Gespräch mit Autor Frédéric Hambalek und Regisseur Dustin Loose

Dreharbeiten zu "Der neue Freund" (AT) - v. li.: Dustin Loose, Corinna Harfouch, Louis Nitsche, Produzentin Sophie von Uslar und ganz rechts Karin Hanczewski.
Dreharbeiten zu "Der neue Freund" (AT) - v. li.: Dustin Loose, Corinna Harfouch, Louis Nitsche, Produzentin Sophie von Uslar und ganz rechts Karin Hanczewski.  | Bild: SWR / Christian Schulz

Dustin Loose, drei Schauspieler und ein Haus, darauf konzentrierte sich Frédéric Hambaleks Drehbuch. War es das, was Sie gereizt hat?

DUSTIN LOOSE Gereizt hat mich in erster Linie natürlich Frédérics Drehbuch. Wenn man sich in diesem reduzierten Kammerspielkonzept – drei Leute, ein Raum – bewegt, steht und fällt ja alles mit der Kraft des Drehbuchs und der Ideen, die darunterliegen. Viel mehr als am Plot hängt es an der Qualität der Dialoge und der Dinge, die nicht gesagt werden, die zwischen den Zeilen liegen. Da hat mich das Drehbuch zu »Der neue Freund« sofort überzeugt, und ich habe verstanden, dass das, was die Figuren miteinander auskämpfen, genau dort stattfindet. Als Regisseur bringt mich das in eine sehr schöne und angenehme Situation, denn ich darf das mit drei Spieler*innen und der inspirierenden Arbeit aller künstlerischer Gewerke zum Leben erwecken und schauen, was auf diesem Weg passiert. Man hechelt nicht Motivwechseln, großen Aufbauten und anderen organisatorischen Dingen hinterher, sondern kann zum Wesen der eigenen Arbeit zurückkehren. Dass man bei so einer Arbeit den Blick schärfen muss, weil man viel mehr in die Tiefe und viel mehr ins Detail gehen muss, ist das, was mich als Regisseur unglaublich reizt. Daneben gab es natürlich die Herausforderung, dass ich alle Spieler*innen die gesamte Zeit vor der Kamera hatte. Das heißt, dass ich meinen Blick auf alle drei verteilen und alle drei sehen und wahrnehmen und auch verstehen lernen muss. Das ist einfach eine sehr besondere Arbeit.

Frédéric Hambalek, Corona war nicht ganz unschuldig an der Idee zu diesem Film, aber was war für Sie darüber hinaus spannend an dieser Idee?

FRÉDÉRIC HAMBALEK Für mich bedeutete diese Idee eine vollkommen neue Herangehensweise an das Schreiben eines Drehbuchs. Normalerweise leiste ich viel Vorarbeit, ehe ich mich ans Drehbuch setze. Ich überlege mir genau, wie und was ich erzählen will – mit Hilfe von Karteikarten und Notizen und so weiter. Das Buch kommt dann ganz zum Schluss, da ist alles schon relativ weit festgelegt. Hier waren einfach diese drei Figuren in einem Haus, die miteinander reden, und dann war es etwas Neues für mich, zu sagen: ich schreib jetzt einfach mal drauf los und lasse mich von diesen Figuren überraschen. Das war befreiend und auf jeden Fall eine neue Erfahrung.

Der Raum, das Haus, hat in dieser Konstellation eine besondere Bedeutung.

DL Das Drehbuch hätte auch in einem nackten Raum getragen. Aber in der Motivsuche und in der filmischen Umsetzung haben wir das Haus als weitere Figur dazubekommen. Ein Haus, das mit seinen Räumen auch erzählt, manchmal zu viele Blicke zulässt, manchmal zu wenige, dass das Ganze sozusagen umarmt.

FH Absolut. Allerdings war diese vierte Figur im allerersten Entwurf eine Berliner Penthousewohnung mit Dachterrasse. Im zweiten habe ich das geändert und ein wenig mehr ins Ländliche gelegt, etwas abgelegener, um die Isolation noch stärker spürbar zu machen. Ansonsten war wenig beschrieben, außer dass es eine Terrasse gibt, auf die man rausschauen kann. Es ist Dustins Verdienst, dieses Haus viel mehr spürbar gemacht zu haben.

DL Es ist natürlich auch die Vision unserer Szenenbildnerin Myrna Wolff, die das Haus gefunden und so vielfältig bespielbar gemacht hat, sodass es eine Bühne und eine Einladung für unsere Spieler*innen wurde. Es sollte in der Balance bleiben zwischen einem Fremdkörper für die Tochter und gleichzeitig einem Zuhause und einer Art Selbstverwirklichung für die Mutter. Wie schaffen wir eine Verbindung zwischen dem Haus und der Natur? Wie gelingt uns der Seiltanz zwischen Geborgenheit und Klaustrophobie? – das waren viele Fragen, mit denen sich auch der Kameramann Clemens Baumeister auseinandergesetzt hat. Und der Möglichkeit bei so einer besonderen Erzählung zwischen den Genres zu changieren, sie gegeneinander auszuspielen. Wir können Drama oder Thriller sein, Horrorfilm oder Komödie. Eine der wichtigsten Überschriften für mich war dabei, dass es Spaß machen soll, den Film anzuschauen. Dass man Lust hat und verlockt wird, mit diesen drei Spieler*innen durch den Film zu rauschen. Es war wunderbar, mit einer Redakteurin wie Katharina Dufner zusammenzuarbeiten, die sich auch traut, Genremixe zuzulassen, die Lust darauf hat, zu erkunden, wo unterschiedliche Genres einander treffen und was daraus für eine neue Sprache entstehen kann. »Der Neue Freund« sitzt zwischen den Stühlen, aber da sitzt er genau richtig.

