So., 04.05.25 | 23:05 Uhr
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"Unbeschreiblich weiblich"
Ausstellung in Cottbus zeigt Frauenbilder der inoffiziellen Kunstszene in der DDR
In der DDR sollten Frauen als Sozialistinnen, Werktätige und Mütter dargestellt werden, doch die inoffizielle Kunstszene zeigte sie auch verletzlich und selbstermächtigend. Künstlerinnen und Künstler unterliefen staatliche Ideale, schufen Werke über Einsamkeit und Überforderung. Die Ausstellung "Unbeschreiblich weiblich" in Cottbus zeigt nun die Vielfalt der Frauenbilder in der DDR.
Die Diversität der Lebensformen im Mittelpunkt

Knapp 200 Frauen-Augen blicken in der Ausstellung ihr Publikum an, erzählen vom Aus-der-Rolle-Fallen und der Rolle der Frau. Gemalt von Künstlern beiden Geschlechts. "Mir geht es darum, dass die Diversität an Lebensformen sichtbar wird", sagt Carolin Kühne, Kustodin der Sammlung Malerei, Grafik, Skulptur des Brandenburgischen Landesmuseums für moderne Kunst (BLMK) in Cottbus. Tatsächlich macht die Ausstellung das Unbeschreiblich-Weibliche in Bildern sichtbar. "Ich finde, dass das Thema Frau-sein und Frauenbilder in der DDR in den letzten Jahren mehr besprochen wird, trotzdem allerdings noch nicht oft genug. Da gibt es noch viel zu erzählen", so Kühne.
Die weibliche Perspektive bringt neue Themen hervor

40 Jahre DDR, heißt 40 Jahre Idealisierung der sozialistischen Frau - und die gelebte Distanzierung davon. Sowohl das Klischee der allzeit bereiten Mutter und Werktätigen wird gebrochen, als auch das der Propaganda-Kunst. Wilhelm Lachnits "Ruhende Mutter mit Kind" war 1955 so modern, dass die DDR den Maler cancelt. 1981 kündigt Karla Woisnitza mit einer Collage das klassische Familienbild auf und fordert echte Emanzipation. "An den 70ern und vor allem in den 80er-Jahren treten Künstlerinnen vermehrt in den Fokus", ordnet Kühne ein. "Ab da werden auch differenziertere Perspektiven auf Weiblichkeit erzählt. Dabei geht es auch um Themen wie Unbehagen oder Verletzlichkeit, um Überforderung oder eben auch Lust und Sexualität, weibliche Selbstermächtigung." Durch Künstlerinnen kommen neue Themen und Blicke, nicht unbedingt neue Stile dazu. Aber wenn Frauen den weiblichen Körper zeigen, ist "Sie" auf Augenhöhe. Und seltener ein schillerndes Objekt archaisch-männlicher Begierde.
Die Frau im Hamsterrad

Ein weiblicher Akt der etwas anderen Art ist das heimliche Hauptwerk der Ausstellung: "Frau im Rad", eine Kohlezeichnung auf Jute von 1991. Es ist quasi ein Riesen-Hamsterrad, gemalt von der Künstlerin Sabine Herrmann, die seit Mitte der 80er Jahre in Berlin lebt und arbeitet. "Es ist ganz einfach das, was die Erfahrung, die viele machen, sicherlich auch Männer, aber insbesondere Frauen, dass sie immer, immer, immer tun und machen - doch es bewegt sich nichts", erklärt die Künstlerin. Bei Sabine Herrmann bewegt sich’s allerdings schon. Sie hat die Wendezeit gemeistert, die für Frauen besonders herausfordernd war. Sie ist in Museen als auch am Markt angekommen mit ihren farbintensiven, immer abstrakter werdenden Werken. Diese zehren noch heute von der Energie, die Herrmann mit anderen Frauen in der DDR-Subkultur in den 80er Jahren entfesselt hat: "Es gibt eine Art Zeitgeist, der damals losging und der wieder andockt an die feministische Bewegung der 20er Jahre, als wäre es eingeschlafen gewesen und nun aufwacht wie ein Pflänzchen, was gegossen werden musste."
Keine Errungenschaften sind selbstverständlich und von Dauer

Frauenförderung, weibliche Perspektiven, gezielte Ankaufspolitik - das waren Errungenschaften in der Kunst der letzten Jahrzehnte. Aber, räumt Kühne ein, "da ist auch immer die Gefahr, dass die Gesellschaft sich zurückentwickelt, auch wenn sie schon einen gewissen Punkt des Fortschritts erreicht hat, und, dass man gewisse Rechte von Neuem erkämpfen muss." Das Bild der Frau ist stets im Wandel. Daran erinnern die vielen Alten in der Ausstellung, oft Mütter der Künstlerinnen und Künstler. Die stummen Zeit-Zeuginnen sind ein Appell - wider jedes Klischee.
(Beitrag: Sylvie Kürsten)
Stand: 04.05.2025 19:56 Uhr
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