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Die Vulkanfotografin Ulla Lohmann

PlaySchwarze Rauchwolken eines Vulkanausbruchs
Die Vulkanfotografin Ulla Lohmann | Video verfügbar bis 21.05.2024 | Bild: Ulla Lohmann / Knesebeck Verlag

Dem Unvorstellbaren entgegentreten. Es aushalten. Direkt an der wild pumpenden Ader der Erde. 600 Meter tief unter der Kraterkante, direkt am Lavasee. An einem Ort, an dem nie zuvor ein Mensch gewesen ist. "Ich war unten und über mir hat die Lava gebrodelt und geblubbert", sagt Ulla Lohmann. "Und diese Urkraft hat vor mir getobt. Es war unglaublich, weil natürlich mit einem Schlag alles vorbei sein kann. Wenn diese Lava ein bisschen weiter spritzt, dann bin ich weg. Aber auf der anderen Seite wurde mir dieser Moment da unten geschenkt."

Wenn Lava fließt, knistert es

Der Benbow Vulkan auf der Insel Ambrym im Südwestpazifik. Statt am Fels befestigt man das Seil in der Asche. Die Kletterhaken korrodieren in kürzester Zeit. An vielen Stellen zischt bis zu 300 Grad heißes Gas hervor. Ulla Lohmann steigt die 600 Meter hinab.

Eine Frau gibt ein TV-Interview
Vulkanfotografin Ulla Lohmann | Bild: BR

"Wenn ich ganz nah an der Lava bin und den Vulkan richtig spüre, dann spüre ich das am ganzen Körper. Meistens bebt und wackelt die Erde ein bisschen. Es ist dann wie auf Wackelpudding laufen. Und die Gase stechen in der Nase. Wenn Lava fließt, knistert es. Wenn der Lavasee vor mir brodelt, dann ist es ganz, ganz, ganz laut. Wenn ein Vulkan explodiert, dann ist es so, als würde jemand laut aufs Schlagzeug direkt neben dem Ohr trommeln. Und es lebt. In der Erde drin. Das ist wie das Blut der Erde, das Herz der Erde, das pulsiert. Das lebt."

Mit acht Jahren besucht sie zum ersten Mal Pompeji

Lila Rauchwolken eines Vulkanausbruchs
Lila Rauchwolken eines Vulkanausbruchs | Bild: Ulla Lohmann / Knesebeck Verlag

Ulla Lohmann lebt südlich von München auf dem Land. 30 Tage im Jahr. Den Rest der Zeit: an Abgründen, Krater-Rändern, glühenden Seen. Gegenwärtigkeit. Immer im Augenblick. 

"Als ich acht war hat mich mein Papa nach Pompeji mitgenommen", erinnert sie sich und zeigt ein Foto. "Wir sitzen auf einem Lavastrom und ich habe zum ersten Mal diese Urkraft der Erde spüren und riechen können und seit dem Moment wollte ich mal einen aktiven Vulkanausbruch sehen." 1999 ist sie dann das erste Mal beim Benbow.

Ihr Sohn schläft auf dem Vulkansand

Bereits als Schülerin hatte sie ein Ur-Amphib entdeckt. 280 Millionen Jahre alt. Sie gewinnt bei "Jugend forscht". Mit dem Preisgeld finanziert sie ihre erste Weltreise. Angst? Hat sie nachts. In der S-Bahn. Vulkane sind nicht übermäßig gefährlich, sagt sie, wenn man einiges beachtet. Zum Beispiel: Wachbleiben, damit einen das Kohlenmonoxid nicht im Schlaf erwischt.

Blick in die Lava
Lava ist wie das Blut der Erde, sagt Lohmann | Bild: Ulla Lohmann / Knesebeck Verlag

Oft in der Nähe: ihr Sohn. Lohmann zeigt ein Foto von ihm: "Das ist der Manuk. Da schläft er am Vulkan. Wir waren unten drin und ich habe ihn einfach oben am Vulkan schlafen lassen, weil er erst acht Monate alt war. Da konnte er noch nicht mit runter. Aber es haben ein paar einheimische Freunde von uns auf ihn aufgepasst und auf dem warmen Vulkansand schläft es sich tatsächlich ganz gut. Der Vulkan grummelt ein bisschen vor sich hin bei kleinen Ausbrüchen. Dann wackelt ein bisschen die Erde. Manuk hat als Kleinkind immer sehr gut am Vulkan geschlafen. Das war so ein bisschen wie eine Wiege."

Das Innere der Erde ist weniger erforscht als manch ferner Stern

Lohmann zeigt eines ihrer Lieblings-Fotos: "Das ist der Munganau. Das ist ein kleiner Junge, der nach Hause läuft. Er ist am Strand, hat ein Badetuch um und spielt mit einem Reifen. Im Hintergrund der qualmende Vulkan. Eine alltägliche Situation in Papua-Neuguinea. Für mich ein unglaubliches Foto. Der Vulkan gibt und nimmt. Aber die Menschen haben sich damit arrangiert, leben trotzdem ihr Leben und sind glücklich dabei."

Ein Buch mit blauem Cover
Ulla Lohmann: Vulkanmenschen | Bild: Knesebeck Verlag

Das Innere der Erde ist weniger erforscht als manch ferner Stern. Unter harter Kruste brodelt das Unberechenbare. Wir stehen auf unsicherem Grund.

Sie hält das Unvorstellbare fest

Lava fließt an einem Vulkan herunter
Lava fließt an einem Vulkan herunter | Bild: Ulla Lohmann / Knesebeck Verlag

"Ich habe meinen Vater verloren, als ich 15 war. Er hat Selbstmord begangen. Und ich habe mir selbst viele Jahre Schuldvorwürfe gemacht, weil wir vorher gestritten haben und ich drei Tage lang kein Wort mehr mit ihm geredet habe und nicht mal mehr Sorry sagen konnte. Irgendwann war es zu spät. Er hatte sich umgebracht. Und ich hatte natürlich Schuldgefühle. Und die haben mich die ganze Zeit belastet. Aber in dem Moment, als ich unten im Vulkankrater war, als sich mein Kindheitstraum erfüllt hat, den ich hatte, seitdem ich acht war, seitdem mein Papa mich mit zum Vesuv genommen hat, diesen ganzen Traum, selbst Vulkanforscherin zu werden, hätte ich ohne ihn nicht verwirklichen können. Und dann habe ich gedanklich meine ganze Schuld genommen, in den Vulkan geschmissen und dann meinen Frieden damit geschlossen." 

Dem Unvorstellbaren entgegentreten. Es festhalten.

BUCHTIPP
Ulla Lohmann: "Vulkanmenschen. Vom Leben mit Naturgewalten" Knesebeck Verlag

Autor: Andreas Krieger

Stand: 21.05.2023 21:10 Uhr

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Bayerischer Rundfunk
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