FH Dustin hat es geschafft – und das geht auch von diesem Haus aus – diesem Film einen Stil zu verpassen, eigentlich zwei Stile, die mit den beiden Zeitebenen einhergehen, die einander kontrastieren und ergänzen. Man ist sich nie ganz sicher, in welche Richtung es denn jetzt kippen wird.

Das Haus ist kein Gefängnis, sondern bringt Offenheit mit?

DL Am Ende ist es halt doch eine Laborsituation. Da werden drei Figuren eingesperrt und wir sehen dabei zu, was passiert. Unter diesem Brennglas kommen die Themen raus. Man kann sich nicht mehr verstellen und nicht voreinander weglaufen. Das macht den Charme dabei aus.

Sollte die Verschränkung der Zeitebenen möglichst bruchlos sein?

DL Wir erzählen zwei Tage – einen sommerlichen Nachmittag und eine Winternacht. Das Bemerkenswerte dabei ist, dass die Zeitsprünge irgendwann gar nicht mehr wahrgenommen werden, weil die Themen und Sehnsüchte, aber auch die Konflikte unserer Figuren eine ganzheitliche Erzählung bilden. Das war im Drehbuch angelegt, ist aber auch der Montage von Anna Nekarda zu verdanken. Wir haben lange daran gearbeitet, diese Sprünge zu bewältigen und trotzdem nie zu verlieren, warum wir eigentlich zuschauen und was unsere Figuren eigentlich wollen. Auch an der Frage, in welchen Momenten, und das sind manchmal Millisekunden, wir unsere Figuren verlassen oder ihnen wieder begegnen.

FH: Es muss bei einem solchen Film eine innere Dramaturgie geben, die eigentlich gar nichts damit zu tun hat, in welcher Ebene man sich gerade befindet. Das muss etwas mit den Gefühlen zu tun haben, mit den Informationen, die aufkommen und bewältigt werden müssen. Es war auf jeden Fall so angelegt, aber erst im Schnitt wurde die richtige Balance und der richtige Rhythmus gefunden.

Haben Sie eine Tonalität oder den Grad von Realismus festgelegt?

FH Nein. Wenn ich ein Drehbuch schreibe und jemand anderes die Regie übernimmt, ist es gerade das Schöne, zu sehen, wie jemand anderes den Text aufgreift und nach seiner Vorstellung umsetzt. Wovor ich Sorge hatte, war, dass es kippt. Aber das war im Gespräch mit Dustin schnell klar, dass das nicht passieren wird. Und es hat sich so auch vollkommen eingelöst. Es hätte aber auch eine Tonalität bekommen können, in der es zu, sagen wir, pilcheresk wird.

DL Dass es zu ausgestellt wird.

FH Ja.

DL Mich reizt ja das Groteske. Nirgendwo kochen die Emotionen so schnell und massiv nach oben wie bei Familientreffen. Man nimmt sich vor, sich zurückzuhalten, aber dann braucht es nur einen Funken und Menschen explodieren. Mir war klar, wir brauchen diese Energie, dieses Lustvolle, dass die Figuren in der Lage sind, in ihrem Schmerz und in der Absurdität ihres eigenen Seins auch einfach lospoltern zu dürfen. Nie aufgesetzt, nie hysterisch, aber ich wollte ein bisschen zündeln. Das Unterden-Teppich-kehren haben die Figuren seit Jahren sehr gut praktiziert, jetzt ziehen wir den Teppich mal weg.

Man spürt, dass die Figuren wissen, wie sie einander weh tun können.

DL Menschen sind gnadenlos. Sie versuchen, ihren eigenen Schmerz als Schutzschild zu benutzen. Vor allem, wenn man sich aus dem Weg gehen kann. Umso spannender ist so eine Konstellation wie bei »Der neue Freund«, in der man sich nicht aus dem Weg gehen kann und dann noch eine unschuldige Figur dazukommt, die für die Beteiligten so sehr zur Projektionsfläche wird, dass sie dann selbst meint, das auch erfüllen zu müssen.

FH Die Konflikte sind alle schon da, es fehlte nur noch der Katalysator, und der taucht dann auf. Man weiß nicht, ist er schuldig oder unschuldig, das ist auch das Schöne daran. Und er bringt die anderen Figuren dazu, alles auf den Tisch zu legen. Und gerät dann vielleicht in die Schusslinie.

Und kämpft er nicht auch gegen eine vierte, unsichtbar anwesende Figur, den verstorbenen Vater? Der ist in gewisser Weise ja auch anwesend.

FH Der ist extrem anwesend, ja. Man könnte sogar sagen, dass er der Auslöser für die ganze Geschichte ist.

DL Ich glaube auch, dass die den alle dringend loswerden müssen. Aber um ihn loszuwerden, muss der Geist erstmal ausgetrieben werden, um ihn dann endlich gehen zu lassen. Am Ende ist es auch ein Film darüber, wie man mit Verlusten umgeht, und wie Verluste dazu führen können, auch wieder zueinander zu finden.

War es schwierig, festzulegen, wie die Emotionen dosiert werden, wer gerade in der Vorhand ist?

FH Für mich waren es zwei konkurrierende Arten zu leben. Johanna, die ständig in die Vergangenheit blickt und nicht loslassen kann, und Henriette, die, wie Johanna findet, viel zu schnell loslassen kann und immer in die Zukunft blickt. Die sagt, es ist schade, was passiert ist, aber ich lebe weiter. Das sind zwei Philosophien, die aufeinanderprallen, miteinander kämpfen und untereinander ausmachen, wie man eigentlich leben sollte, und wie man mit einem Verlust umgehen sollte.

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