Interview mit Brigitte Maria Bertele

Regie

Regie: Brigitte Maria Bertele.
Regie: Brigitte Maria Bertele.

Wie sind Sie zu dem Projekt gekommen?

Der Sender und die Produktion haben mir im Sommer 2014 das Drehbuch geschickt, eine frühe Fassung, und mich gefragt, ob ich Interesse an dem Stoff hätte. Ich fand das Buch wirklich außergewöhnlich. Beim NDR hatte ich dann eine Art Regiecasting. Dazu wurden noch zwei weitere Regisseure eingeladen. Glücklicherweise hat man sich am Ende für mich entschieden.

Wissen Sie, warum die Wahl auf Sie fiel?

Angeblich kam ich ihrer Vision am nächsten. Was mich von Anfang an fasziniert hat, ist dieses großartige Pokerspiel. Niemand spricht aus, welche Absichten er verfolgt. Die Dialoge sind wie Maskierungen, hinter denen sich die wahren Interessen verbergen. Dazu kommt das gegenseitige Belauern. Weiß mein Gegenüber mehr als ich? Wie kann ich die Person auf eine charmante Art für mich einspannen, ohne dass sie es merkt? Politik und Presse gehen immer wieder Mesalliancen ein. Beide haben eine Lust daran, dieses Spiel miteinander zu spielen. Es hat mich sehr gereizt, diesen großen Schauspielerstoff mit Tempo und mit Biss zu inszenieren.

Ist es nicht die Aufgabe des Journalisten, die Macht zu kontrollieren statt Machtspielchen zu spielen?

Würden Politiker und Journalisten nicht miteinander in Verbindung treten, dann würde keiner auf seine Weise so weit kommen. Ihre Kollaboration birgt auf der anderen Seite natürlich die Gefahr des Missbrauchs. Doch die Grenzen sind fließend. Ab welchem Moment verstößt man gegen ein journalistisches Ethos? Ist es legitim, seine Verbindungen zu nutzen und unter einem Vorwand an Informationen zu gelangen? In meiner Jugend hat mich die Arbeit von Günter Wallraff sehr beeindruckt. Er hat bei seinen Recherchen manche fragwürdige Mittel eingesetzt, aber seinen Lesern dadurch Zugang zu Welten verschafft, die ihnen sonst verborgen geblieben wären.

Was halten Sie von dem berühmten Lehrsatz, Journalisten sollen "sich nicht gemein machen, auch nicht mit einer guten Sache"?

Es ist durchaus in Ordnung, wenn sich ein Journalist als Mitgestalter versteht, weil er die Politik durch seine Aufklärung tatsächlich verändern kann. Aber es ist nur ein kurzer Weg bis zur Hybris, die in meinem Metier übrigens nicht weniger verbreitet ist. Viele Regisseure sagen: Mit meinen Filmen reflektiere ich gesellschaftliche Prozesse und rege ein Millionenpublikum zum Nachdenken an. Eine solche Haltung ist völlig legitim, doch einige Leute rutschen in eine extreme Form von Selbstüberhöhung ab.

Dem Journalisten in Ihrem Film ist beinahe jedes Mittel recht, um einen Skandal aufzudecken. Ist er eine positive Figur?

Grundsätzlich sehe ich ihn als einen engagierten Pressemann, der seinen Beruf mit Leidenschaft ausübt, sich in den Dienst der Wahrheit stellt und keine Scheu hat, Politiker mit den Ergebnissen seiner Recherchen zu konfrontieren. Mit der Zeit ist bei ihm allerdings eine gewisse "Déformation professionnelle" aufgetreten. Die Strukturen des Marktes und der Online-Journalismus im Besonderen haben ihn geprägt und desillusioniert.

Er lügt, stiehlt und erpresst.

Es war uns sehr wichtig, ihn auch als Privatperson zu erzählen. Er ist als alleinerziehender Vater in wirtschaftlicher Not, die Honorare als Freier sind erschreckend gering. Er steht unter Druck, endlich den Durchbruch zu schaffen. Dabei begeht er den einen oder anderen Fehltritt. Ob der Zweck die Mittel heiligt? Wenn ich davon überzeugt bin oder es im Gespür habe, dass ein Skandal vertuscht werden soll, dann ist ein Regelverstoß in meinen Augen völlig legitim. Ich glaube, man kann in diesem Beruf nicht immer 100 Prozent korrekt arbeiten. Da kommt keiner mit ganz weißer Weste durch. Unter dem Strich ist er aber eine Figur, die bei allem Ehrgeiz nach idealistischen Prämissen handelt.

Journalisten klagen, sie würden in der Fiktion immer so schlecht wegkommen.

Aber nein, um Gottes Willen! Als Filmemacherin nimmt man sich natürlich die Spitze des Eisbergs vor. Es geht uns ja nicht um eine repräsentative Darstellung des deutschen Journalismus, sondern um eine schillernde Figur mit Ecken und Kanten, der man mit Spannung folgt.

