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Katar: Zuflucht für afghanische Flüchtlinge

PlayEine Frau tanzt mit Kindern in einem Kreis.
Katar: Zuflucht für afghanische Flüchtlinge | Bild: Daniel Hechler, ARD

Es war ein langer Weg aus ihrer Heimat in eine Neubausiedlung von Doha. Seema Rezai musste aus Kabul fliehen, weil sie ihren Sport liebt: Boxen. Die 19-Jährige trainierte täglich, nahm an Wettkämpfen teil, war in der afghanischen Nationalmannschaft, bis die Taliban die Macht übernahmen. Aufgeben aber war für die ehrgeizige Sportlerin nie eine Option.

Über Nacht wurde Katar zum Ort der Hoffnung für Millionen Menschen, die in Afghanistan um ihr Leben bangten. Mehr als 55.000 Flüchtlinge wurden seit dem Abzug der USA Ende August in das Golf-Emirat ausgeflogen. Die Regierung unterhält gute Beziehungen zu den Taliban, organisiert die Flüge, auch auf Bitten des Westens. Am vergangenen Sonntag kommen 235 erschöpfte Menschen an, viele Künstler, Musiker. An Bord darf nur, wer ein Visum eines Drittstaats hat. Für viele die einzige, die letzte Rettung.

Station nach der Flucht

Es ist eine Oase nach Leid und Flucht. Hunderte Afghanen leben in dieser Retortenstadt im Zentrum Dohas. Gebaut für Gäste der Fußball-WM 2022, nun eine Flüchtlingsunterkunft de Luxe. Es fehlt an nichts. Lebensmittel, Getränke, Kleidung, ja auch Handys und Tablets werden kostenlos ausgegeben. Die meisten Flüchtlinge bleiben nur wenige Wochen vor der Weiterreise in Drittstaaten.

Der Abschied aus der Heimat war schwer für Bilals Familie. Sie ließen fast alles zurück. Vater Iqbal waren die Risiken zu groß, die Chancen gerade für seine Töchter zu gering. Nun ist ihre Zukunft ungewiss.
Der 42-Jährige arbeitete in Afghanistan als Fernsehproducer für westliche Medien. Bei Dreharbeiten begegnete er den Taliban über die Jahre immer wieder, wurde einmal von ihnen entführt und bedroht. Kurz vor seiner Abreise die letzte unangenehme Begegnung mit ihnen: "Eine Gruppe von Taliban-Kämpfern kam auf mich zu und fragte mich, wer ich bin. Ich habe geantwortet, dass ich ein Journalist bin. Sie haben gefragt, für wen ich arbeite. Ich antwortete, für westliche und amerikanische Medien. Dann fragten sie: Bist Du ein Spion? Nein, ein Journalist. Ich konnte den Hass in ihren Augen sehen. Mir wurde klar, sie sind sehr gefährlich und mir könnte etwas zustoßen."

Bittere Erinnerungen lassen auch Seema Rezai nicht los. Die Boxerin denkt in diesen Tagen gerne an bessere Zeiten zurück, als sie mit ihrem Trainer in Kabul täglich trainierte, Höchstleistungen zeigte. Bis die Taliban kamen: "Es war so gefährlich, weil sie Frauen verboten haben, Sport zu betreiben. Das sei Sünde, und wenn ich weitermachen würde, würden sie mich oder meinen Trainer umbringen. Deshalb habe ich das Land verlassen."

Ihre Familie, ihre Freunde in der Heimat vermisst sie schmerzlich. Zunächst hoffte sie noch, ihre Familie mitnehmen zu können. Doch am Flughafen war nur ein Visum hinterlegt. Eine US-Reporterin hat es ihr vermittelt.

Sie will nach vorne schauen, ein neues Kapitel in den USA aufschlagen, ihre Träume leben und hofft, ihre Liebsten eines Tages wieder sehen zu können. Irgendwo.

Autor: Daniel Hechler, ARD Kairo

Stand: 10.10.2021 21:58 Uhr

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