Redakteurin Esther Schapira über den Film

Arno Breuer (Joachim Krol).
Joachim Król spielt Arno Breuer. | Bild: HR/AVE Publishing / Dominik Berg

Es gibt Tage, die bleiben im Gedächtnis. Sie teilen das Leben ein in die Zeit davor und danach. Der 15. September 2008 war so ein Tag für mehr als fünfzigtausend Anleger in Deutschland. Viele von ihnen verloren an diesem Montag nicht nur ihre Rücklagen, sondern auch das Vertrauen in ihre Sparkasse. Es war der Tag, an dem die Investmentbank Lehman Brothers Konkurs anmeldete. Alle, die ihr Geld in Zertifikaten dieses renommierten amerikanischen Geldinstituts angelegt hatten, mussten fassungslos feststellen, dass ihre Papiere nichts mehr wert waren. Die Lehman-Pleite selbst ist zehn Jahre später bei vielen in Vergessenheit geraten. Geblieben aber sind die Nachwirkungen der durch sie wesentlich beschleunigten Finanzkrise, die wirtschaftlichen und die politischen Folgekosten.

Die Welt des schnellen Geldes und der große Crash der Investmentbank Lehman Brothers in New York sind mehrfach gekonnt und unterhaltsam verfilmt worden. Das Augenmerk lag dabei immer auf den Bankern, den Spielern, den Finanzjongleuren, dem Glamour des Boni-Universums. Bis heute nicht erzählt ist die Geschichte aus der Perspektive der klammen Kommunen und Gemeinden, die ihren Haushalt clever sanieren wollten. Auch die Sicht der Sparkassen stand noch nie im Mittelpunkt des Interesses. Entweder wussten sie nicht oder sie wollten nicht wissen, wie riskant die angeblich sicheren Papiere mit den vorgeblichen Traumrenditen waren. Insbesondere ihre Opfer spielten in Filmen bisher höchstens Nebenrollen. Es waren häufig alte Kunden, die "ihrer" Bank seit Jahren vertrauten.

Die Geschichte aus Sicht der Opfer

Erstmals spielen jetzt die Opfer die Hauptrolle. Ihre Perspektive, ihre Geschichten wollten wir einem großen Publikum zugänglich machen, als wir uns für die Form des Dokudramas entschieden. Viel zu häufig nämlich gerät aus dem Blick, dass es am Ende nicht um abstrakte Zahlen, sondern um sehr konkrete Schicksale geht. "Gier frisst Hirn", sagt ein Bankberater im Film, der anonym erzählt, wie Kunden über den Tisch gezogen wurden, wie sie geködert und dann abserviert wurden. Ihr Erspartes wurde verzockt, während sie selbst davon ausgingen, ihr Geld sicher angelegt zu haben. Manche Berater aber hatten durchaus Skrupel, wollten nicht einfach Verkäufer sein, taten sich schwer mit der neuen Bankenwelt, in der Vertrauen kaltschnäuzig ausgenutzt wird. Und doch spielten sie am Ende mit.

In der Kombination aus fiktional verdichteter Handlung und dokumentarischen Interviews liegt eine große Chance. Im Idealfall ergänzen sich beide Ebenen und gehen damit über die Möglichkeiten eines reinen Spielfilms oder einer reinen Dokumentation hinaus. Um dies zu erreichen aber braucht es einen Produzenten, der das Genre liebt, einen Drehbuchautor, der gewillt ist, seine Phantasie dokumentarisch zu verankern, und einen Regisseur, der beide Ebenen souverän beherrscht und kombiniert. Es gibt nur wenige Produzenten und Regisseure in Deutschland, die mit so viel Erfahrung und Leidenschaft in diesem Bereich unterwegs sind, wie Walid Nakschbandi (AVE) und Raymond Ley. Ebenfalls unter redaktioneller Federführung des hr haben sie u. a. 2015 bereits den preisgekrönten Fernsehfilm "Meine Tochter Anne Frank" für die ARD realisiert. Umso glücklicher waren wir, auch diesmal wieder zusammenzuarbeiten und gemeinsam die Form des Dokudramas weiterzuentwickeln. Wir sind überzeugt von der Stärke dieses Genres und arbeiten innerhalb der ARD in unterschiedlichen Konstellationen an hochwertigen Coproduktionen. "Lehman. Gier frisst Herz" (hr, NDR, BR, rbb, AVE Publishing, Hessische Filmförderung) ist der Auftakt der neuen Dokudrama-Staffel im Ersten.

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