Gibt es ein Vorbild für die junge Politikerin?

Wir haben uns nicht an einer konkreten Person orientiert. Die Figur ist ein Destillat aus mehreren Frauen, die mit jungen Jahren in der Politik Karriere gemacht haben. Wir haben uns die Lebensläufe einiger Ministerinnen genauer angeschaut und uns gefragt: Wie weit können sie mit kritischen Positionen von der Parteilinie abrücken, ohne damit ihre Karriere aufs Spiel zu setzen? Darf man als Politiker überhaupt eine persönliche Kontur haben oder muss man, um mehrheitsfähig zu sein, immer die Parteimitte verkörpern?

Sie tut immer so unschuldig. Ist sie nicht auch ganz schön durchtrieben?

Mein inneres Bild von ihr ist Zweiteres. Sie kennt das Metier von klein auf. Ihr Vater hat alle großen konservativen Politiker der Bonner Republik beraten. Wenn sie sich im politischen Ränkespiel als Bauernopfer darbietet, handelt sie aus reinem Kalkül. Sie hält sich so die Karrierewege offen.

Sie verliebt sich in den Journalisten. Kann diese Liebe gelingen, wenn man sich im Job so misstraut?

Die Unmöglichkeit ihrer Liebe gefiel mir sehr als Motiv. Es hat mich an große dramatische Weltliteratur erinnert, in der die Liebe aus Standesgründen scheitert oder weil man dem falschen Clan angehört. In unserem Fall kommt der Beruf in die Quere. Das Herz springt an, aber die Ratio steht einer Liaison entgegen. Diese Zerrissenheit mochte ich sehr. Man denkt ja, jeder kann jeden lieben und heiraten. Doch es gibt Metiers und Milieus, die schwer zu vereinbaren sind.

Als Zuschauer hat man das Gefühl, in die einzelnen Szenen hineinzuplatzen. Wie haben Sie das gemacht?

Das ist schon im Drehbuch so angelegt. Für gewöhnlich hat jede einzelne Szene einen Auftakt, einen Mittelteil mit Pointe und einen Abschluss. Wir haben uns radikal gegen dieses dramaturgische Prinzip entschieden und sind meistens direkt in die Dialoge in der Mitte hineingesprungen. So entsteht der Eindruck, es sind schon Sätze gesprochen worden, bevor wir mit der Kamera dazukommen. Die Szenen sind oft nur Fragmente, die wir sehr dicht aneinandergereiht haben. Alles wird auf seine Essenz reduziert und auf ein durchgehend hohes Tempo gebracht. In meinen früheren Filmen habe ich auch oft langsam erzählt, nonverbal und mit vielen Pausen. Ich kann mich für die unterschiedlichsten Stile begeistern. Aber dieser Politthriller brauchte eine temporeiche, fiebrige und virulente Erzählweise in einem Takt, der dem Online-Journalismus entspricht.

Sie sind ausgebildete Schauspielerin. Wissen Sie besser als viele andere Regisseure, was Schauspieler brauchen?

Ich habe als Theaterschauspielerin häufig die Erfahrung gemacht, dass Regisseure die Szene vorspielen. Das brachte mir überhaupt nichts. Ich musste meinen eigenen Weg finden, um diese Momente zum Ausdruck zu bringen. Mir hat es sehr geholfen, dass jemand die richtigen Stimuli setzt. Eine gute Regie nimmt minimalistische Eingriffe an den richtigen Stellen vor, so wie ein guter Akupunkteur, der seine drei Nadeln dorthin setzt, wo viel Energie fließen soll. Ich bin über die Jahre immer zurückhaltender geworden mit meinen Regieanweisungen.

Da hilft ein starkes Ensemble.

Ich fühlte mich bei diesem Projekt gleich mehrfach beschenkt. Mit einem großartigen Drehbuch. Mit Georg Feil als Produzenten, der leidenschaftlich für Film agiert. Und mit einem hervorragenden Cast. Benno Fürmann bringt eine enorme Spiellust und tolle Präsenz mit. Er ist immer wahnsinnig gut vorbereitet, trotzdem offen für spontane Einfälle und bereit loszulassen und zu experimentieren, wenn sich im Prozess neue Erkenntnisse ergeben. Diese Mischung trifft man nicht oft an. Franziska Weisz kann mit großer Leichtigkeit charmant und klug sein. Sie bringt eine Klasse als Frau mit, die man sich nicht einfach erspielen kann. Es gibt nicht viele Frauen in diesem Alter, die auf eine so nonchalante Art den Raum betreten können. Und Oliver Masucci ist der verschlagene Spieler par excellence. Er ist die Traumbesetzung für die Rolle des Chefredakteurs, weil er den jugendlichen Herausforderer genauso verkörpert wie im nächsten Augenblick den harten Entscheidungsträger. Ich liebe die Arbeit mit den Schauspielern. Sie ist das Herzstück in allen meinen Filmen.

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