So., 18.05.25 | 23:05 Uhr
Das Erste
"Wir kommen in Frieden"
Die Punkband Feine Sahne Fischfilet bezeichnet ihr neues Album als "letzte Warnung"
Man mag es kaum glauben: Feine Sahne Fischfilet gibt es nun schon seit über 20 Jahren. Im Geburtstagsjahr haben sie also fleißig an ihrem 7. Studioalbum gearbeitet. Frontmann Jan "Monchi" Gorkow, 1987 in Neubrandenburg geboren, geht auf die 40 zu. Die Zeit vergeht, aber die Themen, mit denen sich FSF beschäftigen, scheinen leider dieselben zu bleiben: Die Band steht mit ihrer Kunst an vorderster Front im Kampf gegen Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit. Dabei haben Monchi und seine Kollegen so einiges erlebt – der Verfassungsschutz von Mecklenburg-Vorpommern hat sich jahrelang an der Band abgearbeitet, der "Erfolg" war überschaubar. Stattdessen hat sich die Band inzwischen deutschlandweit einen Namen gemacht für ihr politisches Engagement gegen Gewalt und Rechtsradikalismus. Dabei haben die Aktionen der Band natürlich immer ein ziemlich provokatorisches Potential … "ttt" hat die Band in ihrem mecklenburgischen Heimatdomizil besucht, dem Dorf Jarmen, über dem u.a. die Reichskriegsflagge weht.
Jarmen wird zur neuen Homebase der Band

"Feine Sahne Fischfilet" – so heißen sie. Und von ihrer Heimat Jarmen in Vorpommern erzählen auch ihre Songs. "Das ist immer eine Hassliebe, so ganz ambivalent. Manchmal denkst du: Scheiße, das ist der schönste Ort der Welt oder die schönste Gegend der Welt. Und manchmal denkst du, du bist im Neandertal", erzählt Jan "Monchi" Gorkow. Neandertal oder Paradies? Hier in Jarmen kennt jeder Jan Gorkow, genannt "Monchi", den Sänger der Punkrocker. Er ist unterwegs zur Band-eigenen Baustelle. "Die Jungs haben Kaffeedurst. Ich muss ein bisschen Milch mitbringen", sagt er. Aus Greifswald hat die Band ihren Proberaum nach Jarmen verlegt, wo "Monchi" aufgewachsen ist. Hier entsteht die neue Homebase der Band. Eigene Räume in Jarmen werden auch gebraucht, denn hier organisieren sie seit 2016 ein Festival: das "Wasted in Jarmen". Zu ihrem – wie sie es nennen – "geilsten Dorffest Ostdeutschlands" holen sie Stars wie die "Beatsteaks" in die Provinz. Die 5.000 Tickets waren dieses Jahr in weniger als 24 Stunden ausverkauft.
"Feine Sahne Fischfilet": 20 Jahre Punk und Protest

Seit 20 Jahren engagiert sich die Band gegen Rechtsradikalismus. Damit haben sie sich in Jarmen und darüber hinaus natürlich Feinde gemacht. Aber sie sind gekommen, um zu bleiben – trotz aller Probleme. "Es gibt bestimmt wenig Bands, die zum Proberaum fahren und jedes Mal zwei Häuser weiter eine riesengroße schwarz-weiß-rote Fahne sehen", so Jan "Monchi" Gorkow. Die Band hat reagiert und für ein Musikvideo die Flagge gefilmt. "Du hängst die Reichskriegsflagge an ’n Laternenpfahl. Schöne Grüße ins Neandertal", Textauszug aus ihrem Song "Grüße ins Neandertal". Doch auch wenn das Lied vor trotzigem Humor nur so strotzt – die Band hat viel erlebt: Angriffe auf ihre Autos und Proberäume, eingeschlagene Scheiben und Buttersäure-Attacken. "Natürlich gibt es Momente, wo man zweifelt und wo man vielleicht keinen Bock mehr hat. Wir sind ja keine politischen Kämpfer, die die ganze Zeit mit wehenden Fahnen untergehen wollen, sondern: Ich liebe es, hier zu leben und das will ich mir nicht nehmen lassen", erklärt Sänger "Monchi". Vor 20 Jahren fingen "Feine Sahne Fischfilet" als Schülerband in der Region an. Sänger"Monchi" war damals Teil der Hooligan-Szene von Hansa Rostock. Noch 2014 beobachtete der Verfassungsschutz die Band als "linksextremistisch". Heute gehen sie auf ihrem neuen Album selbstironisch um mit ihren "stumpfen Parolen" von früher.
Das Festival: eine Investition in die Zukunft der Region

Die Band und ihr Festival machen einen Unterschied für Jarmen – eine 3.000-Einwohner-Stadt, aus der immer noch viele Junge wegziehen. Kai Hünecke ist Schlosser, noch keine 30 und frisch aus Brandenburg hergezogen. Als Teenager hat die Musik von "Feine Sahne Fischfilet" sein Leben verändert: "Für mich ging es halt da gerade los mit dem ganzen Politischen. Mit 'Böhse Onkelz' bin ich aufgewachsen, und das war dann halt so eine 180-Grad-Kehrtwende." Jedes Jahr hilft Kai beim Auf- und Abbau für das Festival – so wie 400 andere aus dem Ort und viele der Vereine. "Wasted" soll kein Festival für die immer gleiche linke Blase sein, sondern etwas Verbindendes – für alle in Jarmen. Das Festival: eine Investition in die Zukunft der Region. Hier wächst auch "Monchis" kleine Tochter auf. Von der Liebe zu ihr erzählt der wohl berührendste Song des neuen Albums: "Haut an Haut". "Der Moment, dass ich mir vorstelle, wenn wir ein Konzert spielen und sie das erste Mal checkt, dass es ihr Lied ist, und wir spielen das live. Und da kriege ich jetzt also, da krieg ich fast Tränen in die Augen", erzählt Jan "Monchi" Gorkow.
"Wir kommen in Frieden" – ein lautes Album mit leisen Tönen

Auf dem neuen Album zeigen "Feine Sahne Fischfilet" wieder einmal, dass ihnen die leisen Töne genauso wichtig sind wie die Lauten. Heimatliebe zum Hören – und ein Versuch, Brücken zu bauen – vielleicht sogar über politische Gräben hinweg. "Lass uns schauen, was uns verbindet und nicht, was uns trennt – auch wenn ich mit dir streite, auch wenn du mal ein Idiot warst, auch wenn du scheiße warst. Alle Sünder zu uns! Weil das ist, glaube ich, wirklich was, was richtig krass fehlt", so "Monchi".
Autorin: Anne Kohlick
Stand: 18.05.2025 21:40 Uhr
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