Marlene Morreis ist Nina Just

Nina Just (Marlene Morreis) wartet wieder einmal auf die Pannenhilfe.
Nina Just wartet wieder einmal auf die Pannenhilfe. | Bild: BR/ARD Degeto/ORF/Neue Schönhauser Filmproduktion GmbH / Marco Nagel

Am Anfang des Films hören wir Ihre Stimme aus dem Off. Sie erzählen ein kurzes Märchen: "Wir werden als Prinzessinnen geboren, von unseren Müttern zu Fröschen gemacht und den Rest unserer Zeit verbringen wir damit, den Urzustand wiederherzustellen." Was steckt hinter diesem Motto?

Es bedeutet, was immer auch falsch läuft, Mutter ist an allem schuld. Meine Figur Nina Just führt alle Probleme, die sie im Leben hat, auf ihre Mutter zurück. Rose Just ist hauptverantwortlich dafür, dass sich ihre Tochter von diesem perfekten Wesen nach der Geburt in einen Frosch verwandelt hat. Nun muss sich Nina ein Leben lang bemühen, um diesen heilen, unverfälschten Urzustand wiederzugewinnen. Der Frosch steht im Grunde dafür, dass man Erfahrungen macht und erwachsen wird.

Wenn man die Wörter "Mutter und Tochter" googelt, landet man als Erstes auf psychologischen Ratgeberseiten. Warum ist die Beziehung so schwierig?

In der Natur gibt es wohl keine zweite Bindung, die so eng ist und die so viele Spannungen in sich trägt. Nina liegt zum Beispiel im Dauerzwist mit ihrem Bruder Leon, der als Musiker in Frankreich lebt und nichts auf die Reihe kriegt, aber für die Mutter macht er immer alles richtig. Während sie in ihren Augen immer alles falsch macht! Obwohl Nina vergleichsweise erfolgreich als TV-Moderatorin arbeitet, wird sie von Rose bei jeder Gelegenheit heruntergeputzt. Denn ihre Mutter ist eifersüchtig und eine "Alltagssadistin", wie es im Drehbuch heißt. Sobald Nina den kleinsten Fehler macht, drückt sie den Finger in die Wunde. Gerlinde Wolf erzählt eine universelle Geschichte über ein Thema, das jeden Zuschauer anspricht: Eine Tochter kämpft darum, sich mit der Mutter zu versöhnen und den Weg zu sich selbst zu finden.

Geht es ihr darum, die Anerkennung der Mutter zu gewinnen?

Dieser Kampf ist längt verloren. Er wird zwar immer noch ausgetragen, aber er hat sich verselbständigt und ist zu einer Pose verkommen. Es geht um Emanzipation, Loslassen und Erwachsenwerden. Nina steht noch immer unter dem Einfluss ihrer übermächtigen Mutter. Sie ist wie ein großes Kind, das unbedingt verstehen will, warum für die Mutter beim Sohnemann alles pupsisuper läuft, auch wenn der ihr weiter auf der Tasche liegt. Ninas Befreiung besteht darin, nicht länger der Anerkennung ihrer Mutter hinterherzulaufen. Irgendwie schafft es Nina dann auch, sich aus der Abhängigkeit zu lösen. Ihre Mutter übergibt ihr praktisch ihr Reich, wenn sie zu Nina sagt: Die Königin ist tot, lang lebe die Königin.

Nina ist Moderatorin bei einem Shoppingkanal. Macht sich der Film lustig über diese Art von Fernsehen?

Im Gegenteil. Wir haben zu Recherchezwecken einen Teleshopping- Sender in München besucht und gesehen, mit welchem großen logistischen Aufwand dort eine Sendung gefahren wird. Wir waren alle durch die Bank beeindruckt, auch von der Leistung der Moderatoren. Die haben ständig einen Regisseur im Ohr, der ihnen vier, fünf Sachen vorsagt, die man sofort unterbringen muss, während man gleichzeitig eine Handtasche präsentiert und zu einem Paillettenjäckchen überleitet. Es ist ein Job, der einen stark fordert. Und Nina? Sie liebt ihre Arbeit, was nicht heißt, dass sie ihren Traumberuf gefunden hat. Sie wollte eigentlich Schauspielerin werden. Aber sie hat sich in ihrem Leben immer mit ein bisschen weniger zufrieden gegeben, als sie hätte haben können.

Was entgegnen Sie, wenn man Sie eine "geborene Komödiantin" nennt?

