Interview mit Tom Schilling

Kurt Barnert (Tom Schilling) studiert Malerei.
Der junge Maler Kurt Barnert sucht seinen Stil. Als er in den 1960ern an der Düsseldorfer Akademie studiert, beginnt Kurt unbewusst, seine Biografie zu verarbeiten. | Bild: ARD Degeto

Wie kamen Sie zu WERK OHNE AUTOR?

Das Drehbuch hat mich sofort total überzeugt. Es ist wunderbar ausgeklügelt und extrem schlüssig. Die einzelnen Puzzleteile greifen perfekt ineinander und ergeben am Ende ein großes Bild, das mehr ist als nur die Summe seiner Einzelteile. Maßgeblich interessant für einen Schauspieler ist natürlich auch, wer Regie führt. Auf die Arbeit mit Florian von Henckel von Donnersmarck, ein absoluter Könner und Meister, habe ich mich sehr gefreut. Gleich beim Lesen dachte ich, dass es eine Rolle für mich ist. Es geht mir nicht oft so, dass ich sage: „Da bin ich der Richtige, das muss ich spielen.“ In diesem Fall sprang der Funke sofort über. Es gab aber auch eine persönliche Komponente, die wichtig war: Ich wollte eigentlich nie Schauspieler werden, sondern hatte eigentlich davon geträumt, eines Tages einmal Maler zu werden. Insofern konnte ich mir jetzt einen lang gehegten Wunschtraum erfüllen.

Warum sind Sie dann zur Schauspielerei gewechselt?

Das lag nur daran, dass ich auf dieser Ebene viel schneller Zuspruch erfahren habe. Meine Kunstlehrerin in der Schule hatte bei mir ein überdurchschnittlich hohes zeichnerisches Talent festgestellt. Sie hat mich gefördert, ich besuchte Volkshochschulkurse. Gleichzeitig habe ich aber auch schon sehr früh angefangen, in Filmen mitzuspielen, zunächst eher noch widerwillig. Da kam dann aber eins zum anderen und die Leute mochten sehr, was ich gemacht habe, während ich mit meiner Kunst nicht so viele Menschen erreicht habe.

Worum geht es also in WERK OHNE AUTOR?

Um einen jungen Künstler, der im Nationalsozialismus aufwächst, durch die Kriegsjahre stark traumatisiert wird und danach in der DDR den Entschluss fasst, Künstler zu werden und dort studiert. Schnell stellt er fest, dass er mit dem künstlerischen Dogma des sozialistischen Realismus auf Dauer nicht glücklich wird. Deshalb fasst er den Entschluss, in die BRD zu fliehen und dort zu versuchen, seine Kunst zu entwickeln, sich selbst zu finden als Künstler.

Gelingt ihm das?

Sein Lehrer van Verten ist der Katalysator. Er ist der Brandbeschleuniger für das, was eh schon in Kurt Barnert gärt. Van Verten, gespielt von Oliver Masucci, ist es, der ihm klarmacht, dass es nicht um Äußerlichkeiten geht, nicht um eine Ästhetik, nicht um eine Form, sondern dass es ein innerlicher Prozess ist, die richtige und echte, wahre Kunst zu finden.

Wie würden Sie Kurt beschreiben?

Kurt ist ein klassischer Beobachter. Er ist der Typ, der sich zurückhält und ganz genau schaut, ohne zu bewerten, vielleicht sogar alles einsaugt und auf seine Art und Weise verarbeitet. Eine wichtige Rolle spielt seine Tante Elisabeth, die ihn in jungen Jahren mit ins Museum nimmt und seine Begeisterung für Kunst weckt. Sie ist es, die ihm sein Lebensmotto oder sein Mantra mit auf den Weg gibt, das er dann auch tatsächlich lebt: Niemals die Augen zu verschließen! Daher kommt wohl diese unglaubliche Gabe für Beobachtung, mit der er durch die Welt geht und die Dinge aufnimmt.

Elisabeth ist also eine Schlüsselfigur?

Obwohl seine Tante früh stirbt, ist sie doch immer lebendig in seinem Kopf. Sie ist eine Leitfigur, die ihm die Kraft gibt, an sich selbst zu glauben. Seiner Tante war es immer wichtig, dass der kleine Kurt wächst und gedeiht, dass er blühen und das leben kann, was aus ihm herauskommt. Das ist sehr wichtig für ihn, und er hat das so verinnerlicht, dass er diese Worte von ihr immer im Kopf hat und er alles auch mit ihren Augen betrachtet: das Schöne wie das Hässliche, das Leid wie das Glück. Tante Elisabeth ist ein wichtiger Pfeiler in seinem Leben.

