Interview mit Philip Koch (Regisseur und Autor)

Die Obduktion soll klären, ob das Opfer an den Folgen starker Bissverletzungen gestorben ist. (v.l.: Hauptkommissar Stedefreund (Oliver Mommsen), Hauptkommissarin Inga Lürsen (Sabine Postel), Rechtsmediziner Dr. Katzmann (Matthias Brenner))
Eine Obduktion soll klären, ob das Opfer tatsächlich an den Folgen starker Bissverletzungen gestorben ist. | Bild: Radio Bremen / Christine Schröder

Philip Koch, Sie haben beim Bremer "Tatort: Blut" Regie geführt und gemeinsam mit Holger Joos das Drehbuch geschrieben. Es geht darin um den Mord an einer jungen Frau, die gebissen worden ist. Wie sind Sie auf die Idee für diesen Krimi gekommen?

Ich arbeitete schon seit längerem an der Idee für einen Spielfilm, der das übernatürlich aufgeladene Thema "Vampirismus" erdet und auf eine menschlich-emotionale Facette hinunterbricht. Der mit der Motivik genauso spielerisch umgeht wie mit den Genres selbst. Und der am Ende eine überraschende – und auch sehr tragische – Wendung offenbart, die alles zuvor Gesehene relativiert und letztlich, bei aller Mystifizierung, vermenschlicht. Es ergab sich dann glücklicherweise, das Ganze in Form eines Kriminalfalls für den Bremer Tatort zu erzählen, der ja immer wieder mutige narrative Ansätze hat.

Schockmomente, viele Nachtszenen, Fiktion und Realität verschwimmen ineinander. Im Tatort - Blut geraten die Ermittlungen – insbesondere für Hauptkommissar Stedefreund – zunehmend zum Albtraum. Hatten Sie von Anfang an vor, den Film in dieser Form zu erzählen?

Ja, das war von Anfang an geplant. Es geht – primär ausgehend von Stedefreunds Erzählstrang – viel weniger um übernatürliche Vampire selbst, als vielmehr die Angst, die die Vorstellung von ihnen auslöst. Die Angst vor dem Unbekannten, dem Nicht-Sichtbaren, vor dem, was buchstäblich im Schatten liegt. Und was sie mit uns macht. Daher bedient sich der Film, der im Kern zwar ein Krimi ist, immer wieder auch auf spielerische Weise den Stilmitteln anderer Genres, vor allem des Gruselfilms.

Was bedeutet das konkret für die Inszenierung?

Die Schauspieler müssen an die Grenzen gehen, was das Spielen von Angst, Panik und die eigenen seelischen Abgründe betrifft. Sie müssen sich permanent in emotionale Extremsituationen begeben. Das ist herausfordernd und anstrengend, macht aber auch viel Spaß. Ästhetisch ist das Spiel zwischen Licht und Dunkelheit nicht nur für das Genre, sondern vor allem auch bei der Thematik stilgebend: Es ist nicht nur eine Metapher für den tragischen Hauptkonflikt des Täters oder der Täterin, sondern sorgt auch in vorsichtiger Dosierung für die Spannung der Geschichte: Was sehen wir und in welchen Schatten kann die Bedrohung liegen?

Vor acht Jahren haben Sie mit ihrem Spielfilmdebüt "Picco" bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes für Furore gesorgt. Darin ging es um die Folter an einem Gefängnisinsassen durch seine Zellengenossen. Auch diesmal behandeln Sie ein sehr brutales Thema. Woher kommt Ihre Vorliebe für solche Themen?

Ich gehe mit meinen Geschichten fast immer dorthin, wo es weh tut. Wo blinde Flecken in unserer Gesellschaft oder in uns selbst verborgen sind. Das mag emotional nicht immer einfach sein, aber ich glaube an das kathartische Moment bei Geschichten. Der Weg zur Wahrheit führt durch die Dunkelheit. Die Geschichten, die uns wehtun, die uns bewegen, sind die, die uns zum Nachdenken anregen, die Weckrufe sind und die uns zum Reden und Handeln ermutigen können.

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