Gespräch mit Stefan Hergli

Polizeischüler Leroy (Stefan Hegli, links), Tobias (Enno Trebs), Nasrin (Soma Pysall).
Die Polizeischüler Leroy, Tobias, Nasrin sind dabei. | Bild: NDR / Christine Schroeder

Leroy Schüttler wird gespielt von Stefan Hergli

Leroy Schüttler ist grundsätzlich gut gelaunt. Als Polizeischüler ist er beliebt, er genießt den Zusammenhalt, die rasanten Fahrten mit dem Polizeiauto, das gemeinsame Feiern. Er und sein Freundeskreis halten sich für unbesiegbar. Das Blatt wendet sich, als ein Einsatz für ihn zur Katastrophe wird. Er muss erleben, dass ein paar unbeholfen dahergesagte Beschwichtigungen nicht ausreichen, um eine Selbstmörderin von ihrem Vorhaben abzuhalten. Was Leroy auch noch nicht weiß: Dieser Fall hat eine Vorgeschichte. Dabei erfährt er mehr über Nasrin, als ihm lieb ist. Auf einmal ist der Wunsch nach Solidarität auch eine Frage von moralischen und professionellen Grenzen. Leroy muss sich entscheiden und stellt mit Erschrecken fest, dass andere bereit sind, viel weiter zu gehen, als er sich das vorstellen konnte.

Krimi aus Kiel meets Rap aus Berlin

Der Musiker Stefan Hergli alias Sero gibt im "Tatort: Borowski und der Fluch der weißen Möwe" nicht nur sein Debüt als Schauspieler. Sero hat nach dem Dreh auch einen eigenen Song für den Film geschrieben, die Musik arrangiert und den Titel produziert. Die Idee zu diesem außergewöhnlichen Crossover aus Film und Musik hatte die NDR Redakteurin Sabine Holtgreve. Der Song "Fliegen" erzählt davon, sich im Leben gegen alle Widrigkeiten nach oben zu kämpfen, Rückschläge zu überwinden und immer weiter zu fliegen, statt zu fallen. Sero hat den Titel gemeinsam mit Almila Bagriacik als Sängerin aufgenommen. Der Rapper und die Schauspielerin sind seit vielen Jahren gut befreundet. "Das Spannende an dem Song ist, dass er sich inhaltlich in den Kontext des Films einfügt, aber gleichzeitig unsere persönliche Geschichte erzählt", sagt Almila Bagriacik. Sero veröffentlicht den Song "Fliegen" noch vor der Ausstrahlung des "Tatorts", zudem wird "Fliegen" auf dem Album zu hören sein, das 2020 erscheint.

Gespräch mit Stefan Hergli

»Ich fand es sehr angenehm, dass es in diesem ‚Tatort‘ überhaupt nicht wichtig war, woher man kommt. Der Film lebt von den Figuren und deren emotionalen Welten.«

Sie geben im "Tatort" Ihr Debüt als Schauspieler. Wie kam der Rapper Sero zum Sonntagabendkrimi?

Ich wurde angefragt. Almila Bagriacik hat mich der Redaktion vorgeschlagen, als es um die Besetzung der Rolle des Polizeischülers Leroy ging. Ich kenne Almila schon seit der Schulzeit. Sie sagte mir, sie würden für die Rolle einen Rapper suchen, der auch schauspielern kann. Anfangs gab es ein wenig Bedenken, weil ich inzwischen blonde Haare habe. Aber beim Casting konnte ich überzeugen. Durch meine Musikvideos verfüge ich über eine gewisse Erfahrung vor der Kamera. Filmemachen ist aber ein ganz anderes Ding, als in einem Clip zu performen. Der große logistische Aufwand hat mich schon überrascht. Eigenes Catering, eigener Wohnwagen, da steckt richtig was dahinter. Man kann sich voll auf seine Rolle konzentrieren, während alles andere um einen herum geregelt wird.

Was bedeutet der Name Sero?

Es ist ein Spitzname. Wir Jungs von damals mochten nicht, woher wir kamen. Wir mochten nicht, unter welchen Umständen wir aufwuchsen. Und wir mochten nicht die Identitäten, die uns zugeschrieben wurden. Deshalb haben wir uns unsere eigenen Namen gegeben. Auch im deutschen Film spielt Herkunft eine große Rolle. Sie ist ein wichtiger Identifikationspunkt. Ich fand es sehr angenehm, dass es in diesem "Tatort" überhaupt nicht wichtig war, woher man kommt. Der Film lebt von den Figuren und deren emotionalen Welten.

Sie haben für den "Tatort" einen eigenen Song geschrieben: "Fliegen". Wovon handelt er?

Der Song passt inhaltlich zum "Tatort". Er erzählt vom Fallen und vom Fliegen. Am Anfang des Films stürzt sich ein Mädchen vor den Augen der Polizeischüler von einem Hochhausdach in den Tod. Der Song soll diesen Sog nach unten rüberbringen, gleichzeitig handelt er von dem Kampf, nach oben zu kommen. Die junge Polizistin Nasrin ist eine aufstrebende Frau, die aus ihrem Leben etwas machen will. Auch ihre Schulfreunde haben ehrgeizige Ziele für die Zukunft, aber irgendwie zieht sie dieser Kosmos gewaltig herunter, in dem sie sich bewegen. Das ist inhaltlich der Punkt, an dem ich mit meiner Musik anknüpfen konnte. Denn diese Geschichte kenne ich: Man versucht, aus seiner Welt auszubrechen, seine soziale Schicht zu überwinden, um für sich ein besseres Leben zu schaffen. Man erleidet Niederschläge, steckt Schicksalsschläge weg und probiert es doch immer weiter, zu fliegen und nicht zu fallen.

Hätten Sie gedacht, dass Sie als Rapper jemals einen Polizisten spielen würden?

Nein. Ich bin ein halbes Leben in der Graffiti-Szene unterwegs gewesen und in jungen Jahren durchaus mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Als Sprayer bewegt man sich eher auf der anderen Seite der Veranstaltung. Mir liegt nichts ferner, als jemals Polizeischüler zu werden. Ich finde die Arbeit der Polizei wichtig, aber es ist so gar nicht meine Welt.

Liegen Welten zwischen Ihnen und Ihrer Figur Leroy?

Er ist weit entfernt von meinem echten Charakter. Ich bin im wahren Leben sehr viel entschlossener und wilder als Leroy. Dementsprechend war es erst einmal meine Aufgabe, ihn zu verstehen. Wie tickt er überhaupt? Leroy ist hin- und hergerissen zwischen der unbedingten Loyalität zu seinen Freunden und dem unguten Gefühl, dass ihre Einsätze total außer Kontrolle geraten. Am Ende erweist er sich zwar als hemmende Kraft, aber es gelingt ihm nicht, die Eskalation zu verhindern.

Welche Szene hat Ihnen am meisten zugesetzt?

Es war gleich die erste Szene. Sie spielt auf dem Dach des Hochhauses. Dabei habe ich Höhenangst. Oben wehte ein unfassbar heftiger Wind, der für viele Verzögerungen sorgte. In der Szene stürmen wir durchs Treppenhaus nach oben, sind völlig außer Atem und vollgepumpt mit Adrenalin. Und dann steht dieses Mädchen am Rand des Gebäudes und will springen. Es war eine wirklich heftige Erstinitiierung.

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