Interview mit Elmar Fischer

Regie

Klaus Borowski (Axel Milberg) befragt seine Ex-Frau Gabrielle (Heike Trinker) zum Verschwinden der gemeinsamen Freundin Heike.
Klaus Borowski befragt seine Ex-Frau Gabrielle zum Verschwinden der gemeinsamen Freundin Heike. | Bild: NDR / Christine Schroeder

"Borowski und das Haus der Geister" erinnert an Hitchcocks Kinofilm "Rebecca". Ist dieser "Tatort" ein Genre-Mix aus Psychothriller, Mystery und klassischem Krimi?

Dieser Drang, in Genres zu denken, ist so gar nicht meins. Mich haben viel mehr die Figuren und ihre Emotionalität gepackt. Und ich fand die Ausgangssituation faszinierend. Borowski trifft einen alten Freund, zu dem vor ein paar Jahren der Kontakt abgebrochen ist. Und plötzlich muss er sich alten, unbearbeiteten und tiefliegenden Problemen stellen. Nur schwer kann er seinen Neid und die Eifersucht auf den Freund verstecken. Ein männliches Wetteifern beginnt: Wer ist der Klügere, der Raffiniertere? Und schließlich hat mich auch die Atmosphäre, die Sinnlichkeit, das Flirrende in diesem Stoff interessiert. Insofern ist der Film für mich tatsächlich ein Genre-Mix mit einem starken Erzählfokus und einem packenden Spannungsbogen.

Warum haben Sie auf typische Krimi-Elemente wie "Leiche finden" oder Verfolgungsjagden verzichtet?

Zunächst einmal, weil der Drehbuchautor Marco Wiersch zusammen mit der Redakteurin Sabine Holtgreve und dem Produzenten Johannes Pollmann bei der Entwicklung des Stoffes ganz bewusst darauf verzichtet haben. Eine gute Entscheidung, weil die Geschichte ohne diese Elemente viel stärker ist. Denn der Film ist vor allem ein Ausflug in Borowskis Vergangenheit und Biografie. Er fährt aufs Land zu Menschen, die ihm einst sehr wichtig waren und für die er wichtig war. Und er hat eine starke emotionale, romantische Bindung zu dem Opfer, deren Leiche man nie gefunden hat. Er ist befangen, irgendwann vielleicht sogar besessen. Und dann begegnen ihm starke, interessante Frauen, die ihn alle auf unterschiedliche Art zu manipulieren versuchen. Wenn zum Beispiel die junge Sinja, die sehr eindrücklich von Mercedes Müller gespielt wird, herausfordernd und sehr selbstbewusst auf einem Baumstamm an einem Badesee sitzt, da wird Borowski plötzlich zu einem 15-jährigen Jungen.

Ist er diesen Frauen überhaupt gewachsen?

Borowski ist jedem gewachsen – vielleicht nicht immer sich selbst.

Wie wichtig war es für Sie, dass Anna Voigt tatsächlich unter einer psychischen Erkrankung leidet und deshalb ein leichtes Opfer für gezielte Manipulationen werden kann?

Das war für mich die einzige Möglichkeit, diese Frauenfigur und dieses Genre glaubhaft zu erzählen. Sobald in einem "Tatort" Geistererscheinungen auftreten, weiß der Zuschauer sowieso, dass dies keine übersinnlichen Phänomene sind, sondern, dass es einen faktischen, nachprüfbaren Hintergrund geben wird. Es galt also, überprüfbare Szenarien zu entwickeln, warum wir als Zuschauer diese Geister nun sehen. Ich als Filmemacher möchte auf keinen Fall den Effekt bzw. einen etwaigen Grusel stärker gewichten als die dahinter stehende Logik oder Glaubwürdigkeit. Darüber hinaus ist die psychische Erkrankung von Anna Voigt ein maßgeblicher und wichtiger Bestandteil der Geschichte und hängt mit der Motivsituation und Vorgehensweise des Täters zusammen.

