Tabu in der Schule - Lehrer am rechten Rand

Eigentlich ist die Sache klar: Lehrer müssen sich an die freiheitliche demokratische Grundordnung halten, für die Demokratie eintreten. Doch REPORT MAINZ -Recherchen zeigen: Es gibt Fälle, die Fragen aufwerfen.

Sie sind Lehrer. Und sie haben ein Problem. Es geht um ihren Kollegen. 
Der sie regelrecht mürbe macht. Den Schlaf raubt. Sie wollen nicht erkannt werden. Ihre Vorwürfe sind schwerwiegend: 

Anonymer Lehrer 1:  
„Ich hatte etliche schlaflose Nächte. Diese Hilflosigkeit. Die haben uns an die Schule einen Rechtsextremen hingesetzt.“ 

Anonymer Lehrer 2:  
„Der sitzt jetzt hier vor den Kindern. Und ich kann nichts machen.” 

Um die beiden zu schützen, haben wir das Interview nachgestellt. Ihre Schule, so sagen die beiden, soll von all dem hier nichts erfahren. Denn der Mann, um den es geht, ist kein Unbekannter. Er ist für die AfD mehrfach bei Wahlen angetreten. Und macht auch öffentlich aus seinen Überzeugungen keinen Hehl.  

Weltbild eines Lehrers 

In TV- und Zeitungsinterviews beschwert er sich über angebliche Werbung für Homosexualität und Geschlechtsumwandlung in den Medien. Und er spricht über die im Vergleich deutlich höhere Reproduktion muslimische Einwanderer, die irgendwann zum Problem werden könnten. Man könne sich das ausrechnen. In bis zu 80 Jahren sei durch die derzeitige Migration die Bevölkerungsmehrheit muslimisch. Das Ende unserer Kultur. 
 
Die beiden Lehrer erzählen: Anfangs hätten sie noch deutlich widersprochen, bei Diskussionen etwa im Lehrerzimmer. Aber weil das alles ohne Folgen blieb, seien sie immer stiller geworden. 

Während ihr Kollege weiter unterrichtete. Allein im Klassenraum, mit seinen Schülern.  

Anonymer Lehrer 1:  
„Die Schüler sehen halt: guck mal, da ist einer, der ist antidemokratisch und der steht hier und hat Macht über mich. Was macht das denn mit so einem Kind?”  

Und das in einer Zeit, in der Rechtsextremismus immer mehr Raum gewinnt. 
Darauf deuten jedenfalls die offiziellen Zahlen hin, zumindest in den Bundesländern, wo rechtsextremistische Vorfälle an den Schulen erfasst werden.  

Zunahme an rechtsextremistischen Vorfällen 

In Brandenburg waren es im vergangenen Jahr 475 Fälle, 223 Prozent mehr als 2023. In Hessen waren es 172, 364 Prozent mehr.  
452 Fälle waren es in NRW, ein Anstieg um von 63 Prozent und in das allen Bildungseinrichtungen.  

Die neue rechtsextreme Jugendkultur? Ungefilterte Eindrücke von vor wenigen Wochen aus Sachsen und Thüringen inklusive Gelebter Ausländerfeindlichkeit. 

Ausschnitte aus Interviews mit rechten Jugendlichen, Dokumentation von Hessencam
"Die kommen hier nach Deutschland, kriegen jeden Scheiß in den Arsch geschoben und benehmen sich dann so und wundern sich, warum es rechtsradikale gibt.” 
 
“Die meisten jugendlichen sind rechts, ich bin auch rechts. Ich bin offen rechts ja.” 
 
“Wir sind einer der erfolgreichsten rechtsextremen Bewegungen, wir haben Platz eins belegt.” 

Das alles macht auch vor der Lehrerschaft nicht Halt. Die Bildungsforscherin Nina Kolleck bildet angehende Lehrerinnen und Lehrer aus, beobachtet seit Jahren eine Veränderung.   

Professorin Nina Kolleck, Bildungsforscherin
Professorin Nina Kolleck, Bildungsforscherin | Bild: SWR

Professorin Nina Kolleck, Bildungsforscherin:  
“Es gibt auf jeden Fall auch sehr rechtsextreme Studierende schon, auch in der Studierendenschaft. Und die werden dann oft auch angehende Lehrkräfte. Wo man es dann meldet, dann ja auch nur so Schulterzucken kommt und die Aussage, naja, hier wir als Universität können es nicht lösen.” 

Dabei gibt es eigentlich klare Regeln: Lehrer müssen auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, müssen sogar aktiv für die Demokratie eintreten. 
Festgelegt im Beamtenstatusgesetz. Auch für Angestellte im Landesdienst gibt es ähnliche Regeln. 

Fragwürdige Lehrer 

Und doch finden wir Beispiele, die Fragen aufwerfen. Wir haben uns die Kandidaten von Parteien angeschaut, die als rechtsextremistisch oder als Verdachtsfall eingestuft wurden und die in den letzten fünf Jahren bei Wahlen angetreten sind. Und finden mehr als 60 Lehrer.  

Zum Beispiel: Ein Grundschullehrer. Vergangenes Jahr kandidierte er bei Wahlen für die Freien Sachsen. Eine gesichert rechtsextremistische Partei. 
Die laut sächsischem Verfassungsschutz fest entschlossen sei… 

Zitat Website sächsischer Verfassungsschutz: 
“…die Demokratie zunächst mithilfe von Sitzen in Stadträten von innen „auszuhöhlen“, um dann ihre verfassungsfeindliche Agenda umsetzen zu können.” 

