

Kommentar abschicken

Ihr Kommentar konnte aus technischen Gründen leider nicht entgegengenommen werden

Kommentar erfolgreich abgegeben. Dieser wird so bald wie möglich geprüft und danach veröffentlicht. Es gelten die Nutzungsbedingungen von DasErste.de.