Interview mit Robert Thalheim

Regisseur

Während Steffi (Isabella Bartdorff) und Barbara (Victoria Mayer) die Polizei mit Hilfe eines Anwalts dazu bringen wollen, ihnen mehr Informationen über den Stand der Ermittlungen zu geben, schließt Jens (Godehard Giese) sich von den gemeinsamen Aktionen ab und in seiner Trauer ein.
 | Bild: SWR / Johannes Krieg

Neues Team, erster Film, Schwarzwald als Schauplatz: Gab es ein Mantra? Etwas, das in diesem Film unbedingt drin sein sollte – oder gar nicht?

Es war einfach das Ziel, eine gute, glaubhafte, realitätsnahe und berührende Geschichte erzählen. Das klingt vielleicht banal, aber das ist das Einfache, das schwer zu machen ist. Gerade wenn man in einem Format arbeitet, das am Sonntagabend vielen Ansprüchen gerecht werden muss.

Was war das Bild, das Sie von dem neuen Ermittlerteam hervorrufen wollten? Es scheint in diesem ersten Tatort fast so, als sei das Team schon immer da gewesen und nur wir Zuschauer kommen neu hinzu. Wie nah wollten Sie den Figuren in diesem ersten Tatort kommen?

Ich fand es für den Beginn dieser Reihe spannend und ungewöhnlich, ein eingespieltes Team zu erzählen. Kein Bohei daraus zu machen, dass es der erste Tatort mit diesen Ermittlern ist. Zwei Polizisten, die professionell ihre Arbeit machen und deren privater Hintergrund erstmal nicht das Zentrum der Geschichte bildet. Trotzdem haben die Figuren komplexe Hintergründe, haben eine Vergangenheit und auch Konflikte, die sich ja auch in diesem Fall schon andeuten, aber sich erst in den zukünftigen Fällen stärker entfalten werden. Es ist gerade eher in Mode, starke persönliche Geschichten der Ermittler in den Vordergrund zu holen, bevor es zum Fall kommt. Das finde ich teilweise auch spannend, aber manchmal nimmt es auch Aufmerksamkeit von der Geschichte, wenn erstmals Hobby, Privatleben und Eheprobleme eingeführt werden müssen. In unserem speziellen, traurigen und aufwühlenden Fall war es sehr wichtig, dass sich alles auf die Suche nach dem vermissten Kind fokussiert. Auch im wirklichen Leben würde man in so einer Situation private Konflikte zurückstellen.

War die Zusammenarbeit mit den Darstellern eine andere als bei anderen Filmen, weil dieser erste Film für die beiden Hauptdarsteller auch eine Weichenstellung ist?

Ja, natürlich versucht man auszuloten, was sind diese Kommissare für Menschen, was liegt hinter ihnen, was liegt vor ihnen? Das fand ich ja gerade so spannend, dass wir eine neue Welt erfinden konnten und man nicht Teil einer schon jahrelang laufenden Serie ist. Und das ist natürlich auch eine besondere Herausforderung. Jeder Satz liegt erstmal auf der Goldwaage. Wie spricht die Person mit Verdächtigen, wie verhält sie sich in einer Situation, wie nimmt sie Dinge wahr? Mit diesen Fragen beschäftigt man sich ja in jedem Film, aber hier lag schon eine besondere Spannung darauf, weil wir eben die Charaktere nicht nur für einen Film entwerfen.
Das macht natürlich besonders Spaß mit so herausragenden Schauspielern wie Hans-Jochen Wagner und Eva Löbau. Sie bringen eine so starke Präsenz mit und es gelingt ihnen in kurzer Zeit, mit wenigen Augenblicken, fast beiläufig sehr spannende Figuren zu zeichnen. Sie haben sich lange und intensiv mit realer Polizeiarbeit beschäftigt, und auch das merkt man den Figuren an. Ich freue mich auch selbst darauf, die beiden weiterhin ermitteln zu sehen.

Ist "Goldbach" weniger Ermittler-Krimi als Krimi-Drama? Es geht um eine auseinanderfallende Gemeinschaft, auch um zerstörte Illusionen über den Ort, den man sich zum Leben ausgesucht hat. Haben Sie sich um Genre-Fragen Gedanken gemacht?

