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"Das Land, das ich liebe"

Die Putin-Kritikerin und Journalistin Jelena Kostjutschenko über Russland

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Die Putin-Kritikerin Jelena Kostjutschenko über Russland | Bild: WDR

Sie ist eine der bekanntesten russischen Investigativjournalistinnen: die Putin-Kritikerin Jelena Kostjutschenko. Mittlerweile lebt sie im deutschen Exil. Im Herbst 2022 erkrankte sie schwer. Zunächst befürchtete sie eine Corona-Infektion. Doch dann verdichteten sich die Hinweise auf ein Attentat. Seit diesem Sommer ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft. Sie selbst ist überzeugt davon, Opfer eines vom Kreml beauftragten Giftanschlags geworden zu sein – so wie mutmaßlich auch die beiden Journalistinnen Natalia Arno und Irina Babloyan. "Wenn ich gewusst hätte, dass Journalisten, dass Aktivisten in Europa vergiftet werden, hätte ich mich natürlich früher an die Polizei gewandt", sagt sie. "Aber diese Information hatte ich nicht. Und genau deswegen habe ich mich dazu entschlossen, meine Geschichte zu erzählen, noch ehe es ein Ergebnis der Ermittlungen gibt." Auch wenn es ihr noch immer nicht gut geht, lässt sie sich nicht einschüchtern. Am 18. Oktober stellt sie auf der Frankfurter Buchmesse ihr Buch "Das Land, das ich liebe. Wie es wirklich ist, in Russland zu leben" vor. ttt hat sie in Berlin getroffen.

Den Unterdrückten eine Stimme geben

Jelena Kostjutschenko, Jahrgang 1987, begann bereits während ihrer Schulzeit, journalistisch zu arbeiten. Ab 2005 hat sie für die "Novaja Gazeta" geschrieben, die wichtigste unabhängige Zeitung Russlands, die seit März 2022 nicht mehr gedruckt werden darf. Für ihre Reportagen wurde sie mehrfach ausgezeichnet.

Ihre Themen sind die politische Repression und die Korruption in ihrem Heimatland. Sie war die Erste, die über das feministische kirchenkritische Kollektiv "Pussy Riot" berichtete, schrieb Reportagen über Arbeiterstreiks, die LGBTQ-Bewegung, die Ausgrenzung von Obdachlosen und Menschen mit Behinderung. Mittlerweile arbeitet sie für das russisch- und englischsprachige Onlineportal "Meduza", das im Januar 2023 in Russland verboten wurde, aber im Exil weiter betrieben wird.

"In der Risikozone"

Im März 2022 reiste Jelena Kostjutschenko im Auftrag der "Novaja Gazeta" in die Ukraine, um über den Krieg zu berichten. In ihren Reportagen schilderte sie Folterungen und Kriegsgräuel durch das russische Militär. Ihr Chefredakteur warnte sie, nicht nach Moskau zurückzukehren, weil dort ihr Leben in Gefahr sei. Seither ist sie im Exil. "Es gibt Berufe, die mit großen Risiken verbunden sind. Zum Beispiel Polizisten oder Feuerwehrleute. Leider sieht die russische Realität so aus, dass auch Journalisten in der Risikozone sind."

Für ihr Buch "Das Land, das ich liebe" hat sie aus ihren zahlreichen Reportagen der letzten fünfzehn Jahre dreizehn ausgewählt und mit autobiografischen Essays verbunden, die seit dem Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 entstanden sind. Es sind Schilderungen aus der Perspektive derjenigen, die in Russland zum Schweigen gebracht werden: Prostituierte, queere Menschen, Straßenkinder – fein beobachtet und mitreißend formuliert. Und sie erzählt auch von sich selbst: wie ihr damals als junges Mädchen die "Novaja Gazeta" die Augen geöffnet hat und wie sehr sich ihr Heimatland von Putins Russland unterscheidet. "Ich denke, dass das Land in erster Linie die Menschen ausmachen, die durch ein gemeinsames Schicksal vereint sind. Ich liebe sie, ich liebe diese Menschen. Russland, das ist für mich meine Mutter, meine Schwester, meine Protagonisten, die ein sehr schreckliches, sehr hartes Leben führen", sagt sie. "Und genau das ist es, wofür ich leben, wofür ich arbeiten möchte, dafür, dieses gemeinsame Leben zu ändern."

Buchtipp

Jelena Kostjutschenko: Das Land, das ich liebe
Wie es wirklich ist, in Russland zu leben
Penguin Verlag 2023, Preis: 26 Euro
(erscheint am 18. Oktober 2023)

Autorin des TV-Beitrags: Claudia Kuhland

Die komplette Sendung steht am 15. Oktober ab 20 Uhr zum Abruf in der Mediathek bereit.

Stand: 15.10.2023 18:44 Uhr

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