Wer ist sonst noch wichtig für ihn?

Seine Frau natürlich, Ellie, seine große Liebe, aus der er immer Kraft schöpfen kann. Aber dann ist da auch noch sein innerer Antrieb, eine große Ambition: Kurt möchte etwas erreichen in seinem Leben, er will etwas erschaffen. In nicht unbeträchtlichem Ausmaß geht es in dem Film um seinen Weg dahin, sich selbst und sich als Künstler zu finden, seine Sprache und damit auch seinen Platz in der Welt.

Sie sprechen Kurts Frau Ellie an. Erzählen Sie mehr über sie...

Kurt erfährt, dass in der Kunstakademie in Dresden eine Malereistudentin Westbleistifte verkauft, die bei Malereistudenten im Osten damals ziemlich begehrt waren. Er macht sich auf den Weg, um einen dieser Stifte zu bekommen, und stellt dann fest, dass die Frau, die sie verschenkt, eine ganz besondere Aura hat, die eine Wirkung auf ihn hat, die er sich auch nicht richtig erklären kann. Im Laufe des Films werden wir dann verstehen, dass mehr hinter dieser Begegnung steckt, als es sich die beiden ausmalen könnte. Kurt, den man bisher als sehr passiven Menschen kennengelernt hat, wird zum ersten Mal wirklich aktiv: Er setzt sich in den Kopf, dieser Frau nahe sein zu müssen.

Wie sah die Arbeit mit Paula Beer aus?

Wir hatten zuvor schon einmal an einem Film gearbeitet, bei dem wir allerdings keine gemeinsamen Szenen hatten. Insofern habe ich Paula beim Casting kennengelernt. Ich war beeindruckt, aber auch eingeschüchtert. Sie bringt eine Perfektion mit, die einen umhaut, sie strahlt eine wahnsinnige Selbstsicherheit aus, eine Klarheit und Gradlinigkeit. Da muss man erst einmal schlucken. Bis man dann anfängt, mit ihr eine Szene zu spielen. Ich habe mit ihr schnell eine ganz große Vertrautheit verspürt, wie ich das bisher selten mit einer Schauspielerin hatte.

Die Beziehung zwischen Kurt und Ellie führt zu einem Konfrontationskurs mit ihrem Vater...

Er ist ein erfolgreicher, konservativer Mann, ein patriarchisch agierender Vater, der es nicht gern sieht, dass sich seine Tochter mit einem solchen Nichtsnutz einlässt. Ein aufstrebender Künstler aus einfachem Hause, ohne geregeltes Einkommen? Das ist der Horror für ihn. Die Malerei genießt keinen hohen Stellenwert bei ihm. Das Verhältnis zwischen den beiden ist sofort angespannt und schwierig. Seeband lässt keine Gelegenheit aus, Kurt seine Geringschätzung spüren zu lassen, er erniedrigt ihn förmlich. Aber er unterschätzt ihn auch. Das ist sein Fehler.

Er wird gespielt von Sebastian Koch.

Es ist wirklich bemerkenswert, wie Sebastian in seiner Rolle verschwindet. Wenn er früh morgens in die Maske geht und dann wieder rauskommt, ist eine komplette Verwandlung mit ihm vorgegangen. Er ist dann dieser Herr Professor Seeband. Wir sind uns dann im Grunde immer nur als Kurt und Seeband begegnet, was ich eigentlich ganz gut fand, weil es doch eine sehr spezielle, sehr distanzierte Beziehung ist.

Wie war die Arbeit mit Florian Henckel von Donnersmarck?

Er ist ein absoluter Kontrollfreak. Und das sage ich mit dem größten Respekt und großer Bewunderung. Total. Er weiß ganz genau, was er will. Das geht bis zum letzten kleinen Wort im Drehbuch. Bei jedem kleinen "noch" oder "die" oder "zu". Es muss genau so gesprochen werden wie im Text. Immer hat er eine klare Wortmelodie, wie es klingen soll. Das betrifft nur mich als Schauspieler, aber im Prinzip setzt sich das in alle Abteilungen fort. Das macht es nicht immer ganz einfach, aber man wird es dem Film ansehen. Und dieser Perfektionismus ist der Grund, warum seine Filme so besonders sind. Er selbst schenkt sich auch nichts.

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