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Feministinnen gegen Feministinnen?

Debatte um die Anthologie "Das Pen!smuseum"

Quo vadis, Feminismus? Die Debatte um "Das Pen!smuseum" | Video verfügbar bis 21.09.2027 | Bild: NDR

Sie sind verärgert, wütend, rachsüchtig - die Protagonistinnen in der Anthologie "Das Pen!smuseum" (Leykam) der beiden österreichischen Autorinnen Mareike Fallwickl und Eva Reisinger. Sie machen nicht das, was von ihnen gesellschaftlich erwartet wird - oder auch nur von Männern. Die Frauen begehren auf, widersetzen sich. Ursprünglich sollte auch ein Text der als feministisch bekannten Autorin Gertraud Klemm Teil dieses Buches sein. Eben daran entzündete sich laute Kritik in den sozialen Medien. Der Grund: Klemm hatte in Artikeln Aussagen zum Begriff "Frau" gemacht", die angeblich transfeindlich seien.

Dickpics - aber andersrum

"Das Penismuseum" - das meinen die Autorinnen der Anthologie, die bei Leykam erscheinen wird, ganz wörtlich. Die titelgebende Geschichte erzählt von einer Frau, die aus Frust über ihren Mann seinen schlaffen Penis fotografiert, während er schläft, und die Bilder ausstellt. Ungefragte Dickpics - nur andersrum. Mareike Fallwickl, eine der Herausgeberinnen, erklärt, wie es zu der Idee kam: "Der Gedanke war: Wie kann man Männer so entblößen wie Männer Frauen immer entblößen? Gleichzeitig tauchte die Frage auf: Wie kann man sich die Dickpic-Thematik aneignen und etwas Selbstbestimmtes draus machen?"

Zwei Hände halten das Buch "Das Pen!smuseum" und öffnen den Deckel. Das Cover zeigt eine geknotete Luftballonfigur, die an einen Penis erinnern soll.
Die Anthologie "Das Pen!smuseum" sorgt schon vor seinem Erscheinungstermin für eine öffentliche Debatte. | Bild: NDR

Eva Reisinger und Mareike Fallwickl erzählen im "Pen!smuseum" gemeinsam mit ausgewählten Gastautorinnen von Frauen, die aufbegehren. Sie sind wütend, unangepasst, pfeifen auf Konventionen und herrschendes Gesetz. Das ist oft derbe, sehr lustig und manchmal ziemlich brutal. Eine Kastration aus Rache für einen sexuellen Übergriff? Nicht das Schlimmste, was Männern in diesem Buch passiert.

Zwischen Rachefantasien und bedingungsloser Solidarität

"Manchmal waren wir selbst erschrocken und fragten uns: Darf die Figur das? Und dann dachten wir: Klar, wir entscheiden, wenn wir das Gefühl haben, die Figur will das machen, dann darf sie das", erzählt Eva Reisinger und fügt hinzu: "Auf der ganzen Welt sterben Frauen, weil sie Frauen sind, und das scheint manchmal weniger Skandal zu sein, als wenn man es in der literarischen Sprache einfach mal umdreht."

Eine junge Frau mit langen blonden Haaren und eine junge Frau mit halblangen dunkelroten Haaren sitzen nebeneinander. Es sind Eva Reisinger und Mareike Fallwickl.
"Lasst uns streiten, lasst uns diskutieren und laut sein, wichtig ist nur, dass wir anerkennen, dass das gemeinsame Problem das Patriarchat ist", fordert Autorin Mareike Fallwickl (rechts). | Bild: NDR

Neben weiblichen Rachefantasien geht es im Buch vor allem um bedingungslose Solidarität zwischen Frauen. Fast schon eine feministische Utopie. Doch Monate vor der Veröffentlichung kochte eine Debatte hoch, die eine Spaltung zwischen Feministinnen offenbarte. Gertraud Klemm, die in ihrem jüngst erschienen Buch "Abschied vom Phallozän" gegen das Patriarchat anschreibt, sollte mitmachen beim „Pen!smuseum“, hatte ihren Text schon verfasst. Doch dann wurde auf Social Media Kritik laut - weil sie in früheren Texten Aussagen zu Transfrauen gemacht hatte, die als umstritten gelten.

Klemm: "Transfrauen und Frauen haben unterschiedliche Lebensrealitäten"

"Das ist jetzt natürlich sehr unangenehm, dass mir dieser Stempel aufgedrückt wird", gesteht Gertraud Klemm, "weil das völlig nachvollziehbare, harmlose Gedanken über den Begriff 'Frau' sind. Ich glaube, dass Transfrauen und Frauen unterschiedliche Lebensrealitäten haben. Und ich glaube, wir tun beiden keinen Gefallen, wenn wir sie in eine Schublade verfrachten, weil sie völlig unterschiedliche Bedürfnisse haben können. Aber ich habe niemanden ein Existenzrecht abgesprochen, oder irgendeinen abwertenden Kommentar darüber gemacht."