Das Kompliment ist mit Vorsicht zu genießen. In Deutschland wird man schnell in die eine oder andere Schublade gesteckt. Die einen spielen nur Komödie, die anderen nur Drama. Je nachdem, in welcher Kategorie man gestartet oder erfolgreich ist. Diese Unterteilung törnt mich doch sehr ab. Mir haben schon Filmleute gesagt, sie würden so gern mit mir arbeiten, aber leider keine Komödien machen. "Lang lebe die Königin" ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich amüsante und tragische Elemente durchmischen. Es ist halt so wie im wirklichen Leben. Man kommt vom Lachen ins Weinen und andersherum. Oder man hangelt sich von einem Witz zum nächsten, um Momente zu überbrücken, die schrecklich peinlich oder schmerzhaft sind. Das geht eine Zeitlang gut, bis die Fassade zu bröckeln beginnt und sichtbar wird, was dahinter liegt. Das ist für mich die schönste Art, Komödie zu spielen.

Hannelore Elsner konnte wegen Ihrer schweren Erkrankung die Rolle nicht zu Ende spielen. Wie haben Sie den Drehabbruch erlebt?

Es ist ein schleichender Prozess gewesen. Niemand hat ja damit gerechnet. Erst kam sie einen Tag nicht. Dann fiel sie auch am nächsten Tag aus. Wir haben immer gehofft: Morgen ist sie bestimmt wieder da. Sie ist erschöpft, was soll denn sonst sein? Aber dann, vier Tage vor Drehende, folgte der Abbruch. Nur fünf Szenen fehlten noch, alle mit Hannelore Elsner. Es war ein Schock. Der Film blieb komplett liegen. Keiner wusste, wie es weitergeht. Dann hieß es, sie habe sich für 14 Tage krank gemeldet. In diesem Moment war klar, dass sich das Team auflösen würde. Alle hatten ja Anschlussjobs irgendwo in Deutschland. Zweieinhalb Wochen später erhielten wir die traurige Nachricht von ihrem Tod. Wir haben viel telefoniert. Uns zu treffen, ging ja nicht, wir waren in alle Winde zerstreut. Im Nachhinein wurde uns bewusst, wie schlecht es ihr beim Drehen gegangen sein muss. Sie muss unter Schmerzen gelitten haben. Bei der Trauerfeier sah ich einige wieder. Später, beim Nachdreh im August kam fast das gesamte ursprüngliche Team zusammen. Mir kommen heute noch die Tränen, wenn ich daran denke. Wir konnten nur am Wochenende drehen, da ich in dieser Zeit einen anderen Film gemacht habe. Dieser Dreh war so besonders, traurig und absurd. Alles lief anders als sonst. Ich habe vor Drehbeginn Hannelore Elsner gefragt, ob es ihr nicht unangenehm ist, im Film zu sterben. Sie meinte nur lachend, sie sei schon so oft vor der Kamera gestorben, das sei für sie nichts Ungewöhnliches. Der Satz hat heute natürlich eine ganz andere Bedeutung.

Was ist Ihnen von den Dreharbeiten zu der Tragikomödie außerdem besonders in Erinnerung geblieben?

Ich war zunächst für eine Nebenrolle im Shoppingsender besetzt. Ich dachte mir, das ist ja schade, Richard Huber führt Regie, wir kennen uns doch schon so lange, warum hat er mich nicht zum Casting für die Hauptrolle eingeladen? Einige Tage später ist Richard am Telefon, ach Marlene, tut mir leid, natürlich spielst du die Nina! Entschuldige, dass ich erst jetzt darauf komme! Spannend war auch jeder einzelne Drehtag mit meinem Auto. Im Film bin ich ständig in einem offenen alten Mustang unterwegs. Das Auto hätte einen eigenen Titel im Abspann verdient gehabt, so oft, wie es uns beim Drehen liegengeblieben ist. Nach fast jedem Drehtag musste es in die Werkstatt abgeschleppt werden. Der Wagen war genauso trotzig wie Nina. Irgendwann kam mir die Vorstellung: Dieser Film ist wie Rodeoreiten. Ich sitze auf dem Rücken eines wilden Bullen, der mich abzuwerfen versucht. Aber ich bin oben geblieben. Ich habe den Film zu Ende geritten.

Fünf große Kolleginnen sprangen Ihnen bei …

Aber am Anfang wusste keiner, ob diese Idee am Set überhaupt funktioniert. Ich habe vor dem Nachdreh echtes Muffensausen bekommen. Wie würde ich darauf reagieren, dass plötzlich jemand anderes als Hannelore die Rolle meiner Mutter spielt? Wird die Chemie zwischen uns stimmen? Es war wieder so ein wilder Ritt. Nach den ersten Aufnahmen habe ich zu Richard herübergeschaut. Haut es hin? Er hat meinen fragenden Blick gesehen, mit dem Kopf genickt und gesagt: Ja, es klappt!

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