Lauert hinter jeder bürgerlichen Familienidylle der Horror?

Wahrscheinlich nicht hinter jeder. Aber natürlich gibt es diese für die Öffentlichkeit bestimmte Fassade, die aufgeräumt, ordentlich, vielleicht sogar ehrwürdig wirkt, und wenn man dahinter blickt, entdeckt man Brüche, starke Konflikte und alte Traumata. Und mit diesem Gegensatz zu spielen ist filmisch sehr interessant.

Die sommerliche Stimmung wirkt manchmal geradezu bedrohlich.

Das Buch und die darin enthaltenen genrespezifischen Elemente führten im ersten Gedanken natürlich zu einer dunkleren Ästhetik. Man hat da fast zwangsläufig dunkle Silhouetten im nächtlichen Wald vor Augen, wabernde Nebelschwaden, schummrige Kellerverliese etc. Der zweite Gedanke bei mir, dem Kameramann Philipp Sichler und dem Szenenbildner Deto Provvedi war: Wie können wir den Zuschauer überraschen? Wie können wir diese Ästhetik, der ja mittlerweile auch ein Klischee innewohnt, brechen? Ist es vielleicht sogar eindringlicher, die Bedrohung in eine sommerliche, farbige Visualität zu legen? Wir wollten das ganz bewusst und offensiv angehen. Wir drehen im Sommer, die Sonne scheint, die Natur steht in voller Pracht – und der Grusel steckt in jeder Blüte und summt in jeder Biene mit.

Wie haben Sie das neue Team zusammengeführt?

Wir haben im Vorfeld ein dreitägiges Casting mit vielen Kandidatinnen gehabt. Da haben sich Almila Bagriacik und Axel Milberg bereits beschnuppern und in der Arbeit kennenlernen können. Man hat sofort gespürt, dass da eine besondere Chemie entsteht. Almila hat eine ganz eigene Energie, eine originäre Kraft, die sie in die Figur legt. Wir haben dann in der Vorbereitung viele Gespräche geführt – über die Figur, das Drehbuch, ihr Profil. Sie hat sich auch einen Tag lang mit dem Head-Autor Sascha Arango getroffen, der ihre Szenen dann noch einmal bearbeitet hat. Als es dann los ging, war Almila vom ersten Augenblick da, und es hat große Freude gemacht, mit ihr zu arbeiten. Und Axel war Almila gleich zugetan, hatte große Sympathie und ist mit offenen Armen auf sie zugegangen. Er hat ja wahnsinnig viel Erfahrung, und daran lässt er seine Spielpartner teilhaben. Es ist nicht nur für den Regisseur, sondern auch die Spielpartner eine große Freude, mit ihm gemeinsam zu arbeiten, Szenen und Bögen zu entwickeln und Feinheiten heraus zu kitzeln.

Kann so eine langjährige Erfahrung nicht auch einschüchternd wirken?

Bei manchem jungen Schauspieler bestimmt. Aber Almila ist da selbstbewusst genug und weiß ja auch, dass sie davon nur profitieren kann. Im Übrigen hat sie – obwohl sie erst 28 Jahre alt ist – schon sehr viel gedreht und sehr intensive Erfahrungen gemacht.

Beeinflusst die neue Kollegin Borowskis Charakter?

Sie wirft noch einmal ein anderes Licht auf Borowski. Ihre Neugier, ihre unverstellte Art treffen auf etwas in Borowskis Charakter, das bisher vielleicht noch nicht so zu sehen war. In der Szene, in der Borowski – vermeintlich unbeobachtet – auf dem Parkdeck zu der Musik einer Telefon-Warteschleife tanzt, da kommt sie hinzu, beobachtet ihn kurz und tanzt dann ebenfalls. Sie will wie er den Augenblick genießen, auch oder gerade weil es schräg oder freakig ist. Andere "Tatort"-Kommissare würden ihren Kollegen vielleicht auflaufen lassen oder die Situation ironisch kommentieren.

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