Eine mittelalte Frau mit blonden hochgesteckten Haaren, in weißer Bluse steht vor einem Fenster. Es ist die Autorin Gertraud Klemm.
Ihre Texte seien bekannt gewesen, sagt Autorin Gertraud Klemm - und warf Verlag und Herausgeberinnen "Heuchelei" vor. | Bild: NDR

Zwischen Transfrauen und Frauen zu unterscheiden, ist ein No-Go für Fallwickl und Reisinger. Sie schlossen Klemm aus dem Projekt aus. Die reagierte mit Gegenvorwürfen: Ihre Texte seien bekannt gewesen, sagt sie - und warf Verlag und Herausgeberinnen "Heuchelei" vor. "Ich glaube, wir beide sind uns sehr, sehr einig", sagt Reisinger, "wir werden immer auf der Seite von marginalisierten Personen stehen. Wir werden immer Allys der Transcommunity sein, und wenn uns das zu Heuchlerinnen macht, habe ich mit dem Begriff gar kein Problem. Außerdem ist es einfach essentiell zu betonen, während sich so abgearbeitet wird an irgendwelchen vermeintlichen Kategorisierungen, werden Transmenschen in ihrer Existenz weltweit ernsthaft bedroht und werden einfach entrechtet und ermordet, und wir setzen einfach unsere Privilegien ganz klar und sehr deutlich für inklusiven Feminismus ein."

Ein Generationenkonflikt innerhalb der Frauenbewegung

Inklusiver Feminismus sei etwas ganz Wichtiges, findet Klemm: "Ich glaube aber, dass es sich nicht mit Stehsätzen abhandeln lässt. Ich glaube, dass ganz einfache Lösungen für sehr komplexe Probleme nicht zielführend sind. Diese Art von Feminismus, ich nenne ihn seit neuestem Dressur-Feminismus, weil er sehr dominant im Netz ist und sehr kontrollierend - auch was die Meinungsäußerung betrifft." Der Fall steht für einen Generationenkonflikt innerhalb der Frauenbewegung. Klemm will einen handfesten Feminismus, der sprichwörtlich wieder die "Gummistiefel" anzieht und sich auf Themen wie Care-Arbeit und Gender Pay Gap fokussiert - statt Debatten, in denen es oft um Begriffe geht: zum Beispiel Flinta statt Frau.

Eine Collage aus alten Schwarz-Weiß-Fotos und Farbfotos von Frauenrechtsdemonstrationen, davor in Violett eingefärbt die Figur "Rosie the Riveter".
Quo vadis, Feminismus? Bereits vor Veröffentlichung hat die Anthologie "Das Pen!smuseum“ hat eine öffentliche Debatte ausgelöst. | Bild: NDR

"Wer hat den besseren Feminismus? Wer ist solidarischer? Was macht man wirklich? Wer ist wichtig und so weiter", fragt Gertraud Klemm. "Da dreht sie sich immer um eine Handvoll Themen eigentlich, bei denen man sich nicht einig wird. Ich glaube, dass es sehr viel mehr Themen gäbe, über die man sich einig werden könnte: zum Beispiel gleiches Geld für gleiche Arbeit, oder reproduktive Rechte."

Fallwickl: "Das gemeinsame Problem ist das Patriarchat"

Unterschiede seien nicht schlimm, nichts Negatives, findet Mareike Fallwickl: "Vom Feminismus wird so viel Einigkeit verlangt wie von keiner einzigen anderen Strömung. Wir müssen nicht für jede Frage sofort eine Antwort haben. Männer haben seit Jahrtausenden auch keine, und es wird auch nicht von ihnen verlangt. Und deswegen denke ich: Lasst uns streiten, lasst uns diskutieren und laut sein. Wichtig ist nur, dass wir anerkennen, dass das gemeinsame Problem das Patriarchat ist."

Eine schwarze Linien-Zeichnung: Eine Hand sticht mit einer Nadel in einen verknoteten Luftballons, der an einen Penis erinnern soll.
"Das Pen!ismuseum" - mit einem lauten Knall ist es Anfang September im Leykam Verlag erschienen. | Bild: NDR

Es gibt ein gemeinsames Ziel, aber ganz unterschiedliche Wege dahin. Genau davon erzählt "Das Pen!smuseum". Dass es ausgerechnet um dieses Buch Streit gab, ist einfach schade.

(Beitrag: Yasemin Ergin)

Stand: 21.09.2025 19:18 Uhr

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