SENDETERMIN So., 28.11.21 | 19:20 Uhr | Das Erste

China: LGTBQ-Menschen unter Druck

Drag Queens auf einer Bühne.
Die KP China fürchtet sich vor Menschen und Gruppen, die sich landesweit vernetzen. | Bild: NDR

Die kommunistische Regierung in Peking hat klare Vorstellungen über den Umgang mit Menschen, die sich zur queeren LGBTQ-Community zählen: In den vergangenen Monaten wurden landesweit viele LGBT-Social-Media- und Online-Gruppen verboten, LGBT-Studierende unter Druck gesetzt. Eine Kampagne gegen "verweichlichte Männer", die sich feminin kleiden und online darstellen, wird in der Staatspropaganda vorangetrieben.

Yuze Ma spürt es jeden Tag: Er steht am Rand, nicht in der Mitte der chinesischen Gesellschaft. Die kommunistische Führung fördert alte Geschlechterrollen, nur Mann und Frau dürfen heiraten und Kinder großziehen. Seit zwei Jahren sind er und sein Freund ein Paar, doch sein Partner will sich nicht zeigen. Er ist Lehrer und fürchtet um seinen Job, wenn rauskommt, dass er schwul ist. Und auch Yuze Ma sagt: "Ich würde das nie meinem Vater sagen, der weiß nichts davon." Seine Mutter weiß es, aber sie reden nicht offen darüber, sondern nur verklausuliert.

So ist es auch in einer emotionalen Show im chinesischen Fernsehen, bei der sich Eltern und Kinder ihr Herz ausschütten. Der Sohn hört zu, die Mutter erklärt ihre Sicht. Sie sagt, sie hoffe er kann wie normales Gras auf guter Erde wachsen, statt wie Unkraut zwischen Steinen. Sie mache sich Sorgen, vielleicht verstehe er ja diese Metapher. "Es ist hart. Aber sie hat auch Recht, mit dem was sie sagt. Denn Eltern sind besorgt, dass die Gesellschaft einem wehtut und einen nicht anerkennt. Sie weiß ja auch wie schwierig es für uns ist inmitten einer solchen Gesellschaft zu leben", sagt Yuze Ma zum Ausschnitt aus der Show. Viele Menschen aus der LGBT-Gemeinschaft verheimlichen ihre sexuelle Orientierung in China.

Karriere als Dragqueen

Ein Mann spricht in die Kamera
Yuze Ma strebt eine Karriere als Dragqueen an. | Bild: NDR

In Shanghai treffen wir Yuze Ma wieder. In einem Hotelzimmer hilft ihm ein Freund bei den Vorbereitungen für seinen großen Auftritt. Dass der 21-Jährige eine Karriere als Dragqueen anstrebt, weiß noch nicht mal seine Mutter. Auch nicht, was diese Verwandlung für ihn bedeutet: "Als wäre ich ein oder zwei Meter größer. Ich fühle mich stark und nicht aufzuhalten, mit einer Aura wie eine Königin! Voller Zuversicht. Wer mich liebt, komme her, alle anderen, bleibt weg!"

Der Voguing-Ball in Shanghai: Yuze Ma in seinem Element. Ein bunter Laufsteg-Wettbewerb, keine Reden oder Plakate für LGBT-Gleichberechtigung – das wäre politisch und damit zu riskant im autoritär regierten China. Auftritt Yuze Ma, er hat nur ein paar Sekunden um bei der Jury zu punkten. Doch nicht alle sind überzeugt. Einen Versuch hat er noch: Diesmal in chinesischem Folklore-Outfit. Was, wenn seine Eltern ihn so bei Social Media entdecken? Er würde dann einfach sagen, das bin ich nicht! Nicht wiedererkennbar ins Finale! Das Publikum völlig begeistert. Yuze Ma liefert eine große Show ab – am Ende verfehlt er nur knapp den ersten Platz.

Jede Abweichung, jedes Anderssein im Visier der Behörden

Ein Frau spricht in die Kamera
Li Maizi ist eine der wenigen in China, die sich offen für LGBT-Interessen einsetzt. | Bild: NDR

Die Dragqueens von Shanghai wirken in China wie aus einer anderen Welt – viel offener, viel freier. Dabei wächst der Druck auf LGBT-Menschen, sagt Li Maizi, eine der wenigen in China, die sich offen für LGBT-Interessen einsetzt. Behörden werten solche Themen als "schädliche Inhalte" und würden sie regelmäßig im Internet zensieren: "Außerdem fürchten unsere Behörden alle Menschen, die sich zusammenschließen. Wenn also LGBT-Gruppen von Studierenden an Universitäten an Einfluss gewinnen, wird das als mögliche Bedrohung gesehen", sagt die Feminismus- und LGBT-Aktivistin. Jede Abweichung, jedes Anderssein, gerate sofort ins Visier der Behörden.

Yuze Ma will sein eigenes Ding machen – und dabei nicht anecken. Wie kann er sich kleiden? Wann drohen schräge Blicke oder gar Anfeindungen? Wie sehr darf er er selbst sein? Wieviel muss er verheimlichen? In China ist das für ihn jeden Tag eine neue Gradwanderung.

Autor: Daniel Satra, ARD-Studio Peking

Stand: 28.11.2021 20:25 Uhr

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