Oder ein Geschichtslehrer. Der gerne in der Öffentlichkeit redet. Er hatte eine führende Position bei der Deutschen Burschenschaft, dem umstrittenen Dachverband, den Experten dem politischen rechten Rand zuordnen. 
2014 hielt er mehrere Reden, kritisierte die angebliche Mär einer deutschen Gedenkkultur 

Zitat, rechter Geschichtslehrer, Burschenschaftler: 
“die durch Anschuldigungen den sachlichen Blick auf beide Weltkriege versperrt”. 

Und er kritisierte, wie hier auf einer Festrede, den Zeitgeist, dem man sich nicht unterwerfen dürfe, genauso wie der angeblichen “amerikanischen Vorherrschaft.”  

Zitat, rechter Geschichtslehrer, Burschenschaftler: 
“Die einzige freie Nation in Europa, die uns auf diesem Wege helfen könnte, ist die russische. Die Russische Föderation ist stark genug, um uns in diesem Willen nach Freiheit zu unterstützen.” 

Er ist AfD-Mitglied, scheiterte hier 2017 bei seiner Kandidatur für einen Listenplatz bei der Bundestagswahl. Aktuell sitzt er in einem Stadtrat. Und ist damit nicht das einzige AfD-Stadtratsmitglied, zu dem wir recherchiert haben. 

Dokumente weisen auf Kriminalakte hin 


 Auch dieser Lehrer stand für die Partei immer wieder vor der Kamera. 
Er ist Mitglied einer umstrittenen Burschenschaft, bis 2024 in führender Funktion beim Altherrenverein, inzwischen hat der Verfassungsschutz die Burschenschaft im Visier.  

Schon früh wurde er nach unseren Recherchen auffällig. Uns liegen Dokumente vor. Mit Verweis auf eine Kriminalakte, mit Verurteilungen. Unter anderem ging es um diese Tat: Begangen vor 22 Jahren. Ein Mann wird am Boden getreten von Angreifern, die zuvor laut Pressebericht rechtsextreme Parolen gerufen haben sollen.  

Der heutige Lehrer war zwar nicht der Haupttäter, verurteilt wurde er trotzdem, zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung, laut Dokument wegen gefährlicher Körperverletzung und Verwendung von  Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.  

Drei Fälle, von denen die zuständigen Schulaufsichten hätten wissen müssen, sich zum Teil aber in Schweigen hüllen, in anderen Fällen betonen, es lägen keine tatsächlichen Anhaltspunkte für ein Disziplinarverfahren vor.  

Schülersprecher fordert Konsequenzen 

Elias Görth ist einer der Landesschülersprecher in Schleswig-Holstein. Wir treffen ihn in den Räumen des Kieler Bildungsministeriums. Er kennt Fälle rechtsrechtsextremer Lehrer. Die Leidtragenden seien oft die Schüler.  

Elias Görth, Landesschülersprecher in Schleswig-Holstein
Elias Görth, Landesschülersprecher in Schleswig-Holstein | Bild: SWR

Elias Görth, Landesschülersprecher in Schleswig-Holstein:  
„Denn dieser Lehrer ist dazu berufen, einen zu beurteilen. Und wenn ich mich jetzt also auflehne, sage ich mal in Anführungsstrichen, gegen eine rechtsextreme Lehrkraft, dann muss ich natürlich mit Repressalien rechnen. Weil auch Lehrkräfte, die eigentlich mit derartigen Ideologien nichts zu tun haben, dann die anderen Lehrkräfte teilweise einfach tolerieren.” 

Auch deshalb fordert der Schülersprecher: Rechtsextremisten müssten den Schuldienst verlassen, das gelte auch und vor allem für AfD-Mitglieder.  

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die Gesamtpartei als gesichert rechtsextremistisch eingestuft, wegen der rechtlichen Auseinandersetzung ist die Einstufung derzeit ausgesetzt. Und was folgt daraus? 
 
Erstmal wenig. Zwar beschloss die Innenministerkonferenz vor zwei Wochen, einen Arbeitskreis einzurichten. Nur wann der genau kommen soll?  Darüber wird noch diskutiert.  

Beraterin warnt vor Normalisierung 

Wir sind beim Netzwerk für Demokratie und Courage in Sachsen, das sich auch um Rechtsextremismus an Schulen kümmert. Fast täglich kämen hier Hilferufe an, auch hier gingen die Zahlen durch die Decke. Die Geschäftsführerin sagt: Das alles werde wahrscheinlich noch schlimmer werden, je länger die Einstufung der AfD folgenlos bleibe, wie in vielen Fällen bei ihr in Sachsen.  

Nina Gbur, Geschäftsführerin Netzwerk für Demokratie und Courage Sachsen
Nina Gbur, Geschäftsführerin Netzwerk für Demokratie und Courage Sachsen | Bild: SWR

Nina Gbur, Geschäftsführerin Netzwerk für Demokratie und Courage Sachsen:
„Das ist ja dann eigentlich die Normalisierung per se: Also sozusagen ich kann morgens Mathe unterrichten, abends stehe ich auf einer rechtsextremistischen Demonstration und übermorgen sitze ich für eine gesichert rechtsextreme Partei im Stadtrat. Wenn das das völlige Normalität ist, wie will man Menschen noch beibringen, dass das nicht die Norm ist?“ 

Normalisierung, die zu Schweigen führe. So wie bei den beiden Lehrern. Die auch an der eigenen Schule ein neues Klima wahrnehmen. Seit ihr Kollege hier unterrichtet.  

Anonymer Lehrer 1:  
„Viele Schüler Fragen aber auch, warum unterrichtet der noch. Ja, was sage ich dann? “Und das Schlimme ist, zu sehen, dass man immer leiser wurde. In einer Zeit, wo man eigentlich hätte immer lauter werden müssen.“ 

 

Stand: 25.06.2025 16:59 Uhr