So., 11.05.25 | 23:05 Uhr
Das Erste
„Sieben Tage“
Ein bewegender Film über eine iranische Menschenrechtsaktivistin zwischen politischem Kampf und Mutterschaft
Der Film basiert auch auf der Geschichte von Narges Mohammadi
„Mama?“ fragt ein Junge in einer Filmszene.
Für sieben Tage darf die Menschenrechtsaktivistin Maryam das berüchtigte Evin-Gefängnis im Iran verlassen. Hafturlaub aus medizinischen Gründen. Das autoritäre Regime – ein ständiger Schatten…
Der Spielfilm „Sieben Tage“ von Regisseur Ali Samadi Ahadi ist inspiriert von den politisch engagierten Frauen, die im Iran für Freiheit kämpfen.
„Es gibt ganz viele Löwinnen in den Gefängnissen Irans, die mit allem, was sie haben, sich in die Waagschale werfen. Für die Werte, die für uns auch wichtig sind“ meint Regisseur Ali Samadi Ahadi.
Der Film basiert auch auf ihrer Geschichte: Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi. Weil sie – wie die Hauptfigur im Film – gerade aus gesundheitlichen Gründen Hafturlaub hat, können wir mit ihr sprechen. Trotz körperlicher und psychischer Gewalt im Gefängnis hat sie niemals aufgegeben.
„Für mich war die Entscheidung immer klar, diesen Weg genau so voller Überzeugung fortzusetzen. Nur wenn ich an meine Kinder gedacht habe, spürte ich diesen grausamen Zweifel“ erzählt Narges Mohammadi.
Mutter und Menschenrechtsaktivistin
Der Film zeigt, welche persönlichen Konsequenzen so ein Leben hat. Maryam hat ihre Mutter jahrelang nicht gesehen. Auch Ehemann und Kinder nicht, die im Exil leben. Ihr Bruder stellt sie vor die Wahl: Sie könnte jetzt sofort fliehen.
Ein Filmausschnitt:
„Ich habe alles vorbereitet, du triffst die Entscheidungen. Du kannst zu deiner Familie oder gehst zurück ins Gefängnis“, sagt Nima, der Bruder von Maryam.
„Du hättest mich informieren müssen. Damit ich Zeit habe, über so eine wichtige Entscheidung nachzudenken“, erwidert Maryam.
„Und deine Kinder? Sie wachsen ohne dich auf“, so Nima weiter.
„Nein, Nima. Sie wachsen mit mir auf. Ein Kind braucht ja nicht nur ein Dach über dem Kopf und eine Schule. Kinder brauchen wie wir, wie du, wie ich, die Achtung ihrer Rechte, ihrer Würde, ihrer seelischen Unversehrtheit“ stellt Maryam klar.
Auch Narges Mohammadi hat ihre Kinder seit zehn Jahren nicht gesehen. Die Zwillinge sind ohne sie erwachsen geworden, leben seit langem mit ihrem Vater in Paris. 2023 nehmen sie den Friedensnobelpreis für ihre Mutter entgegen. Narges Mohammadi ist zu der Zeit, wie so oft, im Gefängnis.
„Ich erinnere mich an eine Situation, als Kiana drei war und gerade operiert wurde“, erzählt Narges Mohammadi. „Und an diesem Abend, als wir mit Kiana wieder zu Hause waren, wurde ich verhaftet und ins Gefängnis gebracht. Als sie dann die Zellentür hinter mir schlossen, kam dieser Zweifel in mir hoch. Sollte ich nicht bei meiner Tochter sein, die gerade operiert wurde? Sie war ja so klein, auch mein Sohn Ali, sie waren erst drei Jahre alt. Sollte ich als Mutter nicht bei ihnen sein statt als Menschenrechtsaktivistin in Einzelhaft zu sitzen?“
Flucht ins Exil
Doch was bedeutet es, zu fliehen, die Heimat und den politischen Kampf im Iran hinter sich zu lassen? Diese Frage war der Ausgangspunkt für das Drehbuch des Films. Der Oscar-nominierte Regisseur Mohammad Rasoulof hat es geschrieben, als er noch im Iran war. Auch er war damals von seiner Familie getrennt, auch er kam dann als Regimekritiker in Haft.
„In dieser Zeit hat mich die Frage beschäftigt: Wie kann dieser Widerspruch aufgelöst werden zwischen den Werten, für die man kämpft, und der Familie? Was macht man da? Was ist meine Aufgabe? Ich glaube, dass Menschen individuell unterschiedlich entscheiden. Je nachdem, in welcher Situation sie sich befinden“, meint Mohammad Rasoulof.
Mohammad Rasoulofs Filme handeln immer wieder von den Repressionen durch das ultra-religiöse Regime im Iran. Wegen eines Films über die „Frau Leben Freiheit“-Bewegung drohte ihm zuletzt erneut Haft und ein Arbeitsverbot. Deshalb entschloss er sich vergangenes Jahr zur Flucht ins Exil. Die Fluchtroute der Hauptfigur im Film ist seine eigene. Er hatte sie zuvor im Drehbuch beschrieben. Dann wurde aus Fiktion Realität.
„Sekunde für Sekunde des Weges war schwierig. Aber besonders die Wahrnehmung war anders, als ich erwartet hatte. Denn man kommt nie zu einem Ende. Es gibt kein Ziel. Ich ging los mit der Hoffnung, dass ich irgendwo ankomme. Aber zwischen Start und Ziel gibt es einen Bedeutungsverlust. Man mag im Exil sogar ein besseres Leben führen. Aber den Teil der Identität, den man verliert, kann man nicht einfach zurückbekommen“ findet Mohammad Rasoulof.
Was Freiheit wirklich bedeutet
Seine Hauptfigur Maryam befindet sich in einem schmerzhaften Dilemma. Sie will ihre Familie sehen, und sie will den Kampf im Land fortführen.
Narges Mohammadi hat ihre Entscheidung getroffen.
„Eine demokratische Gesellschaft wird geprägt von den Menschen, die in ihr leben. Ich bin tief überzeugt, dass ich im Iran sein muss. Ich muss unter den Menschen sein, ihr Leid erleben und auch ihre Freude - den Weg in Richtung Demokratie Schritt für Schritt mit ihnen gemeinsam gehen“, so die Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi.
Narges Mohammadi demonstriert weiter für die Rechte von Frauen, Minderheiten, Arbeitern. Sie tritt öffentlich auf. Und widersetzt sich der Anordnung, nach dem Hafturlaub ins Gefängnis zurückzukehren, wohl wissend, welche Konsequenzen das haben könnte. Sie stelle fest, dass sich die iranische Gesellschaft in den letzten Jahren verändert habe. Trotz der bestehenden Repressionen gingen Frauen ohne Kopftuch raus. Sie höre sogar von religiösen Eltern, die ihre Kinder dazu ermutigen.
„Was Freiheit wirklich bedeutet, hat erst die ,Frau Leben Freiheit‘-Bewegung der iranischen Gesellschaft gezeigt. Wenn wir jetzt von Freiheit sprechen, ist das nicht mehr abstrakt, sondern die Menschen haben eine Vorstellung, worüber wir sprechen und wofür wir kämpfen“, sagt Narges Mohammadi weiter.
In „Sieben Tage“ heißt es:
Auch wenn ich jetzt weit von dir entfernt bin,
werde ich mein Herz an keinen anderen binden.
Beitrag: Katja Deiß
„Sieben Tage“, Regie: Ali Samadi Ahadi, Filmladen, ab 15. Mai 2025 im Kino.
Stand: 12.05.2025 07:58 Uhr
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