Gespräch mit Emilia Schüle

Marie Jäger (Emilia Schüle) ist "national feminin"
Marie Jäger, eine kluge und attraktive Jura-Studentin, war mit ihrem erfolgreichen Blog „National feminin“ ein Star der jungen, rechten Szene und Aushängeschild der „Jungen Bewegung“. | Bild: NDR / Frizzi Kurkhaus

»Ich bin sehr beunruhigt.«

Sie spielen die Studentin Marie Jäger, eine Bloggerin der Neuen Rechten. Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?

Ich habe viele Stunden recherchiert. Dabei habe ich versucht, die Struktur und die Kernwerte der Identitären zu verstehen. Es gibt sehr viel YouTube Material aus der Identitären Szene, da sie online sehr gut organisiert ist.

War Ihnen vor den Dreharbeiten bewusst, dass es eine rechte Blogger-Szene gibt, und wie haben Sie die jungen Frauen dort wahrgenommen?

Die Identitären haben in den letzten Jahren große mediale Aktionen umgesetzt, die nicht an mir vorbei gegangen sind. In Berlin haben sie zum Beispiel ein Banner vom Brandenburger Tor herabgelassen. Schaulustige jubelten ihnen zu, unwissend, wer hinter dieser Aktion steckt. All das ist auf YouTube dokumentiert. Es gibt auch ein paar weibliche "Stars" in der rechten Blogger-Szene. Diese sind optisch kaum von anderen Gleichaltrigen zu unterscheiden. Sie inszenieren sich sehr feminin. Der Schutz der Frauen ist eines ihrer primären Themen, die sie für sich instrumentalisieren.

Was beabsichtigen sie damit?

Die Identitäre Bewegung möchte sich klar unterscheiden von der alten Rechten. Sie will das Volk erreichen, keine Subkulturen. Ihre Mitglieder wollen Mainstream werden, um dadurch Einfluss auf ihn zu nehmen. Das macht sie gefährlich, denn es hilft ihnen, nationalistische Themen salonfähig und "hip" zu machen.

Welche Werte und Moralvorstellungen wollen Marie und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter bewahren? Was treibt sie an?

Marie und die "Junge Bewegung" wollen mit allen Mitteln die "ethnokulturelle" Identität der europäischen Völker erhalten. Der "große Austausch" soll unbedingt verhindert werden: Dieser wird angeblich verursacht durch eine unaufhaltsame Islamisierung der Gesellschaft. Sie fürchten um die Entwurzelung der lokalen Identität. Mit ihren Aktionen möchte sie die Legitimität der herrschenden Strukturen angreifen. Ich selbst bin sehr beunruhigt über dieses rechtsnationale Denken und den wachsenden Einfluss der rechten Parteien in Europa. Aber ich hoffe auf die Stärke der Demokratie und darauf, dass jeder Einzelne seine Stimme bei Wahlen nutzt, um diese zu stärken und das Deutschland, in dem wir leben wollen, aktiv mitzugestalten.

War es schwierig für Sie, sich in diese nationalistisch gesinnte junge Frau hineinzuversetzen?

Ich selbst bin in Deutschland mit meiner Familie eingewandert, und wir haben uns hier integriert. Ich habe einen deutschen Pass, ich fühle mich wie eine Deutsche, obwohl ich in Russland geboren bin und meine Großeltern Russisch sprechen. Ich liebe Europa, und vor diesem Hintergrund ist für mich die Angst vor dem Fremden schwer nachvollziehbar. In meinem engeren Umfeld gibt es viele Menschen "nicht-deutscher Herkunft". Ich habe nicht den Eindruck, dass das für irgendjemanden eine Rolle spielt, uns verbindet die Arbeit oder gemeinsame Interessen. Das liegt sicherlich daran, dass ich mich hauptsächlich in einer großstädtischen und relativ weltoffenen Umgebung aufhalte. Manche würden das vielleicht als "Blase" bezeichnen.

Marie Jäger beginnt eine Affäre mit ihrer Jura- Professorin Sophie Behrens. Warum macht sie das?

Sophie Behrens ist eine hochangesehene Professorin und Maries Inspiration und Vorbild. Marie wird Sophies studentische Hilfskraft und so entsteht eine Affäre zwischen den beiden. Während Marie sich nur ausprobieren möchte, will Sophie sich öffentlich zu der Beziehung bekennen. Das bringt Marie in einen Konflikt, schließlich verurteilen Bewegungen wie die Identitären homosexuelle Beziehungen. Frauen aus der Identitären Bewegung bezeichnen sich als Feministinnen und prangern gleichzeitig den "alten" Feminismus an, der Frauen angeblich diskreditiert, wenn sie das Kinderzimmer der Karriere vorziehen. Wird hier der nationale Feminismus benutzt, um veraltete Rollenmodelle zu reaktivieren oder ist die Kritik berechtigt? Zuallererst möchte der Feminismus, dass jede Frau tun und entscheiden kann, was sie möchte. Und dass die Entscheidung hin zur Hausfrau genauso akzeptiert wird wie die Entscheidung hin zur Businessfrau. Der nationale Feminismus stellt den modernen Feminismus jedoch so dar, als würde er einen Irrweg für Frauen propagieren und fordert Frauen dazu auf, sich wieder mit ihrer "Weiblichkeit" und Rolle als Mutter zu identifizieren. Ferner wird der "Kampf der Frau für die Nation" hervorgehoben, mit jedem Kind, das die Frau zur Welt bringt. Außerdem möchte der nationale Feminismus die naturgegebenen Unterschiede zwischen den Geschlechtern wieder vollends anerkennen. Somit geschieht ein aktiver Ausschluss der gesamten LGBTIQ+ Community, und alte Rollenmodelle werden in der Tat wieder reaktiviert.

Ist es für Sie persönlich nachvollziehbar, dass sich trotzdem manche jungen Frauen von den Botschaften angezogen fühlen?

Eine Frau muss heute tatsächlich vielen gesellschaftlichen Ansprüchen gerecht werden. Sie soll studiert sein und Karriere machen, Mutter werden, Ehefrau und Liebhaberin sein, sich fit halten und noch vieles mehr. Ich glaube also, dass Frauen sehr wohl unter viel Druck und vor allem Beobachtung stehen. Und es gibt heutzutage kaum noch Frauen, die Familie und Kinder der Karriere vorziehen. Ich kann in gewisser Weise nachvollziehen, wenn sich Frauen, die sich für diesen Lebensweg entscheiden, bei den traditionellen Rollenbildern der Identitären aufgehoben fühlen. Das sind sicher Frauen, die Halt und Struktur im Leben suchen. Das Internet spielt hier eine wichtige Rolle, denn es gibt neben rechten Bloggerinnen auch eine ganze Reihe von YouTuberinnen, deren konservative und antifeministischen Kanäle ziemlichen Erfolg haben.

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