So., 06.08.23 | 23:35 Uhr
Das Erste
Streetart-Künstler TVBOY
Mehr als nur der italienische Banksy
„Ich suche nach Wänden, die ihre eigene Geschichte erzählen, ihre eigene Identität haben. Noch lieber mag ich verlassene Orte, weil ich nicht möchte, dass die Leute Straßenkunst als Vandalismus sehen. Street Art ist dort schön, wo sie Hoffnung spendet, in einem armen Viertel, einem Vorort, auf einer alten Mauer oder einem zerstörten Kraftwerk. Unsere Aufgabe ist es, hässliche Orte zu finden und zu verschönern“, erklärt TVBOY.
In fünf Minuten verwandelt der italienische Streetart Künstler TVBOY Mauern in Kunstwerke mit politischer Message. Er mixt Plakate mit Graffiti. Balancierend an der Grenze zwischen Kunst und Vandalismus. Manche nennen ihn den italienischen Banksy.
„Auf der einen Seite hängen meine Werke im Stadtmuseum und ich habe die Anerkennung des Bürgermeisters. Aber auf der anderen Seite ist das, was ich mache, illegal“, weiß der Künstler. „Street Art lebt von diesem Konflikt zwischen Legalität und Illegalität. Die schönste Street Art ist die, die verboten ist. Der Künstler ist wirklich frei, wenn er macht, was er will, und sich manchmal auch über das Gesetz hinwegsetzt. Das ist meiner Meinung nach kein Verbrechen, denn ein Krimineller verschenkt ja kein Kunstwerk“, betont TVBOY.
Er bekommt Beschwerdebriefe vom Vatikan
Seine Werke sind oft provokativ und politisch. Vor allem im gespaltenen Italien polarisiert TVBOY, bekommt Beschwerdebriefe vom Vatikan. Manche seiner Werke werden nach wenigen Stunden entfernt, gestohlen oder zerstört.
Ihm ist klar: „Es kommt immer wieder vor, dass sich viele an meiner Arbeit stören. Gestern habe ich zum Beispiel einen Brief von einer religiösen Person bekommen, die sich durch die Darstellung des letzten Abendmahls bei McDonald's beleidigt fühlte. Aber ich bin froh, dass meine Kunst geliebt oder gehasst wird, aber sie einen nicht gleichgültig lässt. Für mich ist Kunst Emotion. Ich will nicht, dass man mir ein Werk erklärt. Ich will es sehen und es soll mich zum Lachen bringen, zum Weinen bringen, mich wütend machen. Kunst darf einen nicht gleichgültig lassen."
Vor ein paar Monaten reiste TVBOY in die Ukraine. Setzte mit seiner Kunst auf zerstörten russischen Panzern und in den kriegsversehrten Städten Butscha, Kiew und Irpin ein Zeichen der Hoffnung.
Es geht ihm besonders um die Kinder. „Meiner Meinung nach sind die Kinder am stärksten betroffen, denn wenn ein Krieg ausbricht, sind sie nicht in der Lage, das Warum und Weshalb menschlicher Grausamkeit zu verstehen. Deshalb sind sie diejenigen, die am stärksten traumatisiert werden. Ich spreche über die Kinder, weil sie unsere reinsten Werte verkörpern, aber auch Hoffnung. Was für eine Welt wollen wir diesen Kindern hinterlassen? Wie wird die Zukunft dieser neuen Generationen sein? Darüber habe ich das erste Mal nachgedacht, als ich selbst Vater geworden bin“, berichtet der Street Art Künstler.
Die Welt der Street Art ist vergänglich
Die Ausstellung „The Invasion“ im Disseny Hub Museum in Barcelona zeigt gerade fast 70 seiner Werke: Darunter Drucke, Fotografien und Installationen.
„Ich finde es wichtig, meine Kunst zu dokumentieren. Die Welt der Street Art ist vergänglich, meine Werke sind der Witterung ausgesetzt oder werden geklaut“, sagt TV BOY. „Trotzdem sind die Werke auf der Straße viel ausdrucksstärker. Die Schönheit der Street Art ist die Mauer, das Licht, die vorbeigehende Person. Ich wollte im Museum Fotos von den Wandmalereien zeigen, denn für mich ist es nicht wichtig, dass es auf Leinwand ist. Es ist wichtig, die Arbeit so zu dokumentieren, wie sie wirklich war, an der Wand in der Ukraine, auf dem Seenotrettungsschiff „Open Arms“ oder egal wo auf der Welt“, betont er.
Mit seinen Werken auf Seenotrettungsschiffen kritisiert der Künstler aus Palermo das Sterben im Mittelmeer und die europäische Migrationspolitik. Mit seiner Kunst will er vor allem eines: „Es gibt da ein Zitat, das mir gut gefällt: ‘Kunst ist der größte Ausdruck von Hoffnung‘. In meinen Werken wollte ich das zitieren. Ich versuche immer, manchmal ironisch, manchmal kritisch, eine Botschaft der Hoffnung zu vermitteln. Ja, die Welt ist scheiße, aber wir können sie noch retten und das ist die Message all meiner Werke."
Beitrag: Celine Schäfer
Stand: 07.08.2023 10:43 Uhr
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