So., 07.09.25 | 23:35 Uhr
Das Erste
Father Mother Sister Brother & Jay Kelly
Father Mother Sister Brother

Wo alles anfing, dahin zieht es uns stets zurück. Und doch: all die Verletzungen, die Lebenslügen, das Unausgesprochene – kurz: Familie… schwierig! Jim Jarmusch hat sich der Angelegenheit in einem Episodenfilm genähert. „Für gewöhnlich trage ich Ideen ein Jahr oder länger mit mir herum – manchmal über mehrere Jahre – um es dann, am Ende sehr schnell aufzuschreiben“, sagt Regisseur Jim Jarmusch. „Dieses Drehbuch habe ich in ungefähr drei Wochen geschrieben und ich habe keine Ahnung, woher es kommt. Ich weiß nur, ich habe immer diese Form von Geschichten in Kapiteln gemocht.“
Drei Geschichten, verschiedene Protagonisten und Orte. Und wie so oft bei Jarmusch: Es geht – scheinbar - um nichts. „Die Art und Weise, wie du den Dingen einen Sinn gibst, hat etwas Seelenvolles und Poesievolles an sich, das ist typisch für dich“, lobt Cate Blanchett den Regisseur Jarmusch. „Ich glaube, das ist es, was du beherrschst: Wir versuchen ja immer, eine Bedeutung festzumachen, während du es zulässt, dass all diese seltsamen Zusammenhänge nicht unbedingt den üblichen Sinn ergeben.“

Der alte gewordene Rock’n Roller unter den Autorenfilmern hat mal wieder einen rausgehauen. Und ein großes Starensemble ist ihm gefolgt: Cate Blanchett, Adam Driver, Charlotte Rampling. Jarmuschs Filme hatten immer schon etwas Somnambules. Wie bei einem Sänger, der stets einen Viertelton daneben liegt. Das kann sehr cool sein. „Die besten Dialoge, sind bei mir eine Art Transkribieren“, sagt Jarmusch. „Diese Dialoge sprechen in meinem Kopf, ich weiß nicht, woher das kommt, ich weiß nicht, was es bedeutet, aber sie leben und ich schreibe auf, was sie sagen, ja, das ist schon seltsam.“
Die Magie des beiläufig Verrutschten. Es ist ein schmaler Grat. Während die Sache in der ersten Episode mit einem abgefeimten Tom Waits lakonisch lässig ist, sind die beiden anderen Teile von läppischer Banalität. Darauf einen Goldenen Löwen.
Jay Kelly

Auch im Film „Jay Kelly“ geht es um Familie. Also, es geht um Jay Kelly und die um ihn herum drapierte Welt. Ein gutaussehender, alternder Kino-Superstar. Wer ist Jay Kelly? Das ist die Frage.
Jay Kelly erinnert stark an George Clooney, den sehr gut aussehenden, nicht mehr ganz jungen Kino-Superstar und Stammgast in Venedig. Ist natürlich Absicht. Wunderbar für Interpretationen: der Star, permanent umsorgt, ohne wirkliche Privatheit. Clooney spielt das mit gelupfter Augenbraue, vorzüglicher Eleganz und Selbstironie.

„Wenn man einen Film über einen Schauspieler dreht, dreht man einen Film über Identität und Performance und die Suche nach sich selbst“, sagt Regisseur Noah Baumbach. „Man versucht, sich in einer Figur wiederzufinden und herauszufinden, wie man in diese Figur hineinpasst. Es ist aber eine Figur außerhalb der eigenen Persönlichkeit. Und ich glaube, das ist es, was wir alle tun: herauszufinden, wer ich bin und ob das die Person ist, die ich bin, oder ob ich jemand anderes bin.“
Kelly begibt sich mitsamt Entourage auf Europatour, um seiner Tochter hinterher zu reisen. Stets dabei: Manager Ron. „Eine meiner liebsten Sätze im Film ist: ‚Du bist Jay Kelly! Aber ich bin auch Jay Kelly!’“, sagt Schauspieler Adam Sandler. „Der Manager schenkt Jay sein Herz. Und den Leuten, die mit mir zusammenarbeiten, geht es ähnlich mit meiner Karriere.“

Am Ende, wenn all die Tricks nicht mehr wirken, der Tinseltown-Tand abblättert, steht Jay alleine da. Clooney unterspielt selbst diesen etwas larmoyanten Schluss noch herrlich nebenbei. Ja, es gibt nur zwei Dinge: Die Leere und das gezeichnete Ich.
Autor: Lars Friedrich
Stand: 07.09.2025 19:56 Uhr
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