Ich war sehr dankbar, dass ich die Freiheit hatte, diese Geschichte genau so zu erzählen. Auch wenn es etwas aus dem klassischen Genre herausfällt, dass wir so nahe an den Familien dran sind. Ich habe selbst Kinder in dem Alter, und wenn wir auf dem Land sind, wo sich auch andere befreundete Familien mit uns so eine kleine Welt geschaffen haben, dann sind die Kinder eben den ganzen Tag draußen unterwegs. Ihnen diese Unabhängigkeit geben zu können, ist ja gerade das Schöne, wenn man nicht in der Stadt ist. Aber trotzdem spielt jedes Mal auch der Gedanke mit: Was, wenn etwas passiert und wir nicht rechtzeitig da sein können? Diesen Albtraum, und was der mit befreundeten Familien machen kann, zu untersuchen, das ist die Idee dieses Falls. Und das hat Drehbuchautor Bernd Lange wirklich sehr genau und präzise beschrieben. Mir war es wichtig, dass sehr realitätsnah und authentisch zu erzählen und auch die Momente, die man sonst nicht unbedingt im Fernsehkrimi miterzählen würde, ernst zu nehmen. Wie fühlt es sich an, den Sarg für ein Kind auszusuchen? Wie fühlt es sich an, wenn es plötzlich Verdächtige aus dem Freundeskreis gibt? Was macht so ein Verlust mit einer Beziehung? Darin liegt für mich viel mehr Spannung als im Abarbeiten von zwanzig Verdächtigen und X Wendepunkten und am Ende war es eben der zweite Verdächtige, den wir inzwischen wieder vergessen hatten ... Auch hier hatte ich großes Glück, dass unser Schauspielerensemble so ernsthaft und sensibel zusammengearbeitet hat. Allen voran Godehard Giese zeigt wirklich jeder sehr besondere Momente.

Auslöser dieser Katastrophe sind im Wald versteckte Waffen. Was war Ihnen wichtig an diesem Thema?

Die Präsenz von Waffen im Alltag birgt einfach Gefahren. Es gibt keinen sicheren Umgang mit Waffen. Sie sind gebaut um Menschen zu töten, und es zynisch das zu leugnen. Mir persönlich ist der sportliche Umgang mit Waffen auch sehr fremd. Auf der anderen Seite kann man die Existenz von Waffen in dieser Welt auch nicht leugnen oder zurückdrehen. Polizisten gehen jeden Tag mit Waffen um. Der Exportüberschuss von Deutschland, der Reichtum besonders der Schwarzwaldregion basiert neben der Autoindustrie auf der Rüstungsindustrie. Das ist alles Teil unserer gesellschaftlichen Realität. In diesem Film zeigen wir demgegenüber was eine einzige Kugel anrichten und auslösen kann.

Tatort Schwarzwald ist der Obertitel, der Tatort bespielt die ganze Region. Was macht für Sie den Schwarzwald aus, spiegelt sich womöglich in der Ästhetik?

Gerade diese Geschichte von den drei Familien, die sich hier ein kleines Paradies in drei alten Schwarzwaldhäusern gezimmert haben, passt für mich in diese Region. Es ist einfach wunderschön, wenn man hier durchfährt. Riesige Häuser, große Gärten, neue Autos. Es ist das Idyll von dem jeder Großstädter einmal träumt. Auf der anderen Seite aber eben auch diese starke Präsenz der Natur. Die dunklen tiefen Wälder und Seen. Wie eine bedrohliche Kehrseite der Idylle. Das hat mich natürlich gereizt. Mir war es wichtig, diesen Schwarzwald nicht pittoresk, wie eine Postkarte, zu zeigen, sondern eher die raue und etwas wilde Seite zu betonen. Wir haben versucht, das mit dem Licht, der Kameraführung und dem Szenenbild zu unterstützen. Dafür war es auch sinnvoll, früh im Jahr zu drehen, wenn die Wiesen noch nicht grün sind. Wir haben auch in den Innenaufnahmen versucht dieses Thema aufzunehmen. Fast überall gibt es Holzanteile, auch im Kommissariat. Die Häuser der drei Familien sind alles alte Schwarzwaldhäuser, die mit der Zeit auf unterschiedliche Weise bearbeitet wurden und so den Charakter ihrer Bewohner spiegeln.

Ganz praktisch: Was waren die Tücken beim Drehen im Hochschwarzwald – und was die Kompensation?

Wir hatten mit den Wetterumschwüngen zu kämpfen. Wir mussten für viele Motive mehrere Optionen suchen, weil einige je nach Wetterlage nicht zugänglich gewesen wären. Niemand konnte uns sagen, ob in dieser Zeit Schnee liegt oder es frühlingshaft warm wird. Als wir uns beispielsweise die Kameraeinstellungen an unserem Hauptdrehort überlegt haben, waren 20 Grad, wir hatten T-Shirts an und ich habe mir einen Sonnenbrand geholt. Als wir dann nur wenige Tage später drehten, lagen 50 Zentimeter Schnee. Ich wollte aber auf keinen Fall darauf verzichten, viel draußen zu drehen, da ja der Schwarzwald auch unser Thema war, wie ein Protagonist der Geschichte. Ich habe dem Team gesagt: "Das Wetter ist einer unserer Schauspieler, ein knorrige alte Theaterlegende. Der macht manchmal, was er will, schenkt uns dafür aber auch große Augenblicke. Darauf müssen wir uns einfach einstellen!" Und so war es auch. Dass dieser erste Drehtag, wenn die Familien das erste Mal von dem Unglück erfahren, im Schneetreiben stattfindet, ist ein großes Geschenk für den Film. Es spiegelt die Stimmung. Durch den Film schmilzt der Schnee dann langsam ab und gibt den Blick frei auf das was unter der Oberfläche